Musikstrom
Bayreuther Festspiele: „Tristan und Isolde“ und „Parsifal“ wieder aufgenommen
Kultur / Lesedauer: 4 min

Schwäbische.de
„Tristan und Isolde“, Richard Wagners großes Werk um das stete Fließen und Sehnen, geht bei den Bayreuther Festspielen ins dritte Jahr: im herrlichen Musikstrom, den Christian Thielemann im verdeckten Orchestergraben erzeugt, ist das Werk mit seinen raunenden Holzbläsersoli und selig blühenden Streicheraufschwüngen in besten Händen. Mal klingt es satt und vielschichtig, dann wieder ist es kammermusikalisch ausgedünnt. Thielemann und das Festspielorchester vereinen sich mit Hingabe zur sinnlichsten aller Opernpartituren, auch wenn Katharina Wagner mit dem Treppenlabyrinth des ersten Aufzugs, dem schwarzen Verlies mit den blanken Metallgestängen und den grellen Suchscheinwerfern im zweiten Aufzug allen Zauber aussperrt.
Die „Nacht der Liebe“, mag zwar in einem klaustrophobisch wirkenden Raum anbrechen, in dem sich die Liebenden unter einem weiten Cape zu schützen suchen und schließlich im versuchten gemeinsamen Selbstmord ihr Heil finden wollen. Zu hören aber ist der Liebestraum umso mehr, die Sängerinnen und Sänger können sich von Thielemann tragen lassen und leisten Großartiges. Zum Teil sind neue Stimmen zu erleben.
Im vergangenen Jahr hatte Petra Lang, die vorher als Brangäne oder Ortrud das tiefere Fach vertreten hatte, ihr beeindruckendes Debüt als Isolde gegeben. Auch jetzt verkörpert sie die riesige Partie mit Leuchtkraft, Intensität und Glanz bis in den Schlussgesang hinein, gibt sich im ersten Akt stark und unversöhnlich und wird doch kraft des (bei Katharina Wagner ausgegossenen) Liebestranks zur großen Liebenden und leidenschaftlichen Kämpferin. Doch hat sie in der Brangäne der Christa Mayer auch eine grandios gestaltende, mit Farben spielende Partnerin, die den warnenden Ruf „Habet Acht!“ inmitten des Liebesduetts wie eine Bronzeglocke tönen lässt. Stephen Gould ist wiederum ein imponierender Tristan mit beeindruckenden Reserven für die fieberglühenden Visionen und Aufschwünge des dritten Akts. René Pape, der wortdeutliche, intensiv gestaltende Bassist gibt den verratenen König Marke voll Würde und dunkler Kraft mit schwelender Gewalt, eine beeindruckende Sängerpersönlichkeit im nebligen Nachtdunkel der Bühne, der das Abgründige dieser Figur auf unheimliche Weise zur Geltung bringt. Stark und intensiv gestaltet auch Iain Paterson den Kurwenal.
Geschärfter „Parsifal“-Klang
Im zweiten Jahr erklingt das Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ wieder unter der kraftvollen, farbenreichen, stringenten Leitung von Hartmut Haenchen. Im vergangenen Jahr war er kurzfristig für Andris Nelsons eingesprungen, diesmal konnte er seine Erfahrungen von Anfang an in die Probenarbeit mit dem Festspielorchester einbringen: ein satter, energiereich geschärfter Klang entsteht unter seinen Händen, zügige Tempi vermeiden das weihevoll Pathetische.
Regisseur Uwe Eric Laufenberg erspart dem Publikum und seinem intensiv mitleidenden Sänger Ryan McKinny die peinlichen Blutflüsse des stigmatisierten Amfortas‘ – dafür liegt er diesmal auf der Opferschale, das Theaterblut rinnt und die Ordensbrüder der seltsamen Gralsgemeinschaft zapfen es ab, als sei es das Heilwasser in einem Kurhaus… Laufenberg wirft wieder Religionen, Mythen, Kulturen und Rituale in einen Topf, was die Geschichte um den Heilsbringer Parsifal nicht klarer macht: christliche Kapelle im Wüstengebiet, orientalischer Hamam, Dschungel, Kruzifixe mit Phallus-Symbol, Mönchskutten und Bauchtanzflitter, Soldatenmontur und Lendenschurz, Abendkleid und Strickweste sind in einem konfusen Mischmasch vereint.
Gesungen aber wird auf hohem Niveau: Andreas Schager wartet in der Titelpartie mit metallisch glänzendem, kraftvollem Heldentenor auf, sein Ausbruch im zweiten Aufzug ist imponierend, im dritten mischt er Pianofarben und Wärme hinzu. Am morgigen Sonntag wird er im Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker in Bregenz mal so eben den ersten Akt der „Walküre“ geben. Wie im vergangenen Jahr gestaltet Georg Zeppenfeld die langen Erzählungen des Gurnemanz voller Wärme und mit balsamischem Wohlklang, dazu textdeutlich wie kaum jemand auf dem Grünen Hügel. Günther Groissböck hat als luxuriös besetzter Einspringer einen starken Auftritt als Titurel, Derek Welton ist ein Klingsor mit dämonischer Bühnenpräsenz und kernigem Bariton. Zu Recht bejubelt ob ihrer leidenschaftlichen Rollengestaltung als Kundry ist die russische Mezzosopranistin Elena Pankratova. Und kein „Parsifal“ ohne den wunderbaren, von Eberhard Friedrich einstudierten Bayreuther Festspielchor!