StartseiteRegionalRegion BiberachBiberachHaushaltsrede von Oberbürgermeister Norbert Zeidler

Haushaltsrede

Haushaltsrede von Oberbürgermeister Norbert Zeidler

Biberach / Lesedauer: 20 min

Haushaltsrede von Oberbürgermeister Norbert Zeidler
Veröffentlicht:19.11.2019, 21:22

Artikel teilen:

Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Norbert Zeidler zur ersten Lesung des Haushaltsplanentwurfs der Stadt Biberach am 18. November 2019 im Wortlaut:

„Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus am besten weitergehe?“, fragt Alice im Wunderland die orakelnde Katze. Diese maunzt: „Das hängt sehr davon ab, wo du hin willst!“ – Zitat von Lewis Carroll

Meine sehr verehrten Damen und Herrn, wo die Reise hingehen soll, wie wir unsere Stadt aufgestellt sehen, wo Sie hinwollen und welche Schwerpunkte wir gemeinsam setzen wollen, das wird uns die nächsten Wochen intensiv beschäftigen. Wir sind seitens der Verwaltung sehr gespannt, was sie uns zu diesem Haushalt ins Stammbuch schreiben werden, wir haben mit 494 Seiten Lektüre schon mal ordentlich vorgelegt. Zudem wurden ja seit der Kommunalwahl die Stellschrauben neu justiert, auch das halte ich für spannend.

Vorbemerkungen - Gesamtwirtschaft

„Die öffentlichen Kassen sind gut gefüllt!“- „ Daimler tritt auf die Bremse!“- „Bosch baut Stellen ab in bisher noch nie gekanntem Umfang!“- „Nur die Verbraucher verhindern Rezession!“ so lesen sich die durchaus gegensätzlichen Schlagzeilen der letzten Wochen. „Wenn der Daimler hustet, hat die Region Stuttgart Lungenentzündung!“ - so sagt man in meiner früheren Wirkungsstätte. Für uns sind diese gesamtwirtschaftlichen Meldungen durchaus ein Signal auch weiterhin vorsichtig, vorausschauend auch unseren Haushalt zu gestalten.

HH-Biberach – Formales + Dank

Frau Leonhardt wird Ihnen nachher den Haushalt im Detail vorstellen. Für mich ist das ein gewisses Erstlingswerk. Um es gleich vom Ergebnis her zu sagen: so einen Haushalt zu verantworten ist eine Freude, in gemeinsam mit unserer Haushälterin zu erstellen, abzuwägen und zu justieren nicht minder. Bevor dieses Werk entsteht, ist eine Unmenge an Daten zu verarbeiten und zu bewerten, unzählige Gespräche und Rücksprachen zu halten-sprich es ist eine Heidenarbeit dieses Zahlenwerk und die damit verbundene Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit herzustellen - denn auch um die geht’s. Das erfordert viel Einsatz, seitens der Amtsleiter seitens der Kämmerei, für den Stellenplan seitens des Hauptamtes aber insbesondere von Frau Leonhardt persönlich. Deswegen sei ihr an dieser Stelle herzlich gedankt, ich denke auch in ihrer aller Namen.

Wir haben Ihnen zur Vorbereitung des Haushaltes angeboten, dass Frau Leonhardt auch Ihre Fraktionen besucht. Das wurde von allen Fraktionen genutzt-insbesondere vor dem Hintergrund der Doppik und als Service für die „Neuen“ unter uns war das sehr sinnvoll. Gerne bieten wir Ihnen das auch für die kommenden Haushalte an.

Auch innerhalb der Verwaltung ist ja mit den Dezernatsneuorientierungen seit den letzten Beratungen einiges passiert. Daher auch ein kurzer Einblick in das Seelenleben unserer Führungscrew: Die Ausgewogenheit der Kräfte im Sinne von Checks and Balances passt. Es wird auf Augenhöhe informiert, kommuniziert, hinterfragt und einander um Rat gefragt. Das ist durchaus neu. Über das Beteiligungsmanagement ist der Oberbürgermeister auch in den Eigenbetrieben, den Stadtwerken, im Hospital und der ew.a riss eingebunden. Bevor wir zu sehr in Eigenbeweihräucherung abdriften: Wir Dezernenten wissen, dass wir in einigen Bereichen Nachholbedarf haben. Die Dinge werden von uns sukzessive aufgearbeitet-aus dem Dezernat II ist mit hoher Energiezufuhr für unser System zu rechnen. Die To-do Listen sind knallevoll, auch deswegen sind wir gespannt auf ihre Anträge.

Ich hoffe, Sie haben die andere Diktion im Vorbericht zur Kenntnis genommen –dieser wurde erstmalig mit allen Dezernenten diskutiert. Ebenso haben wir auf den mahnenden Zeigefinger verzichtet, den setzt verantwortliche Kommunalpolitik voraus.

Freunde der Doppik dürfen sich auf Seite 483 erstmalig an einer städtischen Bilanz laben.

Bei den Rückstellungen haben wir erstmalig differenziert zwischen Pflichtrückstellungen und freiwilligen Rückstellungen, wie in § 41 GemHVO vorgeschrieben.

HH – 2020 – Inhaltliches

Der wie immer wichtigste Blick ist der Blick auf die Gewerbesteuer und damit auch ein Blick in die Glaskugel. Wir wissen seit vier Wochen, dass unsere Annahmen für das Jahr 2020 safe sind. 115 Millionen € sind für eine Stadt unserer Größenordnung angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine unglaubliche Summe. Das System als solches ist leider sehr volatil. Wir halten diese 115 Millionen € für ehrlich, was aus Betriebsprüfungen zurückliegender Jahre kommt, wissen wir Stand heute nicht. Das ist für unseren Haushalt eine gute Basis, ein gutes Fahrwasser und ermöglicht uns auch einen soliden Haushalt. Achtung: ein Haushalt im Wesentlichen generiert von einer Einnahme, im Wesentlichen von wenigen /das meiste aus einem Unternehmen.

Trotz dieser hohen Gewerbesteuereinnahme verhindert nur die gesetzliche Senkung der Gewerbesteuerumlage um 13 Millionen € dass wir einen unausgeglichenen Haushalt haben. Das ist sehr bemerkenswert! Aber auch erklärbar, denn warum Umlagen dazu geeignet sind auch jemanden umzulegen, dafür ist dieser HH ein gutes Beispiel.

Wir zahlen mit 32,6 Millionen € (damit 5,5 Mio € mehr als 2019) einen Höchstsatz an Kreisumlage. Insgesamt kalkuliert der Landkreis mit 8 Millionen € mehr von den Kommunen, was einer Erhöhung von ca. 10 % entspricht - hier muss noch Luft nach unten sein. Ein Prozentpunkt entspricht für Biberach ca. 1,28 Millionen € Ent- oder Belastung.

Auch einen Rekord in Sachen FAG Umlage dürfen wir mit 41 Millionen Euro (+ 11 Mio. €) vermelden. Natürlich sind auch unsere Abschreibungen mit 12,4 Millionen € - sie ahnen es auf einem Rekordniveau. Ebenso wie das Investitionsvolumen für 2020 mit 50,77 Millionen €.

Dem steht ebenfalls auf Rekordniveau eine Liquidität in Höhe von 251 Millionen € gegenüber.

Erstmalig haben wir im Bereich Bildung und Betreuung keine exorbitanten Steigerungen, trotzdem sieht der Stellenplan 20 neue Stellen vor.

Unsere Ausbildungsrate ist mit 47 Stellen und 9,2 % so hoch und übrigens auch vorbildlich wie noch nie.

Kurz die wesentlichen Projekte und Investitionen: im Hochbau-Baubeginn Kindergarten Hauderboschen, Braith-Grundschule, Mali Turnhalle, das ITZ Plus, Dorfgemeinschaftshaus Rissegg und der Anbau des Lehrschwimmbeckens an das Hallenbad. Die Sanierung der Stadthalle läuft weiter und das Wieland Gymnasium geht seiner Vollendung entgegen. Sie sehen: die Spaten dürfen für 2020 durchaus poliert werden. Nicht minder übrigens im Tiefbau: Gewerbegebiet Flugplatz II, Ummendorfer Ried, Hochwasserschutz Wolfental und Dürnach, die Ortsdurchfahrt Mettenberg und vieles mehr!

Städteplanerisch steht der Stadt Biberach eine sehr spannende Phase bevor: Bahnhofsareal, Krankenhaus, weitere innerstädtische Entwicklungen ergänzt durch die Themen Verkehrsführung B 312, Verkehrsführung und Parken in der Altstadt, Entscheidung über den Standort der Birkendorf Grundschule, das Gigelbergkonzept und das Klimaschutzkonzept. Sie sehen: Es ist ordentlich Musik und Diskussionsstoff drin. Ihre Meinung, ihr Sachverstand und ihre Abwägungskunst wird gefordert sein.

Dafür nötige Voraussetzung ist allerdings das Vorhandensein von städtischen Liegenschaften. Auch hier stellen wir in 2020 mit 9,75 Mio. € und 2021 mit 10 Mio. € sehr hohe Mittel zur Verfügung. Der Erste Bürgermeister will da selber sich engagieren – davon ist für unsere Entwicklungen sehr vieles abhängig! Dafür wünschen wir ihm schon heute viel Erfolg.

HH 2020 - Bewertung

Auf den Psychoanalytiker Erich Fromm geht die sehr bedenkenswerte Einsicht zurück, dass viele Sprachen der Welt das Wort „haben“ in der uns geläufigen Form nicht kennen. In diesen Sprachen wird der Zustand, den das Deutsche mit „haben“ beschreibt, dann gerne mit der Konstruktion „Mir ist…“ ins Wort gefasst. Konkret auf uns als Stadt bezogen hieße das folgendes: Der Stadt Biberach ist Geld ANVERTRAUT, Geld ÜBERANTWORTET. Ja, es ist auch viel Geld!

Auch der diesjährige Haushalt ist in diesem Sinne wieder ein gutes Beispiel für eine nachhaltige städtische Strategie der Entlastung und Ermöglichung weit über den Bereich des „Normalen hinaus. Und zwar nicht nur im Sinne von „quick wins“, die kurz gute Presse versprechen und dann ganz schnell verpuffen. Dazu nur einige wenige Beispiele:

Wir entlasten unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen durch die niedrigsten Hebesätze der Großen Kreisstädte landesweit. Bei der Grundsteuer A und B liegen wir 160 bzw. 197 Prozentpunkte unter dem Landesschnitt, bei der Gewerbesteuer sind es 67 Prozentpunkte.

Wir ermöglichen einen Standard im Betreuungsbereich, der seinesgleichen sucht: Leitungsfreistellung, Hauswirtschafterinnen in den Einrichtungen (in der Kinderkrippe Talfeld arbeiten 75 Erzieherinnen und Erzieher!) – und das alles bei Gebühren, die 10 Prozent unter dem Landesrichtsatz liegen. Damit werden Familien unmittelbar entlastet. Die Schulen sind mit Ihren Finanzausstattungen sehr zufrieden, die Schulsozialarbeit findet in BC auf einem Niveau statt, das auch keinen Vergleich scheut und von uns in 2019 ausgebaut wurde.

Wir entlasten Familien durch eine hohe Subventionierung des Schüleressens in unseren Mensen. Ca. 180.000 Euro jährlich ist uns das Wert!

Wir ermöglichen in Biberach einen unschlagbar günstigen und dicht getakteten ÖPNV – Erhöhung der Taktdichtung: Kosten 360000€ jährlich. Für das laufende Kalenderjahr sind 450.000 Euro an Zuschüssen für das Bürgerticket eingeplant, das von den Bürgerinnen und Bürgern hervorragend angenommen wird. Mit dem Ticket 65plus haben wir seit 2018 ca. 40.000 Euro in die Hand genommen und Führerscheine gegen ÖPNV-Tickets getauscht.

Wir entlasten mit dem Stadtpass einkommensschwache Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie deren Familien mit insgesamt ca. 50.000 Euro pro Jahr…und ermöglichen diesen so eine Teilnahme an Bildung und Kultur.

Wir ermöglichen durch diverse Zuschüsse und Vergünstigungen ein äußerst reichhaltiges Freizeitangebot, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche. Allein den Bereich Jugendsport fördern wir mit 130.000 Euro jährlich. Den Verein Jugend Aktiv finanzieren wir mit knapp 867.000 Euro jährlich und ermöglichen so Jugendarbeit auf einem absolut hohen Niveau und in Einrichtungen, die eine Stadt unserer Größenordnung normalerweise nicht unterhält. Die Biberacher JUKS unterstützen wir im Planjahr mit 103000 Euro. Die Zuschüsse für das ABDERA und den Verein Lilienthal betragen 51 000 €, über die Zukunft des ABSEITS haben wir uns in der letzten Sitzung erst unterhalten. Das ist eine gewaltige Unterstützung für unsere Jugend, gut investiertes Geld damit junge Menschen in BC nicht nur leben sondern auch etwas erleben können.

Wir entlasten unsere Vereine und Organisationen, indem wir städtische Hallen gratis überlassen. Grundstücke für den Bau von Vereinsheimen oder Sportanlagen werden von uns ebenfalls unentgeltlich überlassen. Baumaßnahmen der Vereine formidabel bezuschusst.

Wir ermöglichen mit 655 000€ per annum im Rahmen des Kulturbudgets ein kulturelles Leben und Angebot in dieser Stadt, das gemessen an der Größe Biberachs mit Sicherheit einzigartig ist. Die Gesamtkosten unseres kulturellen Bereichs in 2020 belaufen sich übrigens auf 10,3 Mio. €.

Wir entlasten unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch Gäste aus Nah und Fern, indem wir in den Tief- und Hochgaragen Parkplätze zu einem günstigen Tarif bieten, der weit und breit seinesgleichen sucht!

Wir ermöglichen einen Kommunalen Ordnungsdienst, der in dieser Form und personellen Ausstattung in Baden-Württemberg in Städten unserer Größe einzigartig ist und maßgeblich zum Sicherheitsempfinden der Bürgerschaft beiträgt.

Meine Damen und Herren: All das und noch vieles mehr tun wir bereits und sind damit weit über das „normale“ oder pflichtgemäße Niveau hinaus aktiv. Die Liste ließe sich noch beliebig erweitern: Meine Empfehlung: Anlage 13.

Ich komme für mich zum Ergebnis: 1. Dieses hohe Level gilt es auch in Zukunft zu halten. Und: 2. Sicher: Man könnte immer an der einen oder anderen Stelle noch mehr tun. Mit Blick auf die diesjährige Zahl unter dem Strich unseres Ergebnishaushalts meine ich: 3. Wir tun gut daran, den erreichten Standard zunächst mal zu halten.

HH 2020 – Ausblick

In der Schlussbetrachtung haben wir „Fünf Thesen als mögliche Ziele für Biberach“ aufgestellt. Sie merken: Das ist sehr vorsichtig formuliert: Thesen als mögliche Ziele. Nur um den Lästereien gleich vorzubeugen, wir sind nicht unter die Propheten, die Kleriker oder gar Sterndeuter gegangen. Wir haben das im Dezernentenkreis für uns festgelegt, daher auch die vorsichtige Formulierung, denn für Ziele, die mit unserem Haushalten, auch mittel- bis langfristig, erreicht werden sollen, braucht es insbesondere auch ihre Zustimmung.

Ich werde jetzt nicht alle fünf Thesen in epischer Breite ausführen. Ich möchte Ihnen gerne eher kursorisch und stichpunktartig verdeutlichen, was wir unter diesen Thesen verstehen:

1. Umsetzung einer maßvollen Haushaltspolitik und Erhalt der dauerhaften Leistungsfähigkeit ohne Aufzehrung der Liquiditätsreserve

Hier gilt es unseres Erachtens, zwei Pole miteinander in Einklang zu bringen: Auf der einen Seite stehen notwendige Investitionen, wie sie insbesondere unser Investitions- bzw. Arbeitsprogramm in priorisierter Reihenfolge benennt. Dieses Programm gilt es konsequent abzuarbeiten. Und das umso mehr, als der Großteil der dort versammelten Maßnahmen keine Kür sind, sondern absolute Pflichtaufgaben. Stichwort: Schulsanierungen. Alle diese Investitionen sollen, das muss unser Anspruch sein und bleiben, auch weiterhin ohne Neuverschuldung zu leisten sein. Wir befinden uns momentan, ich denke darin sind wir uns einig, in einer kommunalen Investitionsphase in Biberach: Viele Maßnahmen stehen momentan gebündelt an. Diese Maßnahmen sind – Stichwort Nachhaltigkeit – nötig, um unsere Stadt auf einem vernünftigen Level zu halten. Solchen Phasen ist es eigen, dass sie sich vorübergehend auf die Liquidität auswirken – wie sollte es auch anders sein. Klar muss aber auch sein: Es handelt sich um eine zeitliche begrenzte Phase durch die wir durch müssen – nicht um einen Dauerzustand.

Gleichzeitig gibt es aber auch einen zweiten Pol, meine Damen und Herren, der uns ebenfalls ein großes Anliegen ist: Maßvolle und damit nachhaltige Haushaltspolitik muss sich v.a. auch dadurch auszeichnen, dass wir für die Deckung unserer laufenden Kosten aufkommen müssen. Anders formuliert: Unser Ergebnishaushalt darfnicht dauerhaftins Minus rutschen.

2. Sicherung des Wirtschaftsstandortes Biberach sowie Erhalt und Ausbau attraktiver Arbeitsplätze und einer lebendigen Innenstadt

Der Ausbau und Erhalt des Wirtschaftsstandortes Biberach und der Arbeitsplätze in unserer Stadt ist ein komplexes und sehr umfassendes Thema. Nur vier Schlaglichter: Im kommenden Jahr steht uns der Spatenstich für das ITZplus ins Haus: Ein Leuchtturmprojekt in Sachen Förderung von Existenzgründern und StartUps, ein Leuchtturmprojekt auch in Sachen Vernetzung von Wissenschaft und Praxis.

Ein zweites Schlaglicht: Unsere Attraktivität als Wirtschaftsstandort hängt maßgeblich davon ab, dass wir Unternehmen unterschiedlicher Größe auch entsprechende Gewerbefläche anbieten können – dadurch sind zT dann auch wunderbare Innenentwicklungen generierbar. Die Gewinnung solcher Flächen muss im Sinne einer dynamischen Weiterentwicklung Biberachs unser gemeinsames Ziel sein.

Und ein drittes Schlaglicht: Biberach muss auch für potentielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unserer Unternehmen attraktiv sein. Und zwar sowohl beim ersten Click auf unsere Homepage wie auch bei einem Besuch in der Stadt. Ein innovatives Stadtmarketing ist das Gebot der Stunde, ebenso der Erhalt unseres sehr reichhaltigen kulturellen und sportlichen Angebots sowie unserer lebendigen Innenstadt. Letztere ist eng verbunden mit der Zukunft unserer Einzelhändler. Entscheidendes Thema wird hier u.a. die Erreichbarkeit der Stadt sein.

Das letzte, vierte Schlaglicht: Nach der Elektrifizierung der Südbahn und der Fertigstellung von Stuttgart 21 wird die Landeshauptstadt in einer Stunde bequem via Bahn erreichbar sein. Auch das stärkt unseren Standort: In BC wohnen und in Stuttgart arbeiten oder umgekehrt bietet unseren Unternehmen, aber auch uns als Stadt gute Rahmenbedingungen um auch weiterhin auf Prosperität zu setzen.

3. Einsatz für eine aktive Klima- und Umweltschutzpolitik

Die dritte These, die wir formuliert haben, möchte ich gerne anhand von drei konkreten Projekten illustrieren, die in dieser Hinsicht zukunftsweisend für Biberach sein könnten :

a. Nahwärme

Biberach hat in dieser Hinsicht eine sehr innovative Vergangenheit: Rissegger Steige, Fünf Linden mit BHKW’s, verweisen möchte ich zudem auf die Hochvogelstr., die in Sachen Kalter Nahwärme ein ökologisches Vorzeigeprojekt ist. Fehler wurden hier an anderer Stelle gemacht – das soll heute nicht vertieft werden.

Erst vor wenigen Wochen hat in Rißegg das Nahwärmenetz seinen Betrieb aufgenommen. Der Biomassehof Zell wurde stadtseitig bei seinem Vorhaben, auch die entstehende Abwärme sinnvoll nutzbar zu machen, sehr konstruktiv begleitet. 371 MWh/Jahr werden geliefert. Das entstandene Netz ist wirtschaftlich, v.a. aber auch ökologisch ein großer Gewinn. Voraussichtlich sparen wir jährlich 313t CO2 jährlich damit ein.

Die Maßnahme Memelstrasse hat begonnen. Die Heizzentrale wird erneuert und auf Holzhackschnitzel aus den eigenen Wäldern umgestellt. ca. 60 % werden regenerativ sein – versorgt werden das Hospital-Quartier, die Mali-Schule, die Mali-Halle, der KIGA Memelstrasse und Wohnhäuser des Eigenbetriebs.

Wir werden Ihnen vorschlagen, meine Damen und Herren, dieses Thema auch im innerstädtischen Bereich zu forcieren. Die Erneuerung des bestehenden Netzes und der Heizzentralen sollte m.E. zum Anlass genommen werden, das Ganze so nach oben zu skalieren, damit in der Innenstadt neben den öffentlichen Einrichtungen auch Privathaushalte angeschlossen werden. Vorlage hierzu ist in Arbeit!

b. Attraktivierung des Radverkehrs

Ein zweites Thema, das ich exemplarisch herausgreifen möchte, ist das Thema der Attraktivitätssteigerung in Sachen Radverkehr. Und das nicht nur, weil Ihr OB auch gerne auf dem Drahtesel unterwegs ist.

In unserem Stadtplanungsamt wird momentan mit Hochdruck am neuen Radverkehrskonzept gearbeitet, über das wir zeitnah mit Ihnen diskutieren und befinden wollen, meine Damen und Herren. Daher ist heute auch nicht der Ort, um Ihnen dieses Konzept in all seinen Facetten vorzustellen. Auf einen Punkt möchte ich eingehen: Das Thema Abstellmöglichkeit für Fahrräder – von mir bereits ja letztes Jahr angesprochen.

Konkret planen wir bspw. kurzfristig mehr als ca. 70 neue Abstellplätze für Fahrräder in der Altstadt zu schaffen, auch die Umwandlung von bestehenden Autoparkplätzen in Fahrradabstellanlagen haben wir vor! Um die Pulsfrequenz unserer Innenstadt-Zustands-Protektoren nicht zu erhöhen nur zwei Zahlen: 498 Stellplätze für PKWs in der Altstadt innerhalb des Rings stehen derzeit 290 Fahrradständern gegenüber. Ich halte diese Entwicklung für unumgänglich wenn es darum gehen soll, Mobilität neu zu gestalten.

c. PV-Anlagen

Ein drittes ökologisch relevantes Thema, das ich gerne auf die Agenda setzen möchte, ist das Thema Photovoltaik.

In grauer Vorzeit war die Stadt selbst auf diesem Feld bereits aktiv und hat auch bei diversen Projekten mit privaten Investoren kooperiert. 2009 wurde dann vom damaligen Gemeinderat beschlossen, die städtischen PV-Anlagen an die Stadtwerke auszulagern. Zum damaligen Zeitpunkt aus wirtschaftlicher Sicht eine richtige Entscheidung.

Mittlerweile hat sich der Wind in Sachen PV etwas gedreht. Durch den Rückgang der Einspeisevergütung ist das Geschäft mit Anlagen für Investoren nicht mehr interessant. Viel interessanter ist mittlerweile das Thema Eigenstrom geworden. Aus diesem Grund wollen wir Ihnen zeitnah ein „30-Dächer-Programm“ für Biberach vorschlagen: 30 Dächer, auf denen wir PV-Anlagen zur Eigenstromversorgung errichten können und wollen. Ein Projekt, das man als mittelgroßen Biberacher Beitrag zur Energiewende bezeichnen könnte. Momentan wird bereits an einer Liste von Dächern gearbeitet, die hierfür in Frage kommen. Sobald wir ein belastbares Konzept entwickelt haben, werden wir Ihnen dieses 30-Dächer-Programm vorstellen und vorschlagen. EBM Miller hat in diesem Zusammenhang auch das Ziel einer energieautarken Kläranlage ausgerufen. Das alles ist möglich –wir brauchen hierzu Ihre Unterstützung.

Umwelt- und Klimaschutz wird aber auch bei solchen Projekten eine Rolle spielen, die auf den ersten Blick nicht danach aussehen. Oder lassen Sie es mich anders formulieren: Denen man gerne das genaue Gegenteil unterstellt.

Beispiel Aufstieg B30: Hier forcieren wir im weiteren Verlauf der Planung eine Tunnellösung, die den Eingriff in die Umwelt auf einem Niveau hält, das so niedrig wie möglich ist. Sie haben bestimmt auf Seite 250 des Haushalts die aufgerufenen 75 Mio. € gesehen, die wir Ihnen noch erläutern werden. Anders formuliert: Setzt man prinzipiell voraus, DASS der Aufstieg nötig ist, um unsere Verkehrssituation in und um Biberach nachhaltig zu entlasten, dann kann man unumwunden zugeben, dass die favorisierte Lösung mehr als ökologisch verträglich ist. Ja, ich möchte sogar von einem grünen Aufstieg sprechen!

(Gelächter bei den Grünen)Herr Weber, das müssen Sie mir gut erklären!

Teilt man die Prämisse der Notwendigkeit nicht und kommt zu dem Ergebnis, dass nur der Nichtbau des Aufstiegs ökologisch sinnvoll ist, dann kommt man freilich zu anderen Ergebnissen. Ob diese Haltung allerdings der täglich erlebten Wirklichkeit entspricht, wage ich zu bezweifeln.

Das gilt auch für ein zweites ökologisches Reizthema: Das IGI. Die Auseinandersetzungen über dieses Projekt waren und sind mitunter heftig und kontrovers. Sie alle kennen meine Meinung zum Thema. Heute sind wir an einem Punkt, meine Damen und Herren, an dem ich das IGI nicht nur als ökologisch zukunftsweisend bezeichnen möchte. Nein, wenn ich sehe, wie viel ökologische Innovation, wie viel intelligente Konzepte in der Planung des IGI stecken, wie viel Biodiversität und Begrünung, wenn ich das alles sehe, traue ich mich unumwunden, von einem GRÜNEN IGI zu sprechen.

Und noch ein letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Der Themenkomplex Umweltschutz, Klimawandel und Nachhaltiger Lebensstil bewegt momentan viele Menschen in unserem Land und auch in Biberach. Darum planen wir im Rahmen der nächsten Rezertifizierung zum European Energy Award offene Workshop-Angebote für alle am Thema Interessierten! Wir müssen, wir wollen da auch unsere Bürger stärker mit einbinden!

4. Bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung und somit eine attraktive Versorgung mit Wohn- und Gewerbeflächen sowie einer innovativen Stadtentwicklung

In Sachen Siedlungsentwicklung und Wohnraum gilt es, auch weiterhin konsequent unser STEK umzusetzen und auch fortzuschreiben. Unser Ziel muss auch in Zukunft ein ausgewogener Mix aus Einfamilienhausbebauung und solchen Wohnformen sein, die mehr auf Verdichtung – auch Höhe - setzen. Auch auf qualitativ hochwertig gestaltete Freiflächen legen wir großen Wert. Das kommt im Haushaltsplan auch zum Ausdruck.

5. Erhaltung der hochwertigen Bildungs-, Betreuungs- und Kultureinrichtungen

Was diese letzte These betrifft, so mache ich mir um den Erhalt unserer Kultureinrichtungen wenig Sorge. Völlig zurecht wurde von Ihnen die Kulturarbeit im Rahmen der Budgetberatungen sehr gelobt. Diese Beratungen haben deutlich gezeigt, wie viel Dynamik und wie viel Freude an der Gestaltung in diesem Bereich am Werk ist und muss heute von mir nicht wiederholt werden.

Was den Bereich Bildung und Betreuung angeht, so wird insbesondere auch das Thema der Digitalisierung in absehbarer Zeit auf der Tagesordnung stehen, gerade auch was unsere Schulen betrifft. Gleichzeitig gilt es, auch weiterhin Betreuungsbausteine für unterschiedliche Altersstufen anzubieten, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleisten. Wir sind hier bereits auf einem sehr hohen Level unterwegs, dürfen uns als Standort großer Unternehmen darauf allerdings nicht ausruhen.

HH – 2020 – Schlussbetrachtung

Ich komme zum Schluss. Zitat: „Was die Zukunft angeht, haben wir nicht die Aufgabe sie vorherzusehen, sondern sie zu ermöglichen!“ Antoine de Saint Exupery. Meine Damen und Herren, ich hoffe, ich konnte Ihnen veranschaulichen, dass wir weiterhin gemeinsam mit Ihnen an der Zukunft dieser Stadt arbeiten wollen. Wir möchten gemeinsam mit Ihnen die Basis schaffen damit unsere Stadt dank wirtschaftlicher Prosperität im Sozialen, im Natur und Umweltschutz, im gesellschaftlichen und im kulturellen Leben weiterhin Außergewöhnliches ermöglichen kann. Dafür steht unsere Verwaltung, dafür steht dieser Haushalt und dafür stehe auch ich als Oberbürgermeister. Biberach soll und Biberach wird in Zukunft auch weiterhin Ermöglichungsstadt sein.