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Sachbeschädigung

Haus der Geschichte und die neue Ausstellung „Hass“

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart erhellt in seiner neuen Ausstellung die Abgründe des Menschen
Veröffentlicht:20.12.2021, 06:00

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Es kann sehr schnell gehen, dass der Hass in einem durchbricht. Dann wird gedroht, gebrüllt und oft auch Rache ersonnen. Aber wie fühlt es sich im Gegenzug an, gehasst zu werden? Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg widmet sich in seiner neuen Sonderausstellung dem Thema Hass und macht die Besucherinnen und Besucher dabei selbst zur Zielscheibe. Da steht man umringt von Monitoren, auf denen Fremde einen spöttisch auslachen, beschimpfen, bedrohen. Sie ziehen scheußliche Fratzen, die an wilde Tiere erinnern, sie fluchen oder geben sich überheblich. Alle Facetten des Hassens werden durchgespielt. Und aus Sicht des Adressaten sind alle bedrohlich.

Trotzdem ist Hass ein zentrales Gefühl, das die Menschheit von Anbeginn begleitet und leider auch in einem wohlhabenden und kulturell hochstehenden Bundesland wie Baden-Württemberg an vielen Stellen keimt. 2003 quälten Jugendliche in der Nähe von Hockenheim einen Obdachlosen zu Tode, weil sie ihn nicht als „gleichwertigen Menschen mit eigener Würde“ sahen. Ein junger Mann aus Backnang, der geistig behindert ist, berichtet dagegen, mit Feindseligkeiten groß geworden zu sein: „Die Leute denken, wir seien Loser und dumm“, sagt er. „Das tut weh.“

Die Ausstellung macht sehr deutlich, wie schwer es auch in heutigen Zeiten ist, zivilisiert und friedlich miteinander zusammenzuleben. Dabei lassen die oft emotionalen Beispiele eigentlich keinen Zweifel daran, dass Hass ein denkbar schlechter Ratgeber ist, ob im Privaten oder in der Politik. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex ermordet, kann man da lesen. Hier stolpert man über blinden Hass im Internet, wo jemand „Homosexuelle gehören getötet“ gepostet hat, dort erzählt eine Frau „Ich zog das Kopftuch an und da ging für mich die Hölle los“.

Die Fronten verlaufen kreuz und quer durch die Gesellschaft. Die Linken hassen die Rechten und die Rechten die Linken – und alle sind überzeugt, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. So wurde auch die AfD-Politikerin Christina Baum , die selbst reichlich Hass schürt, im Gegenzug selbst zur Zielscheibe. In der Ausstellung ist ein Grabkreuz zu sehen, das 2019 vor ihre Zahnarztpraxis gestellt wurde mit der Aufschrift: „Es Ruhe in Unfrieden Nazihure Baum. Nach dir kräht bald kein Hahn mehr.“

Und doch scheint der Hass auch ein wichtiger Antrieb bei Revolutionen zu sein. Georg Herwegh war zumindest überzeugt, dass es nur mit reichlich Hass gelingen könne, die Welt zu verändern. „Die Liebe kann uns helfen nicht, die Liebe nicht erretten“ schrieb der Dichter und versuchte seine Mitmenschen mit seinem „Lied vom Hasse“ zum Handeln zu bewegen. Der Refrain: „Wir haben lang genug geliebt und wollen endlich hassen!“

Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg will die drei wichtigen Emotionen beleuchten. Die Liebe soll noch Folgen, während die erste Ausstellung der Gier gewidmet war. Die entlarvte zwar auch manche Schäbigkeit, war aber längst nicht so existenziell und schwer verdaulich wie die Ausstellung zum Hass, zumal das Thema derzeit besonders virulent ist. Auch wenn die Beispiele in der Ausstellung aus der Geschichte und der Gegenwart Baden-Württembergs stammen, denkt man zwangsläufig an die Weltereignisse, die aktuellen politischen Fronten oder Donald Trumps dumme Parole „America first“. Denn es wird deutlich, dass Feindschaften zwar ein gutes Gefühl verschaffen mögen, weil man glaubt, über anderen zu stehen. Oftmals lassen sich Menschen aber von Machthabern instrumentalisieren, die vor allem ihre eigene Position sichern wollen.

Den Preis solcher Propaganda zahlen am Ende die Einzelnen. So erinnert die Schau daran, dass der französische Nachbar über Jahrhunderte als Erbfeind galt. Eine Schützenscheibe von 1792 zeigt, wie der Hass förmlich gezüchtet wurde: Die Schützen wurden angestachelt von Motiven abgeschlagener Köpfe und schossen auf die roten Freiheitsmützen der Revolutionäre. Die deutsch-französische Feindschaft hat sich lange gehalten – und neben einem zweifelhaften Überlegenheitsgefühl in der Bilanz dann doch vor allem tausende Tote gebracht.

Gut, dass die bewegende Ausstellung ihr Publikum am Ende doch mit einem Hoffnungsschimmer entlässt und Irmela Mensah-Schramm das letzte Wort gibt. Sie entfernt seit dreißig Jahren rechtsextreme Aufkleber im öffentlichen Raum. In 340 Städten war sie bereits unterwegs und hat mit Nagellackentferner, Küchenschaber und Farbspray an die 90 000 Aufkleber und mehr als 10 000 Graffitis unschädlich gemacht und dabei oft Sachbeschädigung begangen. Aber „der geistige Dreck muss weg“, sagt sie und ermuntert, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Denn: „Mit Nichtstun kann man nichts erreichen.“