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Jahresinterview

Jahresinterview mit dem Ehinger Oberbürgermeister

Ehingen / Lesedauer: 9 min

Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann spricht über Finanzen, Digitialisierung und vieles mehr
Veröffentlicht:23.12.2018, 19:27

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Oberbürgermeister Alexander Baumann ist am Donnerstag im Rahmen einer öffentlichen Gemeinderatssitzung in seine zweite Amtszeit eingesetzt worden. Im Gespräch mit SZ-Redaktionsleiter Tobias Götz erklärt Baumann, warum Ehingen bald kein Geld mehr auf der hohen Kante haben könnte und warum beispielsweise der Businesspark mit einer Auslastung von 93 Prozent ein Erfolgsmodell geworden ist.

Herr Baumann, bei der Einbringung des Haushaltsplans haben Sie eindringlich davor gewarnt, dass die liquiden Mittel der Stadt Ehingen bis zum Ende des Jahres 2022 aufgebraucht sind, sofern die Entwicklung so weitergeht.

Das stimmt. Als wir mit den Planungen des Haushalts im Sommer begonnen haben, gab es unendlich viele Wünsche von allen Seiten. Hinzu kamen zahlreiche Vorfestlegungen, die wir im Gemeinderat getroffen haben. Dazu gehören auch bereits beschlossene Maßnahmen zur Schulsanierung, der Ausbau des Breitbandnetzes, die Fortschreibung und Umsetzung des Feuerwehrbedarfsplans, Projekte im Straßenbau oder auch die Sanierung der Sporthalle in Rißtissen.

Und bei Ihrer Dialog-Tour durch Ehingen und die Teilorte kamen zahlreiche Wünsche aus der Bürgerschaft hinzu.

Auch das stimmt. Dort gab es berechtigte Anforderungen und auch Begehrlichkeiten seitens der Bürger.

Wie schaut es nun tatsächlich aus? Muss Ehingen im Jahr 2023 nach fast zwei Jahrzehnten wieder neue Schulden aufnehmen?

Das möchte ich auf jeden Fall vermeiden. Fakt ist aber, dass ich deutlich machen musste, wohin es führt, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir haben mit 29,2 Millionen Euro die höchste Investitionsrate in der Geschichte der Stadt Ehingen. Bei der Einbringung des Haushalts wollte ich aufzeigen, welche Konsequenzen es hat, wenn wir jedes Jahr einen tiefen Griff in die Kasse machen müssen. Daraus ergibt sich eben ein Spannungsfeld und meine Aufgabe ist es, besonders darauf hinzuweisen. So werden Ende 2022, wenn wir so weitermachen und die Einnahmen stabil bleiben, noch rund fünf Millionen Euro in der Kasse sein.

Wie wollen Sie vermeiden, dass Ehingen dann neue Schulden aufnehmen muss?

Es gibt Stellschrauben auf der Aufwands- und der Ertragsseite und es besteht momentan keine akute Gefahr. Die Botschaft lautet aber klar: Wenn wir weiterhin ohne Schulden bleiben wollen, müssen wir uns an dem orientieren, was notwendig ist.

Da kommt Ihnen die Forderung einzelner Stadträte nach der Abschaffung der Kindergartengebühren in Ehingen sicher etwas ungelegen.

Nun ja, wir alle sollten uns eben darüber im Klaren sein, wer das alles dann bezahlen muss. Es wird die Gesellschaft, sprich die Allgemeinheit sein. Denn wir alle wollen dann auch sicherlich die gleichbleibende Qualität, den gleichen Umfang der Betreuung und die Erzieherinnen und Erzieher wollen sicher auch das gleiche Gehalt. Man kann also die Abschaffung der Kindergartengebühren verlangen, sollte dann aber auch einen Vorschlag machen, wer das bezahlen soll. In Ehingen handelt es sich hier um rund 800 000 Euro bei der Stadt und weitere 400 000 Euro bei den Kirchen.

Geld kosten wird im kommenden Jahr auch die Überplanung des Groggenseeareals samt Jugendhaus-Vorplatz. Macht es Sinn, gleich das ganze Areal zu überplanen oder würde nicht eine Umgestaltung des Jugendhaus-Vorplatzes reichen?

Wir wollen mit der Planung schauen, wie wir den Groggensee in seiner Gesamtheit weiterentwickeln können. Dafür brauchen wir den Blick auf das Ganze. Fakt ist, dass wir in einem ersten Schritt den Vorplatz des Jugendhauses realisieren werden. Darüber hinaus lassen wir Ideen entwickeln, die die Aufenthaltsqualität am Groggensee erhöhen könnten. Da kann an der Gastronomie etwas verändert werden, wir könnten Veranstaltungen auf dem Areal stattfinden lassen oder aber wir kommen zu dem Entschluss, dass alles gut ist, wie es ist. Die Planung werden wir den Profis überlassen und Ideen mit den Bürgerinnen und Bürgern besprechen.

Herr Baumann, über die Digitalisierung ist in diesem Jahr sehr viel gesprochen und geschrieben worden. Das Backbone wird zum Ende des Jahres 2020 stehen, danach wird es weitere Jahre dauern, bis Glasfaser an jedem Haus ist.

So ist es. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Glasfasernetz zwischen allen Stadtteilen auch wirklich 2020 steht. Dann kommt sehr viel Kleinarbeit auf uns zu, wenn wir Glasfaser in jeder Straße haben wollen. Das wiederum wird sicher über das Jahr 2030 hinausgehen.

Die Digitalisierung hat Ehingen im Griff. Jüngst hat ein Stadtrat in der Sitzung bemängelt, Ehingen würde zu wenig für die Digitalisierung der Schulen tun.

Ich meine, die vollständige Betrachtung der Fakten belegt etwas anderes. Wir müssen uns hier überhaupt nicht verstecken. Wir finanzieren in den kommenden zwei Jahren mit einer Million Euro die Digitalisierung der Schulen und richten uns am tatsächlichen Bedarf und den pädagogischen Konzepten aus. Bürgermeister Sebastian Wolf steht in einem engen Dialog mit den Schulen.

Rechnen Sie hier mit Geldern von Bund?

Im Idealfall schon. Es ist momentan schade, dass durch das politische Hin und Her zwischen den Ländern und dem Bund keine Entscheidung getroffen wird. Hier wird eine Entwicklung verhindert. Sicherlich muss bei dieser Diskussion klar sein, dass der Föderalismus erhalten bleiben muss, dennoch brauchen wir eine Entscheidung, damit das Geld fließen kann.

Die Entscheidung für den Digital Hub im Businesspark ist gefallen. Auch ein wichtiger Schritt für Ehingen, um in Sachen Digitalisierung voranzukommen.

Die Notwendigkeit für einen Digital Hub ist in Ehingen absolut vorhanden. Wir sind auch froh, dass wir in dem Konsortium zusammen mit dem Landkreis und der IHK eine solche Plattform nach Ehingen holen konnten. So können wir den Digitalisierungsprozess hier etablieren und voranbringen.

Was heißt das genau?

Nun, im Digital Hub werden künftig Betriebe beraten, die keine Möglichkeit haben, digital zu experimentieren. Sie finden dann in Ehingen eine Plattform, wo sie unterstützt werden. Wir werden in Ehingen den Schwerpunkt auf den 3D-Druck legen.

Wann startet dieses Angebot im Businesspark?

Im Frühjahr wollen wir damit starten. Es wird dann auch einen hauptamtlichen Hub-Manager geben. Dieser wird aber nicht bei der Stadt Ehingen angestellt sein, sondern beim Konsortium.

Wie beurteilen Sie allgemein den Erfolg des Businessparks? Mittlerweile sind 93 Prozent der Flächen verpachtet.

Der Erfolg ist in erster Linie den Menschen zu verdanken, die sich jeden Tag für den Businesspark einsetzen.

Was ist aus der Idee geworden, dort ein Boarding House – sprich Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten?

Dieser Gedanke ist noch immer da. Dieser Gedanke ist aber eng daran geknüpft, ob es uns gelingen wird, im Businesspark ein Fortbildungs- und Studienangebot zu schaffen.

Herr Baumann, was fehlt in Ehingen eigentlich noch?

Ich glaube, dass wir sagen können, dass uns in Ehingen nichts Lebensnotwendiges fehlt. Wir haben eigentlich alles, was wir zum Leben und Wohlfühlen brauchen. Eines der Zukunftsthemen wird aber sicherlich das eben angesprochene Fortbildungs- und Studienangebot in Ehingen sein. Wir alle wissen, dass es nahezu ausgeschlossen ist, eine staatliche Hochschule nach Ehingen zu bekommen. Im privaten Bereich sind die Chancen größer. Es gibt auch einen gewissen Wandel beim Thema Fortbildung. Oft sind Mitarbeiter und Unternehmen froh, wenn Fortbildungen regional stattfinden, damit die Menschen nicht weit reisen müssen, vor allem, wenn sie schon im Beruf stehen.

Nicht ausreisen wollen aus Ehingen auch viele. Das beweist die Nachfrage nach Bauplätzen und Wohnungen. Stößt das Baugebiet Rosengarten bald an seine Grenzen?

Aktuell noch nicht. Es können noch drei weitere Bauabschnitte erschlossen werden. Natürlich ist die Nachfrage momentan in Ehingen und auch den Teilorten groß. Wir können diese aber immerhin, auch wenn es Wartezeit im Rosengarten gibt, befriedigen.

Es gibt auch Baulücken im Stadtgebiet...

Ja, und diese werden immer weniger, weil manche bebaut werden. Nicht immer zur Freude der Nachbarn. Es gibt aber noch immer Bauplätze, die man nutzen könnte. Ich hoffe hier, dass bei den Eigentümern die Erkenntnis reift, diese Plätze auch an Bauwillige zu verkaufen oder selbst zu investieren und Wohnraum zu schaffen.

Und dann gibt es ja noch den Wunsch mancher Stadträte nach einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft.

Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ist nicht die Lösung für das Problem Wohnungsnot. Keiner, der das fordert, hat mir bisher gesagt, wie dadurch das Problem gelöst wird. Wir würden mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft bei Null starten und zu heutigen Gestehungskosten ein Portfolio aufbauen. Wir müssten Personal einstellen, bräuchten eine Geschäftsführung und diese Gesellschaft müsste sich dann auch selbst finanzieren und somit Erlöse erwirtschaften. Und wir haben ja Wohnungsbaugesellschaften wie die GWO und andere, die auch sozialen Wohnraum in Ehingen schaffen. Was wir brauchen, ist staatlich geförderter Wohnraum und eine Absenkung überzogener Standards.

Ein ganz anderes Thema: Seit wenigen Tagen wird in Ehingen über den Zebrastreifen an der Biberacher Straße diskutiert. Mehrere Eltern wünschen sich hier eine Ampel. Wie geht es hier weiter?

Wir werden nochmals genau klären, wie hier die gesetzliche Grundlage ist und was wir als Stadt für einen Ermessungsspielraum haben. Das wird gerade in aller Gründlichkeit gemacht. Dann werden wir eine gute Entscheidungsgrundlage haben. Klar ist aber, dass wir uns nicht im rechtsfreien Raum bewegen werden.

Und wie sehen sie den Bau der Schüttguthallen der Firma Braig, den die SPD-Fraktion angeprangert hat?

Wir prüfen die Zulässigkeit des Bauvorhabens und dazu fehlen vom Bauherrn noch Unterlagen. Deshalb gibt es aktuell keine Baufreigabe. Unrechtmäßige Zustände werden von uns nicht geduldet und wie in jedem anderen Fall auch sanktioniert.

Herr Baumann, wie bewerten Sie losgelöst von der Kommunalpolitik das Jahr 2018 für Ehingen?

Wir hatten oft Grund zu feiern. Die Realschule ist 50 Jahre alt geworden, der Kinderschutzbund 40 und wir hatten ein tolles Kreismusikfest. Das Stadtbild hat sich mit dem Abbruch der Volksbank verändert, wir hatten Besuch von der damaligen CDU-Generalsekretärin und heutigen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Stellvertreter Thomas Strobl waren zu Gast in Ehingen. Die städtische Galerie macht sich immer mehr einen Namen weit über die Grenzen Ehingens hinaus. Wir haben zumindest eine Saison lang mit den TTF Ochsenhausen Tischtennis-Bundesliga in der Stadt. Alles in allem – wir haben Anlass dankbar dafür zu sein, dass wir uns wohlfühlen können.