Kultur
Bis heute kommt man an Hajek kaum vorbei
Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Schwäbische.de
Im Nachhinein kann man sich schon wundern, wie es einer schaffte, mit geometrischen Formen so unglaublich populär zu werden. Bis heute kommt man an Otto Herbert Hajek (Foto von 2002: dpa) kaum vorbei. Allein in Stuttgart realisierte er mehr als 50 Skulpturen im öffentlichen Raum. Selbst wenn man ins Mineralwasser steigt, schwebt der Geist des von 19 Jahren gestorbenen Künstlers über einem: Er gestaltete das Mineralbad Leuze. Hajek war über Jahrzehnte Stuttgarts Vorzeigekünstler, saß auf Podien, engagierte sich für Künstler und war ein perfekter Netzwerker.
Als sein Sohn Urban Hajek im Frühjahr allerdings 20 Großplastiken im Stuttgarter Auktionshaus Yves Siebers versilbern wollte und auf Mindestgebote zwischen 35.000 und 250.000 Euro hoffte, war das Ergebnis niederschmetternd: Es gab kein einziges Gebot. Der Künstler, der in Stuttgart Jahrzehnte lang wie kaum einer gefeiert wurde, spielt auf dem Markt derzeit keine Rolle.
Hajek war ein Kind seiner Zeit
Im Kunstmuseum Stuttgart kann man in einer Ausstellung nun noch mal eintauchen in das Werk Hajeks, der ein typisches Kind seiner Zeit war. Am ehesten versteht man sein Schaffen im Kontext, denn die Schrecken des Nationalsozialismus führten viele Künstler fast zwangsläufig zur Abstraktion. Die Abkehr vom Gegenständlich war für sie doppelt attraktiv, zum einen, weil Deutschland mit seinem Irrglauben an eine national aufgeladene „neue deutsche Kunst“ den Anschluss an die modernen Tendenzen verloren hatte, zum anderen, weil abstrakte und gerade auch geometrische Formen unschuldig waren. Rechtecke, Quadrate und Linien lassen sich nur schwer ideologisch vereinnahmen.
„Raumknoten“, „Raumschichtungen“ oder „Stadtzeichen“ nannte Otto Herbert Hajek seine Werkgruppen, bei denen er den einzelnen Arbeiten so sperrige Titel gab wie „Bild 33 Zeichen am Wege 8“ oder „Farbwege 65/12“. Ob auf der Leinwand oder als Skulptur im Raum ‐ er griff zu geometrischen Formen. Er verteilte Quadrate und Dreiecke auf Fläche oder legte satte Hard-Edge-Felder so nebeneinander, dass räumliche Wirkung erzielt wird. Dann wieder schichtete er Holz oder fertigte riesige Ensembles aus Beton, gern in den Grundfarben Blau, Rot und Gelb.
Viele Projekte im Stadtraum verwirklicht
So nüchtern und konstruktiv seine Arbeiten anmuten mögen, wollte Hajek damit aber keineswegs nur einer reinen Ästhetik frönen. Im Gegenteil, er wollte die Welt mit seiner Kunst „humanisieren“ und die Menschen in den Austausch bringen. Die wichtigsten Arbeiten Hajeks sind im Rückblick weniger seine Skulpturen, sondern die Projekte im Stadtraum. So tauchte er 1969 den Kleinen Schlossplatz in Stuttgart in Farben. Es war ein aufregendes Erlebnis ‐ die Menschen liefen staunend über gelbe und rote Flächen wie durch einen Erlebnisraum.
Hajek, 1927 in Kaltenbach in der heutige Tschechoslowakei geboren, war ein umtriebiger und enorm produktiver Künstler, aber auch ein passionierter Netzwerker und Fürsprecher in eigener Sache. So machte er sich nach seinem Studium an der Stuttgarter Kunstakademie bald einen Namen und stellte 1959 und 1964 auf der documenta in Kassel aus. Er wurde Vorsitzender des Deutschen Künstlerbunds und 1980 schließlich Professor an der Stuttgarter Akademie.
Hickhack um den Nachlass
Bis zu seinem Tod lebte Hajek in Stuttgart. In den vergangenen Jahren tauchte sein Name zunehmend in negativen Schlagzeilen auf. Nicht nur er und seine Frau, die Schriftstellerin Katja Hajek waren zum Schluss zerstritten, auch die Kinder sind es. Der Privatmann, dem sie die Familienvilla für 2,3 Millionen Euro verkauften, ließ das bunte Hajek-Kunsthaus trotz Denkmalauflagen entkernen, seither verfällt es. Der Sohn Urban wurde vom Vater enterbt und hat den drei Schwestern die Anteile am Nachlass inzwischen abgekauft. Seine Hoffnung, das mit dem Verkauf des väterlichen Werkes finanzieren zu können, hat sich zerschlagen.
Auch in der Stuttgarter Ausstellung kann man den Eindruck bekommen, dass die Zeit über das Werk Hajeks hinweggegangen ist, weil sie eben nicht die wegweisenden interaktiven Stadtprojekte vorstellt, sondern einfach nur Werke aus dem Bestand chronologisch präsentiert. So erfährt man aber zumindest, das Hajek zunächst ein anderer war: Als jungere Mann begann er mit religiösen Motiven. Die „Betende“ oder sein „Christusträger“ im damals herrschenden Nachkriegsstil wagen zwar bereits vorsichtige Abstraktion, motivisch sind sie aber sehr pathetisch. Auch wenn Hajeks Omnipräsent in Stuttgarts Stadtraum nur noch bedingt rechtfertigt ist, machen seine frühen religiösen Skulpturen doch deutlich, wie enorm seine künstlerische Entwicklung war ‐ und wie radikal modern Hajeks gelbe, blaue oder rote Zeichen zumindest in ihrer Zeit waren.
geöffnet Di.-So. 10-17 Uhr, Fr. bis 20 Uhr. Mehr unter: