StartseitePolitikEinigung auf die letzten Meter? Wie Boris Johnson den Brexit bis Ende Oktober schaffen will

Austrittsvertrag

Einigung auf die letzten Meter? Wie Boris Johnson den Brexit bis Ende Oktober schaffen will

London / Lesedauer: 3 min

Der britische Premier will bis Montagabend ein neues Austrittsabkommen mit der EU anstoßen – Die Opposition hat ganz andere Pläne
Veröffentlicht:13.10.2019, 19:00

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Zu Beginn einer entscheidenden Brexit-Woche hat die britische Regierung am Sonntag die europäischen Verbündeten unter Zeitdruck zu setzen versucht. Bis Montagabend soll laut Boris Johnson geklärt werden, ob London und Brüssel sich rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am Donnerstag auf einen neuen Austrittsvertrag einigen können. Darüber wollte der Premierminister am Telefon nicht nur mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, sondern auch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sprechen. Die ebenfalls für Montag geplante Regierungserklärung („Queen’s Speech“) steht völlig im Schatten der neuen Entwicklungen.

Offenbar setzt die Downing Street alles daran, die beiderseits des Ärmelkanals als wahrscheinlich geltende weitere Verlängerung der britischen Mitgliedschaft noch zu verhindern. Allerdings spricht Johnson dem Vernehmen nach von einer Alternative: entweder ein verbesserter Vertrag oder „eine freundliche Version des No Deal“. Mit dem Ausdruck No Deal beschönigen die Brexiteers die chaotischen Verhältnisse, die ein ungeregelter Austritt zur Folge hätte. Indem er die Verbündeten auf eine „freundliche“ Version“ verpflichtet, versucht der Konservative, die Verantwortung für ein Scheitern der Verhandlungen von sich abzuwälzen. Diesem Manöver hatten sich vergangene Woche wichtige EU-Politiker wie Irlands Premier Leo Varadkar entgegengestellt.

Varadkars Treffen mit Johnson in einem Hotel für Luxushochzeiten nahe Liverpool hatte am Donnerstag den totgeglaubten Verhandlungen nochmals Atem eingehaucht. Der Haltung des Iren kommt vorrangige Bedeutung zu. Dabei geht es um die zukünftige Stellung von Nordirland, für das Dublin seit dem Karfreitagsabkommen 1998 Mitverantwortung trägt. Um die innerirische Grenze offenzuhalten und den Frieden auf der grünen Insel zu sichern, will Varadkar die britische Provinz in der Zollunion und wichtigen Teilen des Binnenmarktes halten. Johnson und die Brexiteers streben dagegen den Austritt des gesamten Vereinigten Königreiches aus der Zollunion an. Sie versprechen sich davon mehr Bewegungsfreiheit für künftige Handelsverträge, etwa mit den USA.

Die parlamentarische Opposition hat nicht nur den No Deal gesetzlich ausgeschlossen. Viele Abgeordnete stehen auch einer neuen Übereinkunft skeptisch gegenüber.

Labour-Politiker Hilary Benn will über ein zweites Referendum in der EU bleiben. Die Idee war im Frühjahr im Unterhaus gescheitert. Diesmal könnte es eine Mehrheit geben, falls Johnson ohne Deal aus Brüssel zurückkehre, glaubt der schottische Tory-Abgeordnete Paul Masterton. Eine überparteiliche Allianz bastelt zudem weiter an Plänen für einen Sturz des Premiers und die Einsetzung einer Übergangsregierung.

Am Montag steht indes die Regierungserklärung der Königin bevor. Mir ihr beginnt normalerweise eine neue Sitzungsperiode des Parlaments. Die sogenannte Queen’s Speech wird von der 93-jährigen Monarchin vorgetragen, die dafür mit der Kutsche im Palast von Westminster vorfährt. Inhaltlich dürfte die Erklärung 22 neue Gesetzesvorhaben der Regierung enthalten. Dazu gehören die Beendigung der Personenfreizügigkeit, wie von der Brexit-Party gefordert, sowie eine schärfere Kontrolle privater Eisenbahnbetreiber – die Labour seit Jahren anregt.

In Wirklichkeit hat kaum eines dieser Gesetze eine Chance, verwirklicht zu werden. Zum einen steht Johnson einer Minderheitsregierung vor; zum anderen strebt der Premier ohnehin so schnell wie möglich, wohl noch in diesem Jahr, eine Neuwahl an.