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Gemeindeverwaltung

Homeoffice-Pflicht: lieber nicht?

Ulm / Lesedauer: 5 min

Das flexible Arbeiten von zu Hause aus hat rasant an Bedeutung gewonnen. Wie Unternehmen in der Region mit der Situation umgehen und was sie von einer gesetzlichen Verpflichtung für die Firmen halten.
Veröffentlicht:16.01.2021, 17:00

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Es ist noch nicht ganz ein Jahr her, da war es kaum vorstellbar, dass Mitarbeiter von Gemeindeverwaltungen, Mitglieder von Redaktionen oder Beschäftigte in den Unternehmen der Region zu großen Teilen von daheim aus ihre Arbeit erledigen würden. Heute ist das für viele längst Berufsalltag.

Da hört der Spaß auf

Auch Oliver Stipar, der Regionalgeschäftsführer der IHK im Landkreis Neu-Ulm, arbeitet diese Woche im Homeoffice , kennt das Thema also aus eigener Anschauung. Dass die Politik Unternehmen dafür Anreize verschaffen soll, ihre Mitarbeiter flexibel auch von daheim aus arbeiten zu lassen, findet er gut. „Aber bei einer gesetzlichen Pflicht hört bei vielen Firmen der Spaß auf.“

In vielen Branchen kommt man heute gar nicht mehr drum herum, Homeoffice als Arbeitsmöglichkeit zu schaffen nicht nur in Zeiten der Pandemie. „Das ist in manchen Bereichen bereits Thema im Bewerbungsprozess. In IT-Firmen wird von den Mitarbeitern vorausgesetzt, dass beispielsweise Programmierer auch im Homeoffice arbeiten können. Inzwischen sei aber auch in immer mehr Betrieben das Interesse gestiegen, flexibles Wechseln zwischen Heim- und Büroarbeit anzubieten wenn es technisch möglich ist. Stipar : „Uns erreichen viele Anfragen, die sich beispielsweise mit der Datensicherheit beschäftigen. Und sobald es über das tageweise Arbeiten am Küchentisch hinausgeht, ist auch die Ergonomie am Arbeitsplatz daheim ein Thema.“

„Nicht alle Branchen sind vergleichbar“

Nach wie vor setzt auch die Technik dem Homeoffice Grenzen: Im Frühjahr 2020 waren es vor allem Lieferschwierigkeiten beispielsweise bei Laptops für das mobile Arbeiten, die das Einrichten von Homeoffice-Plätzen erschwerte. Als zweites großes Problem steht derzeit eher die Breitbandversorgung im Vordergrund. „Das funktioniert nach wie vor nicht überall.“ Nicht allein aus diesem Grund werde eine gesetzliche Homeoffice-Pflicht von vielen Firmen in der Region kritisch gesehen, sagt der IHK-Regionalgeschäftsführer. „Nicht alle Branchen sind vergleichbar, deswegen ist es schwierig, sie alle in ein Gesetz zu fassen.“

Bei Wieland , Hersteller für Halbfabrikate aus Kupfer mit Sitz in Ulm und einem Werk in Vöhringen, zieht man ein grundsätzlich positives Feedback zum Arbeiten unter Corona-Bedingungen. Überall dort, wo es möglich ist, soll mobil gearbeitet werden. Eine Sprecherin des Unternehmens sagt: „Die Umstellung war eine Herausforderung für alle, und zwar auf allen Ebenen. Rückblickend ist es aber gut gelaufen. Wir können so auch länger gut arbeiten.“ Auch manche Arbeitsabläufe hätten sich verändert, so die Sprecherin. Man müsse vieles miteinander ausprobieren und wenn nötig nachjustieren.

Vertrauensarbeitszeit ist ein Problem

Das Beispiel Wieland zeigt auch, dass es nicht nur die technischen Voraussetzungen sind, die für die Arbeit im mobilen Office stimmen müssen. Zu Verstimmungen unter den Mitarbeitern hatte zu Beginn der Pandemie geführt, dass Kurzarbeit und Homeoffice bei der Firma nicht vereinbar waren. Für die Arbeit zu Hause galt in dem Unternehmen ursprünglich Vertrauensarbeitszeit. Kurzarbeitergeld gibt es vom Staat aber nur, wenn die Arbeitszeiten genau nachgewiesen werden. So mussten bei Wieland auch diese Bestimmungen angepasst werden. Inzwischen ist Wieland ohnehin nicht mehr in Kurzarbeit.

Auch für die Mitarbeiter, beispielsweise in der Produktion, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, gab es Veränderungen. Die klassische Schichtübergabe finde so nicht mehr statt, erklärt die Wieland-Sprecherin. Wo auf persönlichen Kontakt verzichtet werden kann, werde darauf verzichtet. Auch Plexiglasscheiben, Masken und Desinfektionsspender gehören zum Hygienekonzept an den Wielandstandorten.

Zuletzt wieder mehr im Homeoffice

Bei der Firma Dilo in Babenhausen (Armaturen und Anlagen) wird ebenfalls vom heimischen Schreibtisch aus gearbeitet, zumindest in den Abteilungen, in denen dies möglich ist. „Eine Drehmaschine kann man ja schlecht nach Hause stellen“, sagt Marketingleiter Axel Schuler . „In der Verwaltung wechselte im Frühjahr ungefähr die Hälfte der Mitarbeiter ins Homeoffice. Diese Möglichkeit hatte der ein oder andere auch schon vorher.“ Demzufolge wurde versucht, diejenigen bevorzugt zu behandeln, die etwa Kinder zu betreuen hatten. Den Sommer über sei die Zahl der Mitarbeiter im Homeoffice dann etwas gesunken, zuletzt wieder gestiegen.

Eine geeignete Software für die Verwaltungsarbeit von zu Hause aus konnte laut Schuler von Pandemiebeginn an flächendeckend angeboten werden. Kurze Zeit zuvor sei sie ausgetauscht worden, was sich als glücklicher Zufall erwiesen habe. Mittlerweile seien auch Programme im Bereich Entwicklung, bei denen große Datenmengen anfallen, an das Homeoffice angebunden worden. Und sogar Einweisungen für Anlagen, die auf einem anderen Kontinent stehen, erfolgten nun per Videoschalte statt vor Ort.

„Der Wille ist da, Dinge zu ändern“, sagt Schuler. „Ich denke, Corona hat die Arbeitsweise insgesamt verändert, auch nachhaltig.“ Der Marketingleiter glaubt, dass das Arbeiten im Homeoffice Disziplin und Flexibilität vonseiten der Mitarbeiter erfordere. Die Trennung zwischen Privatem und Beruflichem verschwimme mehr, womit wahrscheinlich der eine besser, der andere schlechter zurechtkomme. Sein Eindruck: „Ich glaube, die meisten sind dann auch froh, wenn sie wieder ins Büro kommen und mit den Kollegen reden können.“

Bis zu 80 Prozent arbeiten zuhause

In der Weißenhorner Zentrale von Peri gilt Arbeiten von zu Hause aus bereits jetzt als Dauerthema. Pressesprecher Markus Woehl sagt: „Homeoffice wird auch nach der Pandemie weiterhin ein Thema sein, das wir auf der Grundlage der Erfahrungen der letzten Monate in den Nach-Corona-Arbeitsalltag integrieren werden.“ Zwischen 70 und 80 Prozent der Weißenhorner Belegschaft arbeiten aktuell nicht in ihrem Büro, informiert Woehl, der eine positive Bilanz zieht. Der Übergang von Büro auf Remote habe bei Peri von Anfang an gut geklappt, die technische Voraussetzung sei schon zu Beginn der Pandemie gegeben gewesen. „Das Team hat sich gut umgestellt“, sagt der Unternehmenssprecher. Die Zusammenarbeit und Projektarbeit funktioniere sehr gut.

Für die Mitarbeiter, deren Aufgaben nicht im Homeoffice machbar sind, gibt es ein umfassendes Hygienekonzept, das der Werksarzt mit ausgearbeitet hatte.