Kammerorchester
Konzert: Pianistin Hélène Grimaud in Friedrichshafen
Kultur / Lesedauer: 3 min

Die Pianistin Hélène Grimaud war mit dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zu Gast im Friedrichshafener Graf-Zeppelin-Haus. Unter Leitung von Radoslaw Szulc stand Beethovens viertes Klavierkonzert im Mittelpunkt des Programms. Während sich manche Virtuosen im Wechselbad der Gefühle dieses Glanzstücks der Klavierliteratur verlieren, bleibt die in den USA lebende französische Pianistin ganz bei der Sache.
Virtuos, aber nicht kapriziös
Ohne sichtbare Allüren, in Blickkontakt mit den im Stehen spielenden Musikern, nimmt sie Beethovens Stück „beim Wort“, zelebriert nichts und lässt sich nicht zu effektvollen Eskapaden hinreißen. Dabei agiert Grimaud keineswegs kühl, sondern entwickelt einen atemberaubenden Spannungsbogen. Das Kammerorchester braucht keinen Dirigenten mit Taktstock. Szulc steht mit der Geige hinter Grimaud, aber die beiden scheinen ständig im Dialog. Eine Konstellation, die offenbar alle inspiriert und reibungslos funktioniert.
Mit Beethoven versteht sich Grimaud. Wie sie die Kadenz im ersten Satz (Allegro moderato) angeht, zeugt von tiefem Einfühlungsvermögen. Die schier nicht enden wollenden Trillerfiguren, die expressiven Akkorde und chromatischen Läufe führen bei ihr kein Eigenleben, sondern gehen ganz selbstverständlich über in den lyrischen Teil des Hauptthemas. Große Kunst, die im Andante con moto und dem Rondo ein frisches, kontrastreiches und spannungsgeladenes Stück Klassik lebendig werden lässt.
Als Einstieg lassen die überwiegend jungen Musiker das Adagio für Streichorchester op. 11 von Samuel Barber (1910-1981) erklingen. Kammermusik mit sinfonischem Klang, die teils fiebrig, schrill, teils meditativ, ruhig dahinschwebt und wie eine Trauermusik verhaucht. Eine Entdeckung des Konzerts ist Valentin Silvestrov. Der 1937 in der Ukraine geborene Komponist ist mit zwei kurzen Werken für Streichorchester und Klavier nach der Pause dran: „Der Bote“ und „Zwei Dialoge mit Nachwort“. Der Hauch aus einer Windmaschine gibt den zuweilen an Mozart, zuweilen an Romantiker erinnernden Melodien richtig Drive. Fast alpenländisch klingen die beiden „Dialoge“, bis Hélène Grimaud in die Saiten des geöffneten Steinways greift und dem Instrument ein Donnergrollen entlockt.
Witziger Haydn
Als „Rausschmeißer“ wählte der Dirigent Joseph Haydns Sinfonie Nr. 60, auch unter dem Namen „Il distratto – Der Zerstreute“ bekannt. Die zahlreich eingestreuten Überraschungen in den sechs Sätzen kündigt der Konzertmeister eingangs extra an. Man könnte sie ja versäumen oder falsch deuten, wenn etwa ein Geiger das Weite sucht oder das Orchester mitten im Finale nachstimmen muss. Den Münchenern macht das Stück mit Anleihen an die damalige Militärmusik Spaß. Hörner, die schmettern, Trompeten, die zum Sturm blasen, lassen die Streicher kalt, und was das Fagott vom Aufbruch ins Feld hält, sagt es in einem tiefen Furz. Ein solches Kontrastprogramm hat man an einem Abend selten erlebt.