Buchvorstellung

Stimmen vergessener Schicksale

Blaubeuren / Lesedauer: 3 min

Manfred Daur stellt im Buch „Uns wollte niemand haben“ Blaubeurer Flüchtlinge vor
Veröffentlicht:23.04.2015, 19:27

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Als Flüchtlinge oder Vertriebene sind 40 Menschen vor 70 Jahren nach Blaubeuren gekommen. In dem Buch „Uns wollte niemand haben“ schildert Autor Manfred Daur ihre Schicksale. Die Buchvorstellung am Mittwochabend lockte etwa 150 Menschen in den Saal des Blaubeurer Rathauses.

Mit der Dokumentation wurde ein Stück Stadt- und Zeitgeschichte geschrieben, sagte Manfred Daur, der das Buch mit der Stadt Blaubeuren herausgegeben hat. Ein anderer Name für die vergessene Generation ist Kriegskinder: Sie waren zu jung für den Kriegseinsatz aber alt genug, um zu hungern und vertrieben zu werden. Für die Verarbeitung ihrer Erlebnisse hätten die Eltern oft nur ein knappes „Vergiss es“ übrig gehabt, erzählt Daur.

Hennersdorf, Angerapp, Wiese Gräflich, Warnsdorf – Namen die hier hier wenige Menschen kennen. kennt. Aber für die 40 in dem Buch aufgeführten Blaubeurer stellen sie die Heimat dar, aus der sie einst flüchteten.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs war für Blaubeuren am 23. April 1946, als die alliierten Soldaten gegen die Wehrmacht vorrückten. In vielen Häusern kamen amerikenische Soldaten unter. Daran erinnert sich Babette Gundlach in dem Buch: „Als wir noch die ausgebombte Verwandschaft aus Pforzheim aufgenommen hatten, hieß es in der Weilerstraße: ,Kinder strecket au d’ Köpf zom Fenster naus, damit dia Ami sehet, wieviel Leut’ n dem Haus wohnet.’“Auf diese Art wollte man einer Einquartierung von Flüchtlingen vermeiden.

Für viele Flüchtlinge war vor 70 Jahren klar, wohin sie wollten: In den Westen: „Fahren wir nach Osten, fahren wir ins Verderben, fahren wir nach Westen fahren wir ins Glück“, erinnert sich ein Gesprächspartner Daurs in dem Buch an eine Aussage seines Vaters. Anlass waren die Geschichten von Vergewaltigungen durch Soldaten der vorrückenden Sowjetarmee.

Krank und schmächtig

Im Westen angekommen, wurden die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus dem Durchgangslager Kienlesberg in Ulm mit einem Lastwagen nach Blaubeuren gebracht. Die Kinder waren oft mangelernährt, zurückgeblieben, krank und schmächtig. Manche Kinder hatten zwei Jahre keinen Schulunterricht mehr besucht. Notdürftiger Unterricht fand in Blaubeuren in den Gasthäusern Krone und Lamm statt.

Eine Suppe von der Wirtin von Grünen Baum, eine neue Glühbirne in Weiler, ein Laib Brot in Ehrenstetten: Diese Belanglosigkeiten blieben über die Jahrzehnte hinweg haften.

Dieses Buch soll nicht nur die Schicksale der einstigen Flüchtlinge schildern, durch die Gespräche mit Manfred Daur konnten die Frauen und Männer ihre Erlebnisse auch verarbeiten. Das wusste eine Enkelin eines Mannes, den Manfred Daur befragte, zu schätzen und sagte zu ihrem Opa: „Endlich hasch jemand gfonda der dir zuhört.“

Die Dokumentation „Uns wollte niemand haben“ ist bei Manfred Daur erhältlich: Telefon 07344 / 6915 oder E-Mail an:

[email protected]