Architekturbüro
Der Sieger ist Ravensburg
Frankfurt / Lesedauer: 4 min

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And the winner is: Ravensburg. Und: Das Architekturbüro Lederer, Ragnardottir, Oei. Das neue Kunstmuseum in Ravensburg hat den Preis des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt erhalten.
Die Jury zeigt bei ihren Entscheidungen in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk für die städtebaulichen Positionen der prämierten Projekte: Platz 2 (Büro: Agirbas, Wienstroer in Neuss) geht an eine Fußgänger-Brücke in Leverkusen, die den Weg zum „Wupper-Wandel“ befördert: Es geht um die Renaturierung des Flusslaufs zum Naherholungsgebiet, das mit der Brücke an den angrenzenden Stadtteil angebunden wird. Auf Platz 3 liegt ein Hochhaus in Berlin nördlich des neuen Hauptbahnhofs (Büro Barkow, Leibinger in Berlin). Die Deutschlandzentrale des Mineralölunternehmens Total ist das erste Quartier in der üppigen Brachlandschaft der Berliner Mitte.
Aus dieser Perspektive der Stadtentwicklung erfolgt auch die beispielhafte Bewertung des Ravensburger Kunstmuseums. Dessen äußere Gestalt wird als gelungene Verschränkung von widerstreitenden Prinzipien gewertet: von Eigenständigkeit und Anpassung an die Umgebung. DAM-Direktor Peter Cachola Schmal hat dafür die Formel gefunden, dass hier eine Gestaltung des innerstädtischen Raums gefunden wurde, die nie so war, aber „hätte schon lange so sein können“.
Auch Ulmer Synagoge und Hochschule Aalen gewürdigt
Wie schon in den vergangenen Jahren gehen viele Auszeichnungen in den Süden, darunter ist auch die Synagoge auf dem Ulmer Weinhof (Büro Kister, Schreithauer, Gross in Köln). Hier wird ebenfalls die markante Eigenständigkeit gegenüber dem historischen Ensemble am Schwörhaus hervorgehoben.
Ein Lob für die Einfachheit bekommt die Hochschule Aalen (MGF Architekten, Stuttgart). Ihre neuen Bauten für Augenoptik und Hörakustik „sind dem Pragmatismus verpflichtet“. Eine Sonnenschutz-Fassade mit Lamellen aus Lärchenholz ist dem Stahlbetonbau vorgeblendet und vermittelt einerseits einen geschlossenen Eindruck der Gebäude. Andererseits bietet sie Abwechslung, je nachdem, wie weit die Lamellen in den einzelnen Räumen geöffnet werden. Vor allem die große Aufmerksamkeit für die Ausführung im Detail wird hier hervorgehoben.
Das Architekturmuseum zeigt die Preisträger in einer Ausstellung, die bis 11. Mai zu sehen ist. Gleichzeitig gibt es eine weitere Ausstellung zu einem internationalen Architekturpreis, dem renommierten Mies van der Rohe-Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur. Es werden die aktuellen Preisträger präsentiert und ein Rückblick auf die 25-jährige Geschichte des Preises, der vor allem in Spanien hohe Aufmerksamkeit besitzt. Das erklärt auch die vielen Beiträge aus diesem Land.
Manche Bauwerke wirken absurd angesichts der Finanzen
Die diesjährigen Auszeichnungen können nicht verbergen, dass sie zu Zeiten eines Baubooms konzipiert wurden. Sie setzen markante städtebauliche Akzente. Manche erscheinen aber geradezu absurd, wenn man die Kassenlage der öffentlichen Haushalte in Beziehung setzt.
Der Gewinner des Jahres, das Konzerthaus Harpa in Reykjavik, vereinigt viele dieser Merkmale in sich. Das Gebäude wurde vom Büro des 2013 verstorbenen Architekten Henning Larsen aus Kopenhagen entwickelt, das auch in Schwäbisch Hall die Kunsthalle Würth und die Erweiterung der Landesbibliothek in Stuttgart gebaut hat. Mit der Oper in Kopenhagen hat das Büro Larsen bereits ein ähnliches Projekt umgesetzt, auch in einer ähnlichen Hafen-lage, wenngleich hier die Umgebung erheblich urbaner ausfällt. Die spektakuläre Fassade in Reykjavik wurde von Olafur Eliasson entwickelt. Eliasson verwendet Glaselemente, die er wie Ziegel setzt, und die je nach dem Stand des Tageslichts unterschiedliche Farbeffekte hervorrufen.
Architektonisch ist das Konzerthaus außen wie innen faszinierend. Es ist das neue Domizil des Iceland Symphony Orchestra. Das findet einen Saal von der Güte des Luzerner Kultur- und Kongresszentrums vor, der eine an unterschiedliche Aufgaben anpassungsfähige Akustik bietet. Andererseits sind 1800 Plätze zu füllen – der große Saal des Wiener Musikvereins hat 1750 Sitzplätze. Zum Vergleich: Reykjavik hat 120000 Einwohner, mit dem Umland sind es maximal 200000. In Wien hingegen wohnen 1,7 Millionen Menschen. Und wie die meisten Sinfonieorchester kann auch das in Island nur 60 Konzerte pro Saison geben, auch wenn es sich mit seinem Repertoire öffnet und den Kontakt zu Heavy Metal nicht scheut.
In seiner Bauzeit ist das Projekt in die Krise gelaufen. Das anfängliche Investorenmodell kollabierte bereits in der Rohbauphase, die Öffentlichkeit übernimmt nun auf 35 Jahre den Schuldendienst. Architektur ist diejenige unter den Künsten, die am unmittelbarsten in die Gesellschaft hineinwirkt. Deshalb zieht sie so stark Zustimmung und Abneigung der Öffentlichkeit auf sich. Die Auswirkungen verlaufen aber auch in die andere Richtung. Die Regierung Islands ist aufs Sparen verfallen. Woran wohl? An der Kultur.
Ausstellungen im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt : DAM-Preis für Architektur in Deutschland 2013, bis 11. Mai. Katalog bei Prestel.
Mies van der Rohe-Preis bis 20.April. Öffnungszeiten: täglich außer montags 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr.