Kultur

Douglas Wolfsperger dreht Film über Baumbesetzer im Altdorfer Wald

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Douglas Wolfsperger („Die Blutritter“) dreht in Oberschwaben zwei neue Dokus. Die Themen könnten kaum kontroverser sein. Es geht um die Baumbesetzer im Altdorfer Wald sowie um Transsexualität in der Provinz.
Veröffentlicht:05.06.2023, 09:31

Von:
  • Dirk Grupe
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Den Kontakt zu Oberschwaben und dem Bodensee hat Douglas Wolfsperger nie verloren, auch wenn er längst in Berlin lebt. Privat und beruflich zieht es den Filmemacher („Wiedersehen mit Brundibar“, „Scala Adieu — Von Windeln verweht“) immer wieder in die Region, in der er einst aufwuchs. In Oberschwaben ist vor allem „Die Blutritter“ in Erinnerung geblieben, über den Blutfreitag in Weingarten, der Film wurde inzwischen über eine Bundesförderung digitalisiert, weil er als kulturelles Erbe gilt. In dieser Woche beginnt der 65–Jährige mit den Dreharbeiten zu gleich zwei neuen Filmen, es geht um die Baumbesetzer im Altdorfer Wald, rund um den Klimaschützer Samuel Bosch sowie in „Sie, Er, Ich“ um transsexuelle Menschen, die in der Region leben. Im Interview erklärt Wolfsperger, was ihn an den Stoffen fasziniert, wieso er sie ausgerechnet in Oberschwaben verortet und wie er die Teilnahme von Frauen beim Blutritt einordnet.

Herr Wolfsperger, bei den Filmtagen Oberschwaben vergangenes Jahr wurde unter Applaus und in Anwesenheit einiger Protagonisten „Die Blutritter“ gezeigt, der Film bewegt noch immer. Wie wirkt er bei Ihnen nach, fast 20 Jahre später?

Geblieben ist natürlich der persönliche Bezug. Im Alter von zehn Jahren bin ich in Weingarten in die Klosterschule gegangen, da war der Blutfreitag der größte Feiertag im Jahr, an dem es immer das größte Schnitzel zu futtern gab. 2014 bin ich dann endlich auch selbst mitgeritten, das war eine tolle Erfahrung. Und die Protagonisten von damals liegen mir am Herzen. Da sind Freundschaften entstanden, auch wenn wir nicht immer die Weltanschauungen miteinander teilen, aber das muss ja auch nicht sein.

Um Weltanschauungen geht es noch heute beim Blutfreitag, zum zweiten Mal in Folge sind jetzt Frauen mitgeritten, das wirkte schon fast wie selbstverständlich …

… nur nach außen hin, die Vorbehalte sind noch immer groß. Die Alteingesessenen, tief in den Blutreitergruppen, verkraften nur schwer, dass jetzt auch Frauen mitreiten. Die sagen, wir wollen uns ja auch nicht an den Strickgruppen der Weiber beteiligen.

Einen persönlichen Bezug haben Sie auch zum Altdorfer Wald, lag Ihnen das Thema deshalb nahe für einen Film?

Der Wald ist mir von Jugend an vertraut, für mich ist er das absolute Biotop Oberschwabens. Vergangenen Sommer bin ich aber eher zufällig dorthin geraten und auf die Baumbesetzergruppe um Samuel Bosch gestoßen. Es hat mich beeindruckt, was er dort aufgebaut hat und wie er es leitet, dazu kommt das Umfeld mit seiner Mutter, die ihn großartig unterstützt. Diese Leute haben eine Lebensfreude und versprühen eine Dringlichkeit, dass etwas getan werden muss. Deshalb möchte ich einen Film machen, der über die regionalen Belange hinaus geht, mit einem universellen Ansatz. Ich will das Große im Kleinen erzählen.

Wie soll das funktionieren?

Über Klimaschutz macht sich heute jeder Gedanken. Diese Jugendlichen jedoch werden kriminalisiert und Terroristen genannt. Das spüre ich bei Samuel und seinen Leuten aber gar nicht, die haben nur erkannt, dass sich etwas ändern muss. Das fasziniert mich. Eine Rolle spielt auch die Regionalpolitik, die nicht richtig einsteigt, das zeigt schon der Regionalplan. Das Thema ist also sehr vielschichtig.

Und wird sehr kontrovers ausgefochten, schon die Waldschützer sind sich untereinander nicht grün, oder?

Alle wollen den Wald schützen, aber auf unterschiedliche Art, Windkraftgegner und Waldverein verfolgen einen ganz anderen Weg als die Baumbesetzer. Diese Brüche und Widersprüche finde ich interessant und will mir von allen Ansichten eine Meinung bilden. Da habe auch ich als Filmemacher viele Fragen. Es geht ja nicht darum, einen Imagefilm zu drehen.

Das Große im Kleinen sehen, trifft das auch auf Ihren zweiten Film zu, den Sie in der Region drehen?

Das ist genau dasselbe, ich mache ja Gesellschaftsporträts.

In diesem Fall über Transsexuelle?

Ja, mein Interesse dafür begann schon 2015 mit dem Kulturkampf, als es darum ging, was unsere Kinder in den Schulen erfahren dürfen und was nicht. Damals habe ich Lisa Metzger aus Rot an der Rot kennengelernt, die zweigeschlechtlich aufgewachsen ist, ihre Geschichte war sehr berührend. Nun möchte ich meinen Beitrag leisten, zum Abbau von Vorurteilen. In der Regel geht es ja um Außenseiter, die nicht in das Raster der Mehrheitsgesellschaft passen, die Schwierigkeiten haben, respektiert und akzeptiert zu werden. Das interessiert meine Kamera, diese Menschen zu zeigen, damit man Verständnis für sie bekommt. Das ist tiefgründig, soll aber auf meine Art auch mit Leichtigkeit und Humor erzählt werden. Dafür habe ich in der Region wunderbare Menschen gefunden.

Das Thematisieren von Geschlechtern und Geschlechterrollen hat eine erstaunliche Aufmerksamkeit bekommen …

…genau, auch hinsichtlich des geplanten Selbstbestimmungsrechts. Wenn das Gesetz wirklich spruchreif ist, wird das nochmal richtig Fahrt aufnehmen. Da werden sich die Fronten weiter verhärten.

Aber wäre Ihr Wohnort Berlin dann nicht passend für den Film?

Berlin interessiert mich gar nicht für das Thema, weil es mir auch hier wieder um einen Mikrokosmos geht. Bei den Blutrittern habe ich es geschätzt, mir einen Ort oder eine Region zu nehmen und die dann umzugraben. Durch meine Vergangenheit, dadurch, dass ich Oberschwaben und den Bodensee kenne, habe ich einen ganz anderen Zugang zu den Menschen, als jemand, der von außen kommt. Da läuft viel über gegenseitiges Vertrauen. Ich will ja nicht nur deren Geschichte erzählen, sondern sie auch visualisieren und spürbar machen, das ist eine ziemliche Herausforderung.

Die im Ergebnis manchen auch vor den Kopf stößt?

Unbedingt, die Filme sollen auch polarisieren. Sonst habe ich was falsch gemacht.


Der Dokumentarfilm „Sie, Er, Ich“ wird mit insgesamt 150 000 Euro gefördert, das Projekt ist damit aber noch nicht endgültig finanziert. Weitere Informationen unter