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Gesprächsrunde

Hier sehen Blinde wieder eine Zukunft

Ulm / Lesedauer: 3 min

Selbsthilfebüro Korn feiert 30. Geburtstag mit Gesprächskreisen, wie sie bei vielen Betroffenen üblich sind
Veröffentlicht:16.11.2019, 12:00

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Ein Austausch auf Augenhöhe zum Jubiläum: Mit zwei Gesprächsrunden wie sie in Selbsthilfegruppen üblich sind, hat das Büro Korn im Haus der Begegnung in Ulm seinen 30. Geburtstag gefeiert. Die Einrichtung unterstützt Selbsthilfegruppen und dient Hilfesuchenden als Anlaufstelle. Die Abkürzung Korn steht für „Koordinierungsstelle Regionales Netzwerk“, rund 250 Selbsthilfegruppen werden dort betreut. Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch, der an der ersten Gesprächsrunde teilnahm, lobte: „Das ist eine besondere Leistung, die sie erbringen.“ Es sei nicht einfach, für jeden Betroffenen genau den Kreis zu finden, in dem er richtig aufgehoben sei.

Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg , der in der zweiten Runde zu Wort kam, sagte über die Gruppen: „Die Menschen helfen nicht nur sich selbst, sondern auch anderen.“ Er habe selbst erfahren, wie schwer es sei, sich in den Alltag von Menschen hineinzudenken, deren Lebensumstände ganz anders sind. Der Freund seiner Schwägerin, berichtete Noerenberg, sitze im Rollstuhl. Am Anfang seien die Begegnungen mit dem Mann schwierig gewesen. Erst im Laufe der Jahre habe er gelernt, dessen Probleme zu verstehen, sagte Noerenberg. „Da können sich Betroffene viel effizienter helfen“, zeigte sich der Rathauschef überzeugt.

Harter Weg zur Medikation

Die Nersingerin Sabine Krätschmer, Vize-Landrätin des Kreises Neu-Ulm , hob die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements in den Selbsthilfegruppen hervor. Der Staat oder die Kommunen könnten dies nicht leisten, sagte sie. Auf Augenhöhe mit den Politikern kamen auch Betroffene aus den Gruppen zu Wort. Reinhold Hudak aus Beimerstetten leitet seit 15 Jahren eine Gruppe von Menschen, die an Depression leiden. Er erzählte von seiner eigenen Diagnose vor 15 Jahren und von seinem schwierigen Weg zur richtigen Medikation. Schwierig sei für viele auch der Weg in eine Gruppe. „Wir bekommen viele Mails und Anrufe. In die Gruppe kommen aber nur fünf Prozent dieser Menschen.“ Viele hätten riesige Angst. „Der erste Schritt, glaube ich, ist sehr, sehr schwer.“

Wie eine Gruppe nach diesem schweren ersten Schritt helfen kann, berichtete Gertrud Vaas. Sie ist seit 44 Jahren blind und leitet heute die Bezirksgruppe Alb-Donau-Riss im Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg. Wer neu dazukomme, bekomme eine Perspektive gezeigt, an die er vorher vielleicht nicht geglaubt habe: „Das Leben geht weiter – auch wenn man nicht mehr gut oder gar nicht mehr sehen kann.“ Sie selbst, sagt Vaas, habe in der Gruppe Freunde gefunden.

Professor Dr. Peter Möller, stellvertretender Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik, betonte den hohen Stellenwert, den Selbsthilfegruppen bei Ärzten haben. Er sehe in diesen Kreisen immer wieder starke Persönlichkeiten, betonte Möller. „Ich denke, es ist sehr wichtig, dass Patientinnen und Patienten diese Anlaufstelle haben“, sagte er.

Teil der Jubiläumsfeier war auch eine Ausstellung aus Fotos, Texten und Gedichte, die zeigte, was Selbsthilfe leisten kann, und ein Vortrag der Psychotherapeutin, Musiktherapeutin und Autorin Irmtraud Tarr.