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Superheld

In der Alten Schule geht es turbulent zu

Ehingen / Lesedauer: 3 min

Im Nasgenstadter Theater mischt der schwäbische Super-W die Gemüter auf
Veröffentlicht:22.10.2018, 17:21

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Superhelden sind es immer wieder, die Frauen filmreif vor Augen führen, wie schlecht es das Schicksal mit ihnen bei der Zuteilung eines mittelmäßigen Lebensabschnittsgefährten gemeint hat. So war es auch in dem Dorf, das der verstorbene Nasgenstadter Theaterautor Klaus Glatthaar vor 20 Jahren als Schauplatz der Geschichte vom schwäbischen SUPER-W erwählte.

Drei Mitglieder der Jugendgruppe, der Glatthaar die Rollen auf den Leib geschrieben oder geschneidert haben soll, erwiesen sich darin beim Remake noch besser angezogen. Nach etlichen Jahren selbst erlittener Eheerfahrung passte der Anzug Holger Schramm und Roman Cichon gewissermaßen tadellos. Als rumänisches Findelkind hatte Carolin Cichon nichts von ihrer raffinierten Überzeugungskunst verloren. Warum gerade Holger Schramm vom Autor als Träger der Idealfigur erwählt worden war, erklärte sich nach dessen bravouröser Wiederverkörperung des Wilhelm Waldenburg geradezu von selbst. Da passten Gestik Mimik, Haltung und Sprache perfekt. Dass im Stück alle Namen mit W anfangen, hängt mit der Faszination eines Super-W zusammen, der im Dorf vor Jahren die Frauen betörte und die Männer verblüffte. Weißes T-Shirt mit Brustemblem, roter Leichtstoffumhang und Gesichtsanmaskierung genügten, um die Bevölkerung vom vorübergehenden Erscheinen eines Superhelden zu überzeugen. Der Buchstabe W war sein besonderes Kennzeichnen. Die einzigen, die um das Geheimnis des Super-W wissen, sind Wilhelm Waldenburg und sein Nachbar Walter Wasgeier. Sie haben den Stress einst provoziert und gedenken ihn, durch eine Neuauflage der Erscheinung zu beenden. Dafür ist der nicht sehr attraktive Postbote Werner die richtige Figur. Als klimawandelnder Charmeur, der Eisberge zum Schmelzen bringt, bekommt er damit die Chance, die von ihm angebetete Altledige Wally Wummer für sich zu gewinnen. Für den schwäbischen Super-W hat sie sich schließlich aufgehoben. Bisher hat Werner von ihr in der Kirche zwei blaue Augen eingefangen, das erste Mal, als er ihr den im Fiedla eingeklemmten Rock aus der Spalte haspelte, ein zweites, als er eine Woche später den Rock dort wieder einzunesteln versuchte. Heftigen Weiberstreit löst die Ankündigung der Rückkehr des Super-W aus. Dabei führen moralische Bedenken zum kurzfristigen Zuhalten des Vorhangs. Am Ende liegen beide Ehemänner platt auf dem Boden.

„Ich bin ein einfaches bulgarisches Mädchen“, bekennt die der Finanzamtsrevisorin als Findelkind für Vorsorgeaufwand vorgeschobene Wolga Wivanovic aus Muränien. Bescheiden aber stolz gibt Wilhelm am Ende zu, den Schwindel mit dem Helden inszeniert zu haben. Das Kostüm dazu haber er danach auf dem Dachboden des Nachbarn versteckt. Das W stand für den Wolpertinger an seiner Hauswand. Drei Frauen habe er als der schwäbische Super-W einst sitzen gelassen, sei aber keineswegs „andrschrom“, solange es solche Frauen gibt. Solange es solche Volksschauspieler gibt wie die in Nasgenstadt, lohnt es sich auch nicht, andere anzuschauen – zumindest nicht gleichzeitig.