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Blick ins Labor der Künste in Bregenz

Bregenz / Lesedauer: 4 min

In Bregenz kooperieren die Festspiele und das Kunsthaus bei der Entstehung einer Auftragsoper. Jetzt hat der beteiligte Künstler Hugo Canoilas Einblicke in seine Arbeitsweise gegeben.
Veröffentlicht:25.01.2023, 05:00

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Zum zweiten Mal durfte ein interessiertes Publikum teilnehmen am Entstehungsprozess eines Opernprojekts, das als Koproduktion der Festspiele und des Kunsthauses im Sommer 2024 auf die Bregenzer Werkstattbühne kommen soll. Eine erste „Einblick“-Veranstaltung hat das „Opernatelier“ der beiden Institutionen bereits im vergangenen August angeboten. Im Kunsthaus Bregenz (KUB) stellten Mitglieder des Vorarlberger Symphonieorchesters die an diesem Projekt beteiligte Komponistin Éna Brennan musikalisch vor. Jetzt präsentierte der Künstler Hugo Canoilas im Festspielhaus seine Arbeit. Am ergänzenden Werkstattgespräch nahm neben ihm und Brennan auch der frühere Festspielintendant David Pountney teil, der die Texte zur neuen Oper beisteuert.

Der Abend entpuppte sich als Teil einer cleveren Marketingstrategie, die langfristig immer wieder die Aufmerksamkeit auf das „work in progress“ lenkt. Wenn dabei von einem geheimnisvollen Oktopus die Rede ist, der hier eine bestimmte Rolle spielen könnte, weckt das natürlich Neugier. Bis zur Uraufführung sollen denn auch weitere „Einblicke“ in der Art öffentlicher Pressekonferenzen das allgemeine Interesse mehren.

Eine bewegliche Leinwand

Zu Beginn wurden fortlaufende Teilansichten eines riesigen Gemäldes von Hugo Canoilas gezeigt. Das Publikum saß auf der Drehbühne des Festspielhauses vor einer beweglichen Leinwand, die wie ein Film vorbeizog. Langsam wurde ein langes Band von einer großen senkrechten Rolle rechts abgespult und links auf eine zweite Rolle wieder aufgewickelt. Dazu erklang aus Lautsprecherboxen ein meditativ ruhiger, durch Canoilas’ Gemälde inspirierter Soundtrack von Éna Brennan.

Der gebürtige Lissaboner Canoilas, der in Wien und New York lebt, hat dieses Gemälde im Sommer 2022 im portugiesischen Coimbra als selbstständiges Kunstwerk ausgestellt. Gleichwohl ist es beeinflusst von der damals bereits begonnenen Zusammenarbeit am Bregenzer Opernprojekt. Im Museum von Coimbra schlängelte sich das fast 100 Meter lange Tableau durch Kellerverliese, in denen einst Gefangene von der Inquisition gefoltert worden sind. Canoilas wollte die Räume mit seiner abstrakten, an Wandzeichnungen gemahnenden Bilderwelt neu „choreografieren“ und so ihre „schlechte Energie“ vertreiben, wie er im anschließenden Gespräch erläuterte. Wer das ganze Gemälde bei jener Ausstellung erleben wollte, musste es sich buchstäblich erwandern. Beim Betrachten hatte man immer nur Details vor Augen.

Viel Raum für Fantasie

In Bregenz blieb dem Publikum diese „Arbeit“ erspart. Bequem sitzend konnte man der scheinbar endlosen Folge von Gestalten und Formen folgen, die in Schwarz-Weiß-Manier auf sepiabraunem Hintergrund mal an uralte Stiche oder vergilbte Landkarten, mal an japanische Landschaftszeichnungen erinnern. Einzelne Ausschnitte scheinen Makro- oder Mikrostrukturen zu zeigen. Nichts will sich gegenständlich festlegen, alles kann vielfach gedeutet werden. Permanent wird die Fantasie beim Scannen sichtbarer Figuren beschäftigt. Moosbewachsene Strandausschnitte, pockenartig übersäte Uferflächen, fischförmige Mulden, merkwürdige Felsformationen oder Korallenriffe, bedrohlich klaffende Höhleneingänge, porige Tuffsteinmonster, vergrößerte Hautstrukturen von Urweltwesen – die Assoziationen nehmen kein Ende. Und überall meint man jenen ominösen Oktopus zu entdecken. Sind das Tentakelteile mit Saugnäpfen, dort grässliche Maulöffnungen? Auch schwarze Farbspritzer, die wie Krater oder Schluchten in filigranem Kontext klaffen, lassen unwillkürlich an Tintenfische denken.

Soundtrack unterstreicht das Optische

Brennans Soundtrack unterstützt mit elektronisch verfremdeten, ruhig dahinfließenden Klängen effektvoll die sukzessive Präsentation von Canoilas’ Gemälde. Lange Liegetöne, gelegentliches Urlautdröhnen oder Unterwassergeräusche bedienen aber über weite Strecken Klischees einer gefälligen, als Hörbuch- oder Filmhintergrund geeigneten Sphärenmusik. Das ist handwerklich gut gemacht, „verdoppelt“ aber eher die optische Komponente, als ihr einen klanglichen Kontrapunkt entgegenzusetzen. Auch ein genuin theatralisches Element, von dem Oper seit jeher lebt, ließ die Arbeitsprobe vermissen, doch das mag sich im weiteren Schaffensprozess ja noch ergeben. Vom Libretto waren lediglich einige Wortfetzen zu vernehmen. Gesprochene oder in verschiedenen Tonhöhen rezitierte Textschnipsel („I need safe space“, „Don’t drink water from this well”) ließen auf ein Sujet schließen, das dystopische Naturzustände nach Umwelt- und Klimakatastrophen thematisiert. Doch diesbezüglich wollte Pountney beim Gespräch mit dem Dramaturgen Olaf A. Schmitt die Katze nicht aus dem Sack lassen.


www.bregenzerfestspiele.com