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Baugeschichte

Oberschwäbische Baugeschichte und wie sie sich verändert

Bad Saulgau / Lesedauer: 3 min

Tagung in Bad Saulgau beschäftigt sich mit der Baugeschichte in Oberschwaben
Veröffentlicht:26.02.2018, 18:46

Von:
  • Schwäbische.de
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„Typisch oberschwäbisch? Regionales Bauen im Wandel“: Mit diesem Thema haben sich die 6. Bad Saulgauer Gespräche zu Kunst und Kultur beschäftigt.

Zunächst erfuhren die 200 Besucher der Veranstaltung der Stadt in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Oberschwaben und der Architektenkammer Baden-Württemberg etwas über die Vorgeschichte des Bauens in der Region. Mit dem Historismus im Landkreis Sigmaringen beschäftigte sich Kreiskulturamtsleiter Edwin E. Weber anhand von öffentlichen Bauten wie Ämtern, Rathäusern, Schulen und Bahnhöfen sowie Sakralbauten. Allesamt Beispiele mit der „für Oberschwaben typischen Verspätung“ für einen eklektizistischen Baustil, der eigentlich mit der Entwicklung des Jugendstils ab 1890 zumindest in den Städten und Metropolen zu Ende ging. Interessant vor allem die im Verhältnis zum Ort oft völlig überproportionierten Kirchenbauten im neogotischen oder neoromanischen Stil.

Nach diesem Blick auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nahm Dr. Uwe Degreif vom Museum Biberach die Architektur des Dritten Reichs in den Fokus. Da die Nazis den Historismus wegen seiner Bürgerlichkeit ablehnten, bedienten sie sich der 1904 formulierten Formensprache des „Heimatschutzbundes“ wie der Walm- und Satteldächer oder der Geschossmarkierung durch Fensterreihen. Wesentliche Prägung erfuhr die Region in der Nazizeit gerade nicht durch einen Regionalstil, sondern durch den vereinheitlichten Siedlungsbau ab 1933. Dieser wurde in kleinen Städten wie Saulgau und in größeren wie Biberach und Friedrichshafen angewandt. Es gab drei Typen von Ein- bis Zweifamilienhäusern auf zunächst 1000 Quadratmetern, später dann 650 Quadratmetern Grundstücksfläche.

„Heimatschutz“ war auch das Stichwort für den Vortrag über den Architekten Paul Schmitthenner , mit dem sich der Architekturhistoriker Dr. Wolfgang Voigt vom Architekturmuseum Frankfurt/Main beschäftigte. Der aus dem Elsass stammende Schmitthenner war ab 1925 mit größeren Projekten am Stuttgarter Schloss und am Karlsplatz beauftragt worden, auch baute er 1935 die Fassade des neogotisch veränderten Rathauses in Hechingen zurück. Sein Wirken sei „regional aufgefasst“ worden, so der Referent, aber die Inspirationen lagen wohl eher in Niedersachsen und in Frankreich.

Villa für Aldi-Filiale abgerissen

Und wie sieht es heute aus mit der oberschwäbischen Architektur? Darauf versuchte Jörg Widmaier vom Landesamt für Denkmalpflege eine Antwort zu finden. Immerhin hatte es bereits 1845 ein Interesse Württembergs für das landwirtschaftliche Bauen gegeben und damit eine Art Gegenwehr zum urbanen Bauen ab 1907. Jedoch erst 1972 wurde der Denkmalbegriff erweitert auf die ländliche Region – zu spät leider, denn gerade in diesen Jahren wurden die meisten Bausünden begangen, wie man nicht nur am Abriss einer historistischen Villa für den Bau einer Aldi-Filiale in Pfullendorf sehen konnte. Widmaiers mit Applaus bedachtes Plädoyer für eine „einfühlsame Planung im Bestand“ schloss sich Carmen Mundorff von der Architektenkammer Baden-Württemberg an, indem sie einige Beispiele von Neubauten, die in den letzten Jahren für „Beispielhaftes Bauen“ ausgezeichnet wurden, vorstellte und Beratung für Gemeinden und Architekten vonseiten der Kammer anbot.