StartseitePanoramaErst kalt, dann heiß – Schaukelwetter extrem: Was dahinter steckt und wie es den Kreislauf stresst

Unterkühltheit

Erst kalt, dann heiß – Schaukelwetter extrem: Was dahinter steckt und wie es den Kreislauf stresst

Panorama / Lesedauer: 6 min

Am Wochenende wird es richtig warm. Doch gleich am Dienstag kommt die kühle Luft zurück. Dahinter steckt ein Wetter-Phänomen. Und das hat auch Einfluss auf unser Wohlbefinden.
Veröffentlicht:07.05.2021, 08:00

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Der April hatte mit seiner beispiellosen Unterkühltheit bereits einen Rekord aufgestellt. Und der Mai scheint daran anknüpfen zu wollen. Doch just an diesem Wochenende erleben die Temperaturen einen sommerlichen Höhenflug - nur um dann schon bald wieder abzustürzen. Wir haben dazu mit einem Meteorologen gesprochen - und mit einem Mediziner. Denn die extremen Temperaturschwankungen nehmen manche Menschen ziemlich mit.

Für SZ-Wetterexperte von der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried ist das Wetter in diesen Tagen auch etwas Besonderes: „Wechselhaftes Wetter im Frühjahr ist ganz normal. Wir befinden uns im Mai am Übergang vom Winter in den Sommer. Aber dieses Jahr ist es besonders ausgeprägt. So etwas gab es die letzten 20 bis 30 Jahre nicht.“

Besonders interessant wird dies auch vor dem Hintergrund, dass die letzte Februarwoche die bisher wärmste Woche in diesem Jahr war.

Grund für die ungewöhnliche Wetterlage ist ein sogenannter Polarwirbel-Split. Der beeinflusst den Jetstream, der uns eigentlich warme Luft aus dem Süden liefern soll und stattdessen eher kältere Luft zu uns bringt.

Ab und an schafft es die Wärme dann doch zu uns, eben wie am Wochenende. Aber sie wird sich nicht halten.

Roland Roth

„Wir befinden uns momentan auf der kalten Seite es Jetstreams und kommen da nicht weg“, erklärt Roth. „Seit März haben wir ungewöhnlich viele Kälterückfälle, verbunden mit sehr vielen Spätfrösten. Diese Häufung ist schon auffällig.“

Frost ist auch für das kommende Wochenende ein Thema. „Am Samstagfrüh kann es zu Bodenfrösten in der Region kommen. Grund dafür ist eine sternenklare Nacht die uns von Freitag auf Samstag erwartet.“

Extremwetterlagen nehmen zu.

Roland Roth

Trotzdem, Samstag und Sonntag bescheren uns einen kleinen Genuss von Sommer. Am Samstag erreicht das Thermometer bereits 15 bis 20 Grad und am Sonntag, pünktlich zum Muttertag, sogar sommerliche 23 bis 28 Grad.

Doch aller Euphorie zum Trotz: Der Montag ist ein „Wetter-Brückentag“ und pünktlich zum Dienstag geht es mit den Temperaturen wieder nach unten.

„Das Wetter ist momentan außer Rand und Band“, sagt Roth und nennt den Grund dafür gleich hinterher: „Extremwetterlagen nehmen zu.“ Eine Folge des Klimawandels. Und die Extreme werden in den kommenden Jahren noch zunehmen.

Das Wetter hat nachweislich Auswirkungen auf den Menschen

Nicht nur die Natur leidet unter den Wetterschwankungen, auch für uns Menschen ist die momentane Wetterlage nicht immer ein Vergnügen, weiß Professor Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes.

„Alle Menschen sind wetteragierend“ , erklärt er. Es sei völlig normal, dass der Körper „auf Temperatur- und Wetteränderungen mit Regulation durch das vegetative Nervensystem reagiert“.

Bei den meisten geschieht das unbemerkt. Aber etwa die Hälfte der Menschen spürt Wetteränderungen tatsächlich. Studien und Umfragen bestätigen dies. Biometeorologen sprechen deshalb von „wetterfühligen Menschen“. Knapp ein Drittel dieser Wetterfühligen hat auch gravierende gesundheitliche Einschränkungen bei Wetterwechseln.

Das können je nach Vorgeschichte und Alter Änderungen im Herz-Kreislaufsystem, Schwierigkeiten bei der Atmung oder Schmerzen in Gelenken und OP-Narben sein. Auch rheumatische Beschwerden zählen zu den häufigsten Problemen, wenn sich das Wetter ändert.

Das Wetter, betont Professor Matzarakis, ist aber nicht die Ursache für die Beschwerden: „Es kommt ganz darauf an, in welchem gesundheitlichen Zustand ein Mensch sich befindet. Ist er vorbelastet, ist das Wetter nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen kann.“

Tipps für das kommende Wochenende

Je nach Wetterlage kann eine Änderung aber auch positiven Einfluss auf die Gesundheit bringen. Zum Beispiel, dass aufgrund der Temperaturen ein Leiden besser ausgehalten werden kann oder zeitweise sogar ganz verschwindet. Auf jeden Fall hat schönes Wetter positiven Einfluss auf die menschliche Psyche und hebt die gute Laune, wenn man ungehemmt draußen sein kann und sich nicht so dick gegen die Kälte einpacken muss.

Professor Dr. Andreas Matzarakis vom Zenrtum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes. Foto: KlausPolkowski

Zum aktuellen Schaukelwetter hat er aber eine klare Haltung: „So etwas mag der menschliche Körper gar nicht.“ Es fehlt die Zeit zur Anpassung und Regulation.

Dennoch blickt Matzarakis dem kommenden Wochenende gelassen entgegen: „Am Samstag ist die Hitzebelastung aushaltbar.“ Für Sonntag rät er: „Nicht zu lange in der Sonne bleiben, maximal eine halbe Stunde und auf jeden Fall auf den Flüssigkeitshaushalt achten.“

Zusammen mit seinem Team erstellt der Professor jeden Tag auch einen . Dieser wird täglich gegen 11 Uhr am Vormittag aktualisiert und prognostiziert neben Pollenflugvorhersagen auch das Biowetter für Asthmatiker oder Menschen mit Herz-Kreislaufbeschwerden. Stand Donnerstag sieht diese Vorhersage für Samstag keinen Einfluss auf Wetterfühlige vor.

Wie geht es weiter mit dem Wetter

In einem Ratschlag, um besser mit dem Wetter und den Folgen klarzukommen, sind sich Roth und Matzarakis einig: bei jedem Wetter rausgehen, sich dem Wetter aussetzen und nicht in der Wohnungen verkriechen.

Das härtet den Körper ab und macht Wetterwechsel angenehmer. Das gilt für gesunde wie vorbelastete Menschen gleichermaßen.

Was das kommende Wochenende angeht, empfiehlt SZ-Wettermann Roland Roth: „Genießen, genießen, genießen. Pünktlich am Dienstag, rund um den Start der Eisheiligen, gehen die Temperaturen wieder zurück. Aber die Nächte werden sehr wahrscheinlich nicht frostig, dafür sorgen Wolken, die sich wie eine Bettdecke auf den Planeten legen und die Wärme am Boden halten.“

Kühler Wonnemonat bleibt wahrscheinlich

Im Mai werden wir aller Voraussicht nach mit dem kühlen Wetter weiter klarkommen müssen, glaubt Roth. Die Rudi Carell’sche Frage, wann es denn wieder mal richtig Sommer wird, beantwortet er so: „Es könnte durchaus sein wir im Sommer öfters auch mal auf der warmen Seite des Jetstreams liegen, dann aber auch mit teils sengender, schwülheißer Hitze.“

Dafür sprechen neben der Erfahrung des Meteorologen auch die sportlichen Vorboten des Sommers. Stichwort: Sommermärchen 2006 – Es gab ein kaltes Frühjahr und pünktlich zur Fußball-WM startete auch das Sommermärchen beim Wetter durch. Mal sehen, ob sich das zur Europameisterschaft 2021 wiederholt.