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Mordprozess

Mordprozess neu aufgerollt - Angeklagter schweigt

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Das Landgericht Ravensburg rollt den Hoßkircher Mordprozess wieder auf
Veröffentlicht:17.05.2018, 20:48

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Im zweiten Anlauf ist am Donnerstagnachmittag vor dem Landgericht Ravensburg der Mordprozess gegen einen 35-Jährigen aus Hoßkirch gestartet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, Ende Februar 2017 seine 30-jährige Frau erwürgt und anschließend einen Autounfall vorgetäuscht zu haben, um die Tat zu vertuschen. Der Prozess wurde aber nach rund vier Monaten abgebrochen, weil die Verteidigung ein Befangenheitsgesuch gegen eine Schöffin beantragt hatte, dem im März stattgegeben wurde. Um eine Wiederholung solch eines Vorfalls zu vermeiden, hat das Landgericht für den zweiten Anlauf des Verfahrens nun sowohl einen Ersatzschöffen als auch einen Ersatzrichter eingesetzt.

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Sieben Zeugen und einen Sachverständigen hatte das Landgericht für den ersten Verhandlungstag vorgeladen. Denn die komplette Beweisaufnahme beginnt von vorne, die Inhalte sind unverändert und auch die offenen Fragen in dem Indizienprozess. Aussagen mussten zunächst Polizeibeamte, die als erstes an dem Sonntag, 26. Februar 2017, am Unfallort waren. Bei den ersten Beobachtungen an dem Gemeindeverbindungsweg zwischen Tafertsweiler und Hoßkirch regte sich Skepsis am Geschehen. Eine Frau saß tot auf dem Fahrersitz des Mercedes Vito , wies schon ausgeprägte Leichenflecken am Körper auf. Ihr Mann lag schwer verletzt etwa 100 Meter entfernt vom Auto. Gegenstände liegen im Fahrzeug ordentlich auf dem Armaturenbrett. „Die wären bei einem Unfall nicht so liegengeblieben“, berichtet der Polizeibeamte. Ein normaler Verkehrsunfall sei immer unwahrscheinlicher geworden.

Die zusätzlich alarmierte Spurensicherung nahm die Leiche unter die Lupe. Vor Gericht bestätigt ein Kriminalbeamter der Spurensicherung, dass sie die Verletzungen der Frau nicht generell mit einem Verkehrsunfall erklären lassen. „Das Gesicht war sehr aufgedunsen wie bei einem Erwürgen, die Augen derart zugeschwollen, dass sie kaum zu öffnen waren.“ Den Angeklagten hatte der Beamte im Ravensburger Krankenhaus untersucht und ausgeschlossen, dass dessen Verletzungen beim Überfahren durch das Fahrzeug entstanden sind.


Mit zusätzlichem Personal geht der Hoßkircher Mordprozess in die zweite Runde.

Die auffälligen Verletzungen der Frau lassen auch den gerichtsmedizinischen Sachverständigen, der die Leiche obduziert hat, nur zu einem Schluss kommen: Sie ist aufgrund von massiver Gewalteinwirkung erstickt. Anzeichen dafür seien Einblutungen in den Augen und ein abgebrochenes Zungenbeinhorn. „Das ist eine tief liegende Stelle. Da lässt sich nur durch starke Gewalt etwa mit Händen und Daumen etwas brechen“, sagte der Mediziner. Einen genauen Todeszeitpunkt konnte er nicht mehr festlegen. Da in dem laufenden Fahrzeug die Heizung auf höchste Stufe gestellt war, soll laut den ersten Ermittlern vor Ort eine enorme Hitze geherrscht haben. Das wiederum habe das Auskühlen der Leiche verzögert.

Über Leichenflecken sei auch keine genaue Zeit bestimmbar. Diese ließen sich laut des Mediziners bis zu 36 Stunden nach Todeseintritt wegdrücken. Wahrscheinlich sei aber, dass die 30-Jährige in der ersten Tageshälfte des 26. Februar 2017 starb. Er räumte aber ein, dass beim Ersticken der Tat- und der Todeszeitpunkt mehrere Stunden auseinander liegen können. Der Rechtsmediziner hatte auch die Verletzungen des Angeklagten untersucht. Die Frakturen an der Wirbelsäule können für ihn nur durch eine erhebliche Gewalteinwirkung im Rumpfbereich entstanden sein. Diese träten nicht bei einem leichten Unfall auf.

Auch drei Freundinnen der Getöteten sagen aus, berichteten unter anderem von Eheproblemen des Paares. Diese hatten sie entweder selbst mitbekommen oder im Gespräch mit der 30-Jährigen davon erfahren. Während die eine Freundin nichts von einer möglichen Trennung wusste, war für die andere klar, dass diese kurz bevorstand. Die Frau beschreiben sie als lebenslustig und liebevoll, den Mann als introvertiert, manchmal aufbrausend.

Was in dem Angeklagten während der Verhandlung vor sich geht, ist unklar. Oft grinst er, mal starrt er stoisch in die Luft oder hat den Kopf tief gesenkt, mal sind die Hände gefaltet und mal werden sie nervös geknetet. Nach fünf Stunden zumindest sagte ein Verteidiger des 35-Jährigen, dass der Angeklagte sich nicht mehr gut konzentrieren könne und sich ohnehin zu Aussagen mit seinen Anwälten beraten wolle.

Zu Verhandlungsbeginn war zwar die Reihe für die Pressevertreter halb gefüllt, das Interesse der Besucher im Landgericht hat bei der Prozesswiederholung aber abgenommen. Nur rund ein Drittel der Plätze war belegt, die Reihen sonst meistens komplett gefüllt.