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Klein: „Weihnachten zu Hause zu sein, war für mich eine neue Erfahrung“

Ehingen / Lesedauer: 10 min

Handball: Dominik Klein über das Ehinger Turnier, sein Leben in Frankreich und mentales Training
Veröffentlicht:11.08.2017, 20:56

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Dominik Klein zählt seit Langem zu den besten Linksaußen im Handball. Er spielte zehn Jahre für den THW Kiel, gewann mit dem THW achtmal die deutsche Meisterschaft, sechsmal den DHB-Pokal und dreimal die Champions League. 2007 wurde Klein mit der Nationalmannschaft Weltmeister. 2016 verließ der heute 33-Jährige Kiel und wechselte zum HBC Nantes , mit dem er im ersten Jahr den französischen Pokal holte, Rang zwei in der Liga belegte und ins Achtelfinale der Champions League kam. Mit Nantes gewann Klein 2016 auch den Sparkassen-Cup und ist nun zum insgesamt achten Mal beim Turnier in Ehingen dabei. SZ-Redakteur Andreas Wagner sprach mit Klein über die Erfahrungen in Ehingen, die Unterschiede zwischen Handball in Deutschland und Frankreich, Druck im Profisport und seine Pläne für die Zukunft.

Im vergangenen Jahr haben Sie nach dem Finale gesagt, dass Sie mit Nantes unbedingt auch 2017 beim Sparkassen-Cup spielen wollten. Sie waren zuvor etliche Male mit Kiel in Ehingen und kennen das Turnier in der Längenfeldhalle. Was schätzen Sie daran?

Das habe ich damals gesagt, weil ich davon ausgegangen bin, dass man den Titelverteidiger wieder dabeihaben will. Aber es gilt, was ich schon als Spieler des THW in Ehingen erfahren habe. Mir gefällt, wie familiär es hier zugeht, die Betreuung der Mannschaften durch die vielen Helfer und die Unterbringung in den Hotels mit super Service. Es wird einem viel geboten, auch wenn der Rummel vor der Halle früher größer war. Dazu kommen hochkarätige Spiele – für uns die ersten in der Vorbereitung, da wir später eingestiegen sind. Und alle Spiele gegen Top-Gegner. Wie schon vor einem Jahr, als wir froh waren, dass wir eingeladen wurden. Für einen jungen Verein wie Nantes ist das eine große Geschichte.

Waren Sie überrascht, dass Sie mit Nantes 2016 auf Anhieb Turniersieger wurden?

Wir haben eine Mannschaft mit vielen erfahrenen Spielern und recht schnell zusammengefunden. Wegen Olympia haben aber auch einige Nationalspieler bei den Gegnern gefehlt, nichtsdestotrotz wollen wir den Erfolg von 2016 bestätigen.

In Frankreich war Nantes vergangene Saison recht erfolgreich.

Wir waren Pokalsieger und Zweiter in der Liga hinter Paris, aber PSG spielt auf einem anderen Stern. Die Frage wird sein, wie wir unser Spielsystem mit schnellem Ball und schnellem Umschalten von Abwehr auf Angriff weiterentwickeln. Persönlich finde ich es schön, diesen Prozess mitzugestalten.

Ihr Teamkollege Eduardo Gurbindo, der vor seinem Wechsel beim FC Barcelona gespielt hatte, hob im vergangenen Jahr den Teamgeist und Zusammenhalt hervor. Empfinden Sie das ebenso?

Ein gutes Teamgefüge muss sein. Nur wenn es passt, hat man Erfolg. Wir sind dann erfolgreich, wenn wir uns gegenseitig respektieren, wenn wir gemeinsam kämpfen wollen und den Anspruch haben, alle drei Tage unser Spiel zu gewinnen. Vergangene Saison sind wir richtig in einen Flow reingekommen. Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Siege am Stück es waren, aber es dürften wettbewerbsübergreifend über 20 gewesen sein. So eine Welle wollen wir wieder lostreten.

Sie kamen vor wenigen Tagen nicht von Nantes nach Ehingen, sondern von Kiel, wo Sie an einer Benefizaktion zugunsten der Mukoviszidose-Hilfe in einer Bäckerei mithalfen. Wie gern kehren Sie noch nach Kiel zurück?

Das tut immer gut. Kiel ist für mich ein Stück Heimat, das spürt man schon, wenn man in die Stadt reinfährt. Man fühlt sich wohl dort, hat Freundschaften und ist Teil der THW-Familie, mit der man sich immer verbunden fühlen wird.

Ihr früherer Teamkollege Christian Zeitz, der ein Jahr vor Ihnen Kiel verließ und nach Veszprém wechselte, äußerte sich ähnlich und ist inzwischen zum THW zurückgekehrt. Ist das für Sie ebenfalls vorstellbar?

Auf sportlicher Ebene nicht. Ich bin aber nach wie vor im Austausch mit den Verantwortlichen des THW.

Den Wechsel nach Nantes haben Sie nicht bereut?

In keinster Weise. Vom ersten Tag an hat es sich in Nantes gut und richtig angefühlt. Dabei muss man sich in meine Lage hineinversetzen: Man hat hohe Ansprüche ans sportliche Niveau, will in der Champions League spielen und jedes Spiel gewinnen. So etwas beeinflusst die Entscheidung, denn vor einem Wechsel macht man sich viele Gedanken.

War die familiäre Situation mitentscheidend? Ihre Frau Isabell spielt ebenfalls auf höchster Ebene Handball und das war in Deutschland mit viel Aufwand verbunden, weil Sie beide in Kiel wohnten und Isabell in Buxtehude spielte. Jetzt spielen Sie und Ihre Frau zwar für zwei verschiedene Vereine, aber in derselben Stadt.

Das hat natürlich eine Rolle gespielt, aber weil wir ein Kind haben, funktioniert es in Frankreich auch nur mit einem Au-Pair-Mädchen, das bei uns wohnt. Denn Isi ist jetzt auch Profi-Handballerin. Das ist in Frankreich etwas anders als in Deutschland, wo die Spielerinnen nebenher studieren oder eine Berufsausbildung machen. Wenn Isi und ich unsere Spielkalender übereinanderlegen, sieht man sich auch nicht so oft. Aber dass wir beide für Vereine aus Nantes spielen, ist eine Erleichterung. Früher waren es für Isi zwei Stunden Autofahrt zum Training, einfache Fahrt, die A7 war ein Energiefresser. Jetzt sind es zehn Minuten.

Wie sehr unterscheidet sich der deutsche vom französischen Handball?

In Frankreich spielt das Individuelle eine größere Rolle, den Spielern wird ein größerer Freiraum gegeben. Man darf seine Schnelligkeit, seine Kraft mehr ausleben. Auch im Spielsystem gibt es Unterschiede, im taktischen Verhalten. In Deutschland ist man oftmals disziplinierter. Aber der Trend geht auch in Frankreich dahin, dass das Spiel taktisch immer ausgeprägter wird.

In der Bundesliga ist oft von einer sehr hohen Belastung für die Spieler die Rede. Wie sieht es damit in Frankreich aus?

Die Belastung ist nicht wesentlich geringer. Die französische Liga hat mit 14 zwar weniger Mannschaften als die Bundesliga, aber es gibt in Frankreich einen zusätzlichen Pokalwettbewerb und durch die internationalen Spiele sind wir auch im Drei-Tage-Rhythmus. Allerdings fängt die Saison später an und hört früher auf. Und Weihnachten ist frei. In Frankreich gibt es eine starke Spieler-Gewerkschaft, die darauf achtet.

Weihnachten bei der Familie ist nichts Selbstverständliches für einen Handballprofi?

In der Bundesliga haben sich neun der 18 Vereine gefreut, wenn sie an Weihnachten ein Heimspiel hatten. An dem Tag gab es auch wenige Konkurrenzveranstaltungen. Aber für uns Spieler bedeutete das, dass wir am ersten Weihnachtsfeiertag zum Videostudium in der Halle waren und am zweiten Feiertag war das Spiel. An Weihnachten frei zu haben und zu Hause bei der Familie zu sein, war für mich eine ganz neue Erfahrung.

Haben Sie sich rasch an das Leben in Frankreich gewöhnt?

Wir haben es schnell angenommen, wobei natürlich der sportliche Alltag vorn ansteht. Sprachlich habe ich bei Lesson Zero angefangen, ich erhalte Privatunterricht, um auf ein Niveau zu kommen, das mich durch den Alltag bringt.

In Ihrer Mannschaft sind Spieler aus unterschiedlichen Nationen, nicht nur Franzosen. In welcher Sprache wird geredet?

Es wird Französisch gesprochen. Das Vokabular für die Halle und den Sport lernt man recht schnell, es funktioniert ganz gut.

Nutzen Sie Ihre Freizeit auch für Ausflüge?

Von Nantes aus ist es nur eine halbe Stunde zur Atlantikküste. Dort fährt man hin, um aufzutanken. Aber diese Tage sind leider selten.

Wie lange werden Sie noch für Nantes spielen?

Ich habe 2016 einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Dann muss ich sehen, wie es mir körperlich geht. Aber wenn ich mir meinen Körper jetzt anschaue, könnte es noch länger gehen. Für Nantes stellt sich jetzt eine neue Herausforderung, wir sind diesmal in einer der beiden stärkeren Champions-League-Gruppen und müssen sehen, wie wir das meistern.

Sie haben mit vielen namhaften Trainern zusammengearbeitet: mit Zvonimir „Noka“ Serdarusic und Alfred Gislason in Kiel, mit Thierry Anti in Nantes. Was nehmen Sie von diesen Trainern mit?

Ich hatte immer den richtigen Trainer zur richtigen Zeit. Außer den Genannten noch Martin Schwalb, den ich als 18-Jähriger bei Wallau-Massenheim hatte, und Michael Roth, mein Trainer in Großwallstadt, als ich schon in Kiel unterschrieben hatte. Serdarusic war ein Schleifer und Handballkenner, er bleibt für mich der Trainer schlechthin, aber auch Gislason war seinerzeit der richtige, genauso wie jetzt Anti. Er hat immer das Gespür dafür, wann er einem Spieler eine Pause geben kann, wann er wechselt. Und was Trainer angeht, will ich die Arbeit mit einem Personal Coach aus Heidelberg nicht vergessen, mit dem ich mich seit 2010 austausche und regelmäßig vor Spielen telefoniere.

Als eine Art Mentaltraining?

Ja. Der Personal Coach, der früher selbst Handball gespielt hat, aber nicht als Profi, hat meine Leistung auf ein Level gebracht, das mich weiter-bringt. Man hat schon mal Bedenken vor Spielen, es geht um Dinge, die einen beschäftigen. Man muss lernen, loszulassen, denn das raubt Energie fürs Spiel.

Mentaltraining ist im Sport nichts Selbstverständliches.

Vor allem im Mannschaftssport ist es noch nicht so angekommen, anders als bei Einzelsportarten. Das ist nachvollziehbar, denn wenn ein Spieler nicht gut drauf ist, kommt ein anderer dran. Aber Spiele werden auch im Kopf entschieden. Daher gab es schon Anfragen von Firmen, die mich für einen Vortrag gebucht haben. Beispielsweise durfte ich zum Thema „Mit Höchstleistung zum Wachstum“ meine Erfahrungen aus dem Profisport an ein Strategie- und Marketingteam weitergeben.

Sind zehn Jahre beim THW Kiel nicht ein Beleg für mentale Stärke?

Wer beim THW Kiel unterschreibt, weiß, was das bedeutet. Am Ende einer Saison muss der Briefkopf geändert werden, in Kiel zählen nur Titel.

Ist der Druck in Frankreich geringer?

Nicht unbedingt. Erfahrene Spieler haben auch einen Anspruch an sich selbst und der Verein hat ebenfalls hohe Ziele. In Nantes kommt das Zusammenspiel mit den Fans hinzu. Wir haben die besten Fans der Liga und das schaukelt sich hoch. Als erfahrener Spieler verspürt man den Druck vielleicht nicht mehr, aber er ist immer noch da.

Sie stammen aus dem unterfränkischen Obernburg. In Franken insgesamt hat der Handball in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Verfolgen Sie das Geschehen dort?

Die Entwicklung verfolge ich schon, die Rückkehr nach Franken und in die alte Heimat kann später ein Ziel sein. Die fränkischen Vereine – Erlangen, Coburg, Rimpar – sorgen für Furore. Und dann ist da auch noch Großwallstadt. Es ist gut zu wissen, wo die eigenen Wurzeln sind.

Was planen Sie für die Zukunft und die Zeit nach dem Profihandball?

Ich bin jemand, der viele Ideen im Kopf hat und sich viele Standbeine vorstellen kann. Beispielsweise Vorträge in der Wirtschaft, das hat schon mal ganz gut funktioniert. Außerdem gebe ich gerne meinen Erfahrungsschatz an Kinder in Trainingscamps weiter. Denn Jugendarbeit ist mit das Wichtigste, was es gibt.