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Doppelüberschreitung

Kammerlander: „Ich habe ein paar Mal Glück gehabt“

Berlin / Lesedauer: 5 min

Hans Kammerlander ist als Bergsteiger eine Legende – Der Kinofilm „Manaslu“ über eine Nepal-Expedition zeigt die größte Tragödie des Südtirolers
Veröffentlicht:28.12.2018, 14:55

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  • Schwäbische.de
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Er hat den Mount Everest am schnellsten bestiegen und gemeinsam mit Reinhold Messner die erste Doppelüberschreitung an Achttausendern gewagt: Hans Kammerlander. Die Filmdokumentation „Manaslu“, die ab 3. Januar in deutschen Kinos zu sehen ist, setzt dem Südtiroler ein Denkmal. Dabei beschränkt sich Regisseur Gerald Salmina („Streif – One Hell of a Ride“) nicht nur auf die Erfolge des Extrembergsteigers, er lässt auch kritische Stimmen zu. Im Mittelpunkt steht die Expedition zum nepalesischen „Berg der Seele“ im Jahr 1991, bei der zwei Freunde Kammerlanders im Sturm zu Tode kamen. André Wesche hat mit dem 62-Jährigen über das Bergsteigen im Film und im echten Leben gesprochen.

Herr Kammerlander, was ist anstrengender: Ein normaler Tag am Berg oder ein Tag Pressearbeit?

(lacht) Ja, da ist das Erste natürlich leichter. Am Berg. Aber ich mag auch das andere gern. Wenn im mal unten im Tal bin und mit einem solchen Film Bergfreunden eine Freude machen kann, macht mir das schon Spaß. Wenn ich im Auto sitzen und längere Distanzen machen muss, dann sehe ich diese Stunden auf der Autobahn schon als verlorene Zeit. Aber wenn ich dann wieder diese Stunden mit Bergfreunden verbringen und mit ihnen sprechen darf, ist das schön.

Erkennen Sie sich in allen Spielszenen des Filmes weitgehend wieder, vom kleinen Hans bis zum Erwachsenen?

Ja. Vom Kleinen schon. Die Jugendzeit war der schönste Teil der Dreharbeiten. Wenn ich dabei war, ist wirklich die Erinnerung zurückgekommen. Diese Jahre sind ganz gut wiedergegeben. Was die Geschichte auf den hohen Bergen betrifft, so sollen die Bilder einfach helfen, dass auch der Laie versteht, wie es dort oben abgeht. Die Szenen von der Manaslu-Tragödie sind schon hart. Ich habe gesagt, dass sie da richtig loslegen können. Noch schlimmer als es damals war, als sich da oben in dem brutalen Sturm das Gewitter entladen hat, kann man es auf der Leinwand gar nicht zeigen.

War es schmerzvoll für Sie, die gespielten Szenen der Tragödie zum ersten Mal anzuschauen?

Es ging. Ich habe mir schon während des Drehs Ausschnitte angeschaut. Und die Zeit heilt tatsächlich Wunden. Bitter war es zum Teil trotzdem. Die Erinnerung geht wieder tiefer und ab und zu ist da schon ein Schmerz, der plötzlich wieder aufflammt.

Der Film setzt sich auch durchaus kritisch mit Ihrer Person auseinander. Hat Sie dies Überwindung gekostet oder war Ihre Einstellung: Ganz oder gar nicht?

Das war für mich klar, als Gerald Salmina mit der Filmidee auf mich zu kam. Das hat mich natürlich gefreut, es ist etwas Bleibendes. Aber wenn wir so ein Projekt angehen, muss natürlich auch viel Platz für meine Fehler und meine Rückschläge sein. Das muss man freigeben. Wenn man nur Erfolge runterleiert, dann ist ein solches Produkt überhaupt nicht glaubwürdig. Trotzdem machen es die meisten so. Ich wollte völlig offen sein. Man sieht nicht weiß Gott was für Helden. Ich habe auch viele Fehler gemacht. Ich habe ein paar Mal Glück gehabt. Und ich habe wunderbare Augenblicke erleben dürfen, Momente des Glücks. Der Preis, den ich dafür bezahlt habe, war teilweise sehr hoch.

Hat sich die Quelle Ihres Antriebs im Laufe der Jahre verändert?

Ja, schon. Das macht auch das Alter. Ich war 50, als ich meine Tochter in den Armen gehalten habe. Da war mir klar, dass ich jetzt Verantwortung trage. Und auch die Kräfte sind nicht mehr da, um am Limit mitzuhalten. Ich habe angefangen, alles wieder mehr zu genießen. Inzwischen sind meine Reisen viel runder geworden. Wenn ich aufbreche, dann ist der Berg nur ein Teil. Ich erlebe die fremden Kulturen und das ganze Drumherum des Berges viel intensiver. Vorher hätte ich nicht geglaubt, wie schön das ist.

War für den jungen Hans auch der Ruhm eine Triebfeder?

Ja, natürlich. Für mich als Kind waren diese Bergsteiger komplette Helden. Es hat mich immer fasziniert, was die da oben geleistet haben. Ich bin dann nach und nach mit kleinen Erlebnissen da hineingewachsen. An der Seite vom Messner bin ich in das ganze Treiben hineingeraten, in diesen Wettlauf, den ich lange durchgemacht habe. Wenn du dich entscheidest und die Herausforderung des Wettlaufs annimmst, musst du schon sehr konsequent nach vorne gehen. In der Vorbereitung sowieso. Aber du musst immer auch ein hohes Rest-risiko in Kauf nehmen. Sonst spielst du sofort in der dritten oder vierten Liga.

Im Film klingt auch an, wie sehr die globale Erwärmung die Gletscher des Manaslu in 26 Jahren verändert hat. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie diese weltweiten Entwicklungen?

Ich sehe es gerade an diesen Bergen, auf denen ich schon vor zwanzig Jahren war und zu denen ich wieder zurückkehre. Das ist schon besorgniserregend. Aber trotz allem: Wenn ich zuhause vom Tauferer Ahrntal zur Rieserfernerhütte aufsteige, treffe ich dort oberhalb der Waldgrenze auf ganz viele, dicke Baumstümpfe. Das bedeutet, dass vor knapp tausend Jahren die Waldgrenze viel höher war. Also war das Klima wärmer. Diese Schwankungen hat es wahrscheinlich immer gegeben, aber vor vielen Jahren hat man nicht so darauf geachtet. Heute wird das alles gemessen und die Leute kriegen das präsentiert. Die Informationen gehen viel tiefer raus. Wenn mal irgendwo ein Stück Fels herunterfällt, steht das am nächsten Tag ganz massiv in den Medien, so als ob fast die Welt untergehen würde. Wenn früher mal etwas runtergekommen ist, hat man gesagt: „Du, heut’ Nacht, da hat’s richtig gekracht. Da ist’n Stück Fels runter!“ Und dann war das Thema vom Tisch. Aber natürlich ist mir die Natur sehr wichtig. Und wir müssen wirklich aufpassen, soweit es in unserer Macht steht. Die Natur gehört uns bekanntlich nicht, sie wurde uns nur geliehen.