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Bad Saulgau

„Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind so gut wie noch nie“

Bad Saulgau / Lesedauer: 4 min

Podiumsdiskussion in der Aula der Brechenmacherschule – Hoher Stellenwert der Bildungspartnerschaften betont
Veröffentlicht:19.01.2012, 18:20

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Wie steht es um die Chancen von Hauptschülern auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt? Welche Erwartungen haben die Betriebe? Was kann die Schule tun, um den Übergang möglichst optimal vorzubereiten? Diese und viele Fragen mehr standen am Dienstagabend im Fokus einer Podiumsdiskussion in der Aula der Brechenmacherschule Bad Saulgau.

Klaus Ailinger von der Firma Claas fasste als Erster zusammen, worauf die Personalenscheider des Unternehmens besonderen Wert legen. Anders als erwartet sind es nicht in erster Linie die Noten in den Kernfächern. „Uns sind die Kopfnoten (Verhalten und Mitarbeit, Anm. der Redaktion) sehr wichtig, weil wir aus denen viele Informationen über das soziale Verhalten, das Konzentrationsvermögen und die Motivation heraus lesen können“, sagte Klaus Ailinger. Schließlich wolle man in erster Linie „den Menschen“ kennen lernen. Alles Andere ließe sich gemeinsam erarbeiten. Diese Aussage deckt sich mit einer aktuellen Stern-Umfrage. „Vor den Schulnoten sind die soft skills zunehmend stärker gefragt“, sagte der stellvertretende Schulleiter und Moderator Gerhard Röhm. In noch stärkerem Maße steht bei der Vinzenz von Paul gGmbH der Mensch im Mittelpunkt. „Die Verantwortung ist sehr groß“, sagte Susanne Albert. Gleichzeitig sei ein großes Engagement, Ehrgeiz und Verlässlichkeit – und nicht zuletzt gute Rechtschreibkenntnisse - nötig, um den täglichen Anforderungen gewachsen zu sein.

Die Sozialdienstmitarbeiterin im Altenheim St. Antonius thematisierte zudem die „händeringende“ Suche nach Auszubildenden und Fachkräften und appelllierte insbesondere auch an die männlichen Jugendlichen, sich um einen Ausbildungsplatz zum Altenpfleger zu bewerben. Der „jüngste“ Bildungspartner der Grund- und Werkrealschule wurde auf dem Podium durch Thomas Dannegger vertreten. „Zuverlässige Jugendliche, die sich gerne entwickeln wollen, sind bei uns gerne gesehen“, sagte das neue Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank und erwähnte, dass er bis dato noch keine einzige Bewerbung eines Hauptschülers zum Bankkaufmann vorliegen hatte, obwohl grundsätzlich ein Hauptschulabschluss ausreiche. Gerade Praktikas würden entsprechende Chancen bieten. „Niemand von euch ist schlechter als ein Realschüler oder ein Gymnasiast“, mit diesen motivierenden Worten wandte sich Thomas Dannegger an die Jugendlichen im Publikum. Wie die anderen Podiumsteilnehmer, betonte auch er die hohe Bedeutung der sozialen Kompetenzen. Und die werden ganz offensichtlich positiv beeinflusst, wenn unter den Auszubildenden auch Mädchen sind. „Der Umgangston verändert sich genauso wie die Leistungsbereitschaft“, erzählte Dirk Reiner von der Firma Knoll, in der nicht nur Realschüler und Gymnasiasten, sondern auch viele Jugendliche mit Hauptschulabschluss ihre berufliche Laufbahn starten. Insbesondere bei der Ausbildung zum Industriemechaniker seien inzwischen deutlich mehr Mädchen zu verzeichnen.

Welche Bedeutung den Betriebspraktikas zukommt, wurde an dem Abend besonders deutlich. Die Ausbildungsleiter nehmen die Neulinge in aller Regel ziemlich genau unter die Lupe und machen sich Notizen, die in die mögliche spätere Bewerbung mit einfließen. Grund genug für die Brechenmacherschule, inzwischen vier einwöchige Praktikas anzubieten. „Daraus sind in den letzten Jahren viele Ausbildungsstellen entstanden“, sagte Udo Bachhofer, zuständig für die Berufswegeplanung, und betonte den hohen Stellenwert der Bildungspartnerschaften. Thomas Dannegger bedauerte, dass viele Kinder gerade während des Praktikums auf sich allein gestellt seien und appellierte an die Eltern, die Kinder zu unterstützen und grundsätzlich die Stärken zu betonen, die „jedes Kind hat“. „Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind so gut wie noch nie“, stellte die Berufsberaterin Karin Vogler fest. Dass es inzwischen längst nicht mehr üblich ist, dem gewählten Berufszweig treu zu bleiben, wurde bei der Diskussion ebenfalls deutlich. Klaus Ailinger erzählte von ehemaligen Industriemechanikern, die inzwischen als Tanzlehrer oder angehende Piloten ihren Lebensunterhalt verdienen. Karin Vogler bedauerte, dass die Mehrzahl der Jugendlichen nach wie vor auf wenige Trendberufe fixiert ist. Der Beruf der Frisörin oder Arzthelferin etwa läge bei den Mädchen noch immer auf der Beliebtheitsskala ganz vorne. Noch bis Freitag ist in der Aula der Brechenmacherschule das mobile Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit stationiert. Vormittags werden Informationsveranstaltungen für alle Schulen angeboten, während von 14 bis 16 Uhr die interessierte Öffentlichkeit eingeladen ist. An der Brechenmacherschule rundeten erstmals Workshops mit Auszubildenden der Bildungspartner das Programm dieser Berufsvorbereitungswoche ab.