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Verwissenschaftlichung

Von Narzissten, Narzissen und Nazissen

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Von Narzissten, Narzissen und Nazissen
Veröffentlicht:28.02.2014, 08:00

Von:
  • Schwäbische.de
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Wir haben hier einen schlagenden Beweis, wie die Verwissenschaftlichung von Sprache funktioniert. Bis ins 20. Jahrhundert hinein kannte man nur den Begriff des Narziss. Er bezieht sich auf jene griechische Sage vom schönen Jüngling Narkissos, der voller Hochmut alle seine Verehrer und Verehrerinnen abblitzen lässt und deswegen zur Strafe von den Göttern dazu verdammt wird, nur noch sich selbst lieben zu können. Schließlich sitzt er tagelang an einem Teich, starrt entzückt auf sein Spiegelbild – und kommt dabei um. Wie genau ist umstritten: Version eins besagt, dass er sich von seinem Porträt nicht losreißen kann und verhungert. Laut Version zwei fällt ein Blatt auf die Wasseroberfläche und verzerrt das Bild derart ins Hässliche, dass der Beau vor Schreck vom Schlag getroffen wird. Version drei geht davon aus, dass er sein Konterfei küssen will, nach vorne fällt und ertrinkt.

Aber wie auch immer: Weil sich nun vor allem die Psychoanalyse auf den Narkissos-Mythos stürzte, wurden Narzissmus und narzisstisch zu Fachausdrücken bei übersteigerter, teils krankhafter Ichbezogenheit. Und dann haben wohl Formen wie Autist (zu Autismus/autistisch), Exhibitionist (zu Exhibitionismus/exhibitionistisch) oder Marxist (zu Marxismus/marxistisch) abgefärbt, so dass sich auch der Narzisst einbürgerte.

Da es bald Frühling wird, kommen wir um eine weitere Erklärung nicht herum. Wie zu vermuten, hat der Name Narzisse für die Pflanze mit dem eitlen Fant aus der Sage zu tun. Der römische Dichter Ovid erzählt in seinem "Buch der Verwandlungen", den "Metamorphosen", vom Ende des Narkissos: Als ihn die Baumnymphen beerdigen wollen, ist kein Leichnam mehr da: "Da war nirgends der Leib. Für den Leib aber ist sichtbar ein Blümlein, safrangelb, um die Mitte besetzt mit schneeigen Blättern." Das kann nur die Narzisse gewesen sein. Ihr Name hat wohl mit griechisch narkein = betäuben, berauschen, benebeln zu tun, der Wurzel unseres Fremdworts Narkose. Manche Narzissen-Arten haben in der Tat einen sehr intensiven Duft.

Nazissen gibt es auch. So nennt man abwertend glühende Anhängerinnen des Nationalsozialismus. Die waren auf ihre Art auch benebelt.