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Hilfeschrei

Hilfeschreie aus dem Funkgerät und ein „verdächtiges Tier“

Aalen / Lesedauer: 6 min

Hilfeschreie aus dem Funkgerät und ein „verdächtiges Tier“
Veröffentlicht:09.08.2013, 18:55

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Egal ob Falschparker, Einbruch, Ehestreit, Amoklauf, Mord, Banküberfall oder Ruhestörung. Die Polizeistreife ist immer zuerst da. Das Einsatzkommando oder die Kripo kommt erst später. Und was erleben die Beamten so nachts in ihrem weitläufigen Revier im Altkreis Aalen, von den „Brennpunkten“ in der Stadt bis an die Grenze zu Heidenheim, vom hinteren Härtsfeld bis ins Kochertal nach Untergröningen? Wir begleiteten eine Streife, die Dienstgruppe E, eine Nachtschicht lang von 20 bis 6 Uhr. Auf dem Polizeirevier Aalen und im Polizeiwagen. Zehn Stunden also bei der „Kavallerie“ zum Schutz der Bürger. Mit einem Trompeten-Kavallerie-Signal laufen auch die Notrufe auf dem Computer der Wache ein.

Gleich zu Schichtbeginn geht’s los. Ein angeblich betrunkener Mann soll vom Fahrrad gestürzt sein. Wie sich herausstellt, war der Mann aber unterzuckert und ist deshalb gefallen. Die Kollegen sind schon aufgebrochen, denn in dieser Nacht sind zwei Schwertransporte unterwegs, einer in Richtung Gmünd, einer in Richtung Westhausen. Dann kommt der nächste Einsatz. Ein offenbar Betrunkener weigert sich, eine Bar beim Bahnhof zu verlassen. Polizei-Oberkommissar Gerald Marek und Polizeimeister-Anwärter Julian Haas machen sich auf. Im Außenbereich der Bar sitzt ein verwirrt wirkender und etwas verwahrlost aussehender Mann mit einer Krücke. Unter ihm ist eine Pfütze. Noch zweimal uriniert er im Sitzen durch die Hose auf Stuhl und Boden. „Guten Tag, die Polizei ist da“, begrüßt ihn Marek und versucht zu erfahren, wo er hin will oder ob er vielleicht aus dem Krankenhaus getürmt ist. Der Personalausweis ist abgelaufen, die Meldeadresse stimmt auch nicht mehr. Er könne nicht mehr laufen, erklärt der Mann, bei dem der Alkoholtest 1,4 Promille ergeben hat, Marek wundert sich, er hätte mehr erwartet. Und er will den Mann in diesem offensichtlich verwirrten Zustand nicht mit in die Zelle aufs Revier nehmen, weil er um dessen Gesundheitszustand fürchtet. Das DRK wird alarmiert und nimmt den Mann mit ins Krankenhaus. Dann die nächste Alarmierung: An einer Tankstelle in Fachsenfeld sollen sechs Jugendliche kiffen. Sechs junge Männer zwischen 20 und 25 sitzen hinten bei der Tankstelle mit ein paar Flaschen Bier, eine junge, gutgelaunte Frau mit schwarzen High-Heels sitzt in einem Campingstuhl. Sie sind „sauber“, ein Joint wird nicht gefunden und auch kein Rauschgift. Marek und sein junger Kollege überprüfen die Personalien, klären die Situation locker, freundlich-souverän. Dann geht’s weiter zu den „Brennpunkten“. Skateranlage unter der Hochbrücke, Gmünder Torplatz, ZOB, ins Industriegebiet, und durch Wohngebiete, um Präsenz zu zeigen gegen eventuelle Einbrecher. „Wir produzieren Sicherheit“, nennt das Marek. Auch auf dem Berufsschulzentrum-Gelände steigen manchmal nächtliche Partys. Heute aber nicht. Ein Hase hoppelt im Scheinwerferlicht über den Parkplatz. „Verdächtiges Tier entdeckt“, sagt Marek trocken. Es gab aber auch schon eine ziemlich brenzlige Situation, an die sich Polizeihauptkommissarin Daniela Christ ganz genau und nachdenklich erinnert. Nachts waren Jugendliche in die Berufsschule eingedrungen, es folgte das ganze Programm – mehrere Streifen, Hundestaffel, Hubschrauber. Die Jugendlichen flüchteten, genau auf die Polizistin zu. Dann stellte sich heraus, dass einer der Jungs eine Schreckschusswaffe dabei hatte. Die Situation hätte sehr ernst und sogar tödlich ausgehen können. Das ist mit das gefährliche und belastende an diesem Beruf, abgesehen von tödlichen Unfällen, schrecklichen Bildern und menschlichen Dramen, die auch die Beamten belasten. „Man weiß nie, was einen erwartet“, sagt Christ: „Das ist aber auch das interessante an diesem Beruf.“

Kontrolliert wird noch ein weiterer „Brennpunkt“, der Wasseralfinger Stefansplatz. Die Jungs und Mädchen sitzen dort nur, ohne Alkohol und friedlich. Die beiden Beamten treten verbindlich, freundlich und recht „cool“ auf, Marek sorgt sich, ob es eine gute Idee einer Jugendlichen ist, nachts alleine nach Hüttlingen zu laufen. Verbieten kann er es nicht. Einen Jugendlichen, der schon öfter relativ heftig aufgefallen ist, ermahnt er, nichts Dummes anzustellen. Prophylaktisch und wohl aus gutem Grund. Dann dringen Hilfeschreie einer Frau aus dem Funkgerät, es hört sich dramatisch an. In Hussenhofen soll es einen heftigen, offenbar blutigen Familienstreit geben. Die Kollegen in Gmünd sind ausgelastet und bitten die Aalener um Unterstützung. Eine Streife ist unterwegs und nun gibt es ein Problem: Der 5,60 Meter breite Schwertransport blockiert auch den Beamten die Fahrt auf der B 29. „Die Schwertransporte binden Kräfte“, sagen die Beamten. Etwas später treffen dann Polizeihauptmeister Holger Gramling mit Kollegin Christ in der Wohnung ein, die auch von mehreren Hunden bewohnt wird. Ganz so dramatisch geht die Sache dann nicht aus, die Kollegen aus Gmünd übernehmen. Im Aalener Revier treffen immer wieder Ruhestörungs-Meldungen ein, die Beamten müssen nach Lauchheim, Fachsenfeld, in anderen Nächten auch hoch aufs Härtsfeld bis an die bayrische Grenze. Seinen 19. Geburtstag „feiert“ Julian Haas im Polizeiauto .Von Feiern kann natürlich keine Rede sein, immerhin wird vom Auto aus gemeldet, dass der Leberkäse in den Ofen des Polizeireviers kann. Ob es für das Vesper mit Leberkäse, Briegel und Mohnkringel zum Geburtstag reicht, ist bis dahin natürlich ungewiss. Noch einige Ruhestörungen werden gemeldet, eine Frau in einem Seniorenheim in der Innenstadt soll um Hilfe gerufen haben. Der alten Dame war offenbar zu heiß in ihrem Zimmer. Zurück von Lauchheim fällt gegen halb Vier ein Auto auf, das ziemlich flott vom Wasseralfinger Südkreisel in Richtung Aalen unterwegs ist. Marek drückt aufs Gas und beschleunigt auf gut 120. Eine Geschwindigkeitsmessung ist nicht mehr möglich. In der Bahnhofstraße stellt die Streife den Kombi, der voll mit Zeitungen ist. Sie habe einen engen Zeitplan, sagt die Fahrerin etwas demütig. Es bleibt bei einer mündlichen Ermahnung. Sogar Kollegen der Tagschicht sind früh morgens noch auf dem Revier – eigentlich hätten sie seit Stunden Feierabend. Aber die Zahl der Einsätze richtet sich eben nicht nach dem Einsatzplan. Dann endet für den stellvertretender Schichtführer Marek, die Dienstgruppenleiterin Christ und die Kollegen die nächtliche Schicht. „Keine besonderen Vorkommnisse“, heißt es dann im Protokoll. In der nächsten Nachtschicht kann das natürlich wieder ganz anders aussehen.