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Scheuklappen braucht kein Mensch

Kultur / Lesedauer: 3 min

Die Beatsteaks erfinden sich auf ihrem siebten Album neu und überzeugen dabei
Veröffentlicht:29.07.2014, 17:26

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Stillstand ist nicht ihr Ding: Die Beatsteaks waren noch nie eine Band, die auf der Stelle tritt. Die Berliner, die mit dem Prädikat „Punkrock“ nur ungenügend charakterisiert sind, schlagen auf ihrem siebten Album neue Töne an. Seit der Nummer-Eins-Platte „Boombox“, dem letzten Studioalbum der Band, sind drei Jahre ins Land gegangen. Und während der Vorgänger beim Ausloten des Terrains jenseits des Rocks noch etwas ziellos und bemüht wirkte, gelingt dem Quintett diesmal der Spagat zwischen schmissigen Gitarren und genrefremden Einsprengseln souverän und überzeugend. Das schlicht „Beatsteaks“ betitelte Album wildert im 80er-Jahre-Pop und zeigt, dass sich die Kreuzberger noch weniger als früher stilistische Fesseln anlegen lassen.

„Good Morning“ begrüßt Sänger Arnim Teutoburg-Weiß den Hörer auf dem Album, dann gibt’s mit „AReal Paradise“ eine Nummer, die ihren hübschen Titel mit dissonant-skeptischen Gitarrenklängen konterkariert. Das schnelle „DNA“ lässt noch am ehesten die „früheren“ Beatsteaks durchblitzen. Die neuen Stücke zeigen viel Mut zum Experiment. „Make A Wish“ zum Beispiel: Erst geht es hier recht entspannt zu, die Nummer groovt vor sich hin, die Gitarren wirken durch den Hall weiträumig. Erst gegen Ende nimmt der Song Fahrt auf und steigert sich zur Hymne. Im nächsten Moment ist man sich nicht sicher, ob man da Beatsteaks hört: „Everything Went Black“ klingt eher nach Soul und zeigt die musikalische Offenheit der Band. Wenn die Beatsteaks je Punk waren, dann im Geiste Joe Strummers, der mit seiner Punkrock-Band The Clash ja auch den Schulterschluss mit Musikstilen von Reggae bis Folk geübt hat.

Mit „Up On The Roof“ erinnern die Beatsteaks an ihren eigenen Indierock-Hit „Hail To The Freaks“ vom grandiosen „Limbo Messiah“ (2007). Der Song klingt, als ob die Queens of the Stone Age mit den Editors gemeinsame Sache gemacht hätten. Kopfstimme und Wüstenrock-Grooves duellieren sich schön mit jubilierenden Obertönen. „Pass The Message“ zeigt dann wieder eine andere Seite der Beatsteaks und verwandelt sich vom relaxten Stampfer zur Hymne mit Queen-Anmutung. Während „Gentleman Of The Year“ ebenfalls den Willen zur Erneuerung beweist, demonstrieren die Beatsteaks mit „Wicked Witch“, dass sie auch das enthemmte Rocken noch draufhaben.

Auffällig ist vor allem, wie die Beatsteaks versucht haben, ihre berüchtigte Bühnenwucht auf Platte zu bannen. Das ist der Band, die nächstes Jahr 20-Jähriges feiert, gelungen: Das Album wirkt, als ob nicht jedes Bandmitglied seinen Part einzeln aufgenommen hat, sondern wie live mitgeschnitten. Die Neudefinition des Sounds fällt nicht ganz so krass aus wie damals bei „Limbo Messiah“, dafür kann das neue Album diesem Referenzwerk in vielen Punkten das Wasser reichen.

Durchhalten auf hohem Niveau

Und während andere Bands ihr Pulver schon in den ersten Songs verschießen, halten die Beatsteaks durch und bringen den Pott mit dem abschließenden „I Never Was“ nach Hause. „Good Night“ wünscht uns Arnim am Ende. An Schlaf ist nach diesem Album mit Knall- und Aha-Effekt allerdings nicht zu denken. Aber um im Nacht-Vokabular zu bleiben: traumhafte Platte.

Live: Die Beatsteaks treten bei Rock’n’Heim am Hockenheimring auf. Für das Festival vom 15. bis 17. August haben sich unter anderem The Prodigy, die Fantastischen Vier, Skrillex, Billy Talent, Korn, Deichkind, Fritz Kalkbrenner, Broilers, Donots, Airbourne, Outkast und Placebo angekündigt. Infos und Tickets gibt es unter www.rock-n-heim.com . Weitere Termine: 9.11. CH-Zürich, Volkshaus; 13.12. Stuttgart, Schleyerhalle; 14.12. München, Zenith.