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Prognose

Frostiger oder milder Winter in Baden-Württemberg? So lautet die Prognose

Baden-Württemberg / Lesedauer: 5 min

Wegen der hohen Heizkosten spielen die Temperaturen derzeit eine große Rolle. Ein milder Winter würde Sparern entgegenkommen. Doch lässt sich eine ganze Jahreszeit überhaupt zuverlässig vorhersagen?
Veröffentlicht:28.11.2022, 10:04

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Das Netz ist voll von ihnen: Während einige Online-Portale seit Wochen die Kältewelle heranrollen sehen, heißt es in anderen Berichten, Deutschland stünde ein viel zu warmer und milder Winter bevor. Und betrachtet man den bisherigen Jahresverlauf von 2022 ist man eher geneigt, Prognosen der zweiten Art zuzustimmen. Immerhin war es von Januar bis Oktober laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) in diesem Land so warm wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881.

Was in Anbetracht der Klimakrise als problematisch anzusehen ist, könnte sich für all diejenigen, die sich vor horrenden Abschlagszahlungen im kommenden Jahr fürchten, als Segen erweisen. Denn höhere Außentemperaturen sorgen dafür, dass die Heizung an manch warmem Nachmittag aus bleibt oder nur auf niedriger Stufe läuft.

Winter in Baden-Württemberg: Seit Jahren steigen Temperaturen

Tatsächlich hat sich die durchschnittliche Temperatur des Winters in Baden-Württemberg über die Jahre graduell erhöht. Dies geht aus den Messwerten hervor, die der Deutsche Wetterdienst seit 1881 für die Wintermonate Dezember, Januar und Februar erfasst hat. Wie auch in unserer Grafik zu sehen ist, sind die Wintermonate seit 1990 tendenziell eher wärmer geworden, während die Jahre, in denen die Temperaturen nach unten ausbrechen, weniger wurden.

Bezogen auf Oberschwaben lassen auch die Daten der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried erkennen, dass sich der Winter in der Region langsam erwärmt. Lag die Durchschnittstemperatur der Jahre 1950/51 bis 1969/70 bei -1,37 Grad, war sie im Vergleichszeitraum 1980/81 bis 2009/10 bereits auf -0,36 Grad angestiegen. Auch die Werte der DWD-Wetterstation in Weingarten machen die Tendenz zu einem durchschnittlich wärmeren Winter deutlich.

So haben sich die Winter-Temperaturen über 30 Jahre in Weingarten entwickelt
So haben sich die Winter-Temperaturen über 30 Jahre in Weingarten entwickelt (Foto: Deutscher Wetterdienst )

Spart uns der milde Winter die Heizkosten?

Die Daten aus der Vergangenheit sind es auch, die die Prognosen für den Winter 2022/23 in Deutschland maßgeblich beeinflussen. „Der kommende Winter könnte, wenn die Modellrechnungen des DWD eintreten, eine Mitteltemperatur von mindestens zwei Grad erreichen und damit zu den 33 Prozent der mildesten Winter in der Referenzperiode 1991-2020 gehören“, teilte der Dienst zuletzt mit.

Das vieljährige Mittel dieser Referenzperiode liegt für Deutschland bei 1,4 Grad. Auch Modelle anderer nationaler Wetterdienste wie des britischen Met Office oder von Meteo France gehen laut des DWD von einem etwas zu milden Winter in Deutschland aus.

Die Vorhersage eines relativ milden Winters fand auch bei der Bundesnetzagentur Beachtung. Deren Präsident, Klaus Müller, wird in einer Pressemitteilung zitiert: „Ein vergleichsweise milder Winter könnte uns dabei helfen, die notwendigen Einsparungen von mindestens 20 Prozent beim Gasverbrauch auch in den kommenden Monaten durchzuhalten. Denn wir haben zwar dank der vollen Gasspeicher eine gute Ausgangslage, dürfen aber jetzt nicht nachlassen. Schon ein paar kalte Tage können ausreichen, dass der Verbrauch steigt und die Speicher sich schnell wieder leeren.“

Bezogen auf Baden-Württemberg und speziell die Bodenseeregion geht das Modell des DWD von einer Abweichung von 0,2 bis 1 Grad vom 30-jährigen Mittelwert aus. Dieser lag für das Land im Referenzzeitraum bei 1,1 Grad. Die Durchschnittstemperaturen im Südwesten könnten laut des DWD-Modells im Winter also etwa zwischen 1,3 und 2,1 Grad liegen.

Halte eine Vorhersage für eine ganze Jahreszeit für unseriös

Roland Roth

Können sich die Menschen in Baden-Württemberg jetzt also darauf verlassen, dass es ab Dezember weder zu Minusgraden noch zu Schneefällen kommt? Mitnichten, sagt Roland Roth, Betreiber der Wetterwarte Süd. Von ihm müssen sich sowohl der DWD, als auch einige Medien Kritik an den Prognosen gefallen lassen.

Klimawandel sorgt für Wetterextreme in beide Richtungen

„Ich halte eine Vorhersage für eine ganze Jahreszeit für unseriös. Das sorgt zwar für Medieninteresse, doch die Datengrundlage ist dafür heutzutage noch viel zu dünn und die Modellrechnungen zu fehlerhaft“, sagt Roth im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung. Verlässliche Prognosen ließen sich laut Roth lediglich für die kommenden drei, allenfalls fünf Tage erstellen. Alles darüber hinaus sei „Glaskugel-Prognostik“.

„Natürlich ist in Zeiten des Klimawandels ein insgesamt gesehen überdurchschnittlich temperierter Winter wahrscheinlicher als langanhaltende Kälte“, sagt Roth. „Aber trotz der gerade in unserer Region deutlich gestiegenen Temperaturen wird es auch weiterhin immer wieder Perioden mit Schnee und Eiseskälte geben. Eben nicht mehr so zuverlässig und nachhaltig wie früher einmal. Aber die Wetterextreme haben zugenommen - in alle Richtungen.“

Auch Carola Grundmann vom Zentrum für Medizinisch-Meteorologische Forschung des DWD in Freiburg, der die Daten aus Weingarten aufbereitet hat, mahnt davor, die Klimaprognosen für die Wintermonate jetzt mit einem Wetterbericht gleichzusetzen, der Temperaturen und Niederschlag für einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit vorhersagen kann. „Die Modelle berechnen immer einen Mittelwert der Temperaturen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Tage geben kann, an denen die Temperatur nach oben oder nach unten ausbricht. Es also besonders warm oder sehr kalt wird.“

Ob wir im Südwesten in den kommenden drei Monaten beim Heizen sparen können, kann uns derzeit also kein Wetter-Modell der Welt mit Sicherheit sagen.