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Herzensbande

Harmonika- und Herzensbande zwischen Klingenthal und Trossingen

Trossingen / Lesedauer: 3 min

Serie im Vorfeld der Ausstellung im Deutschen Harmonikamuseum: Zwei Hohners siedelten ins Vogtland über
Veröffentlicht:04.08.2019, 10:28

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Die Recherchen über das zweite Weltzentrum der Harmonikaindustrie, Klingenthal im sächsischen Vogtland, haben Überraschendes zutage gefördert: Nicht nur einmal landete ein junger Trossinger namens Hohner dauerhaft in Klingenthal.

Altbekannt und in neuerer Zeit detailliert erforscht ist die Geschichte des Harmonikastimmers Matthias Hohner: Dieser Namensvetter des berühmten Firmengründers heiratete 1908 in Trossingen Emma Johanna, geborene Glass. Die junge Frau lebte mit Eltern und Geschwistern deshalb auf der Baar, weil ihr Vater hier dringend gebraucht wurde: Der Akkordeonstimmer Bernhard Glass aus Klingenthal gehörte zu den Facharbeitern, die den Trossingern im frühen 20. Jahrhundert den Bau von „Accordeons“ beibrachten. Bekanntlich stiegen die Großfabriken Matth. Hohner und And’s Koch ab 1903 in die Fertigung von Handzuginstrumenten ein.

Das junge Paar Matthias und Emma Hohner lebte nur für drei Jahre in Trossingen – in denen die ersten drei Kinder auf die Welt kamen. 1911 siedelte die Familie ins Vogtland über, wo der Facharbeiter Matthias Hohner zeitweise sogar als Mundharmonikafabrikant erfolgreich war. Diese Hohner-Geschichte kann im aktuellen Trossinger Jahrbuch unter dem Titel „Neues zum Klingenthaler Matthias Hohner“ nachgelesen werden.

Nun aber zum anderen ausgewanderten Hohner mit dem Vornamen Paul: Dieser gehörte zum Stamm der sogenannten „Bärbele-Hohner“ – wie übrigens auch der Trossinger Stadtrat Ingo Hohner. Deren gemeinsamer Urahn hieß laut Stammbaum „Johannes Hohner ‘in der Fleschgaß‘, Bürger und Schuster“ (1781 bis 1855).

Die Schlüsselperson in der folgenden Harmonika-Liebesgeschichte ist der technisch versierte Trossinger Andreas Hohner (1872 bis 1945). Der „Bärbele Andres“ war in den 1920er Jahren selbstständiger Unternehmer und hatte sich hier in Trossingen eine kleine Maschinenfabrik aufgebaut; hinten am Butsch (heute Gartenbau Benzing). Damals boomte die Harmonikaindustrie enorm. Andreas Hohner stellte Spezialmaschinen zur Harmonikafertigung an.

Ein größerer Auftrag kam von der namhaften Mundharmonikafabrik F. A. Böhm aus Untersachsenberg bei Klingenthal. Andreas Hohner lieferte, und Mitte der 1920er Jahre weilte sein Sohn Paul, Jahrgang 1900, dort im Vogtland, um die neuen Maschinen zu montieren und in Gang zu setzen. In seiner Freizeit lernte der junge Mann von der Baar ein Mädchen namens Gertrud Meinel kennen und lieben. 1928 wurde geheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder, Tochter Ruth, Jahrgang 1930, und Sohn Rolf, Jahrgang 1940. Beide leben heute noch in Klingenthal. Ruth Hohner, verheiratete Körner, hat zahlreiche Nachfahren. Rolf Hohner ist kinderlos.

Vater Paul Hohner blieb dauerhaft im Musikwinkel „hängen“. Ein langes Leben war ihm nicht vergönnt: Im Zweiten Weltkrieg geriet er in russische Kriegsgefangenschaft und starb 1945 in einem Lager in Sibirien.

Zurück nach Trossingen: Maschinenfabrikant Andreas Hohner musste 1929 sicher bedingt durch die Weltwirtschaftskrise aufgeben. Sein Firmengebäude wurde zur Schuhfabrik „Beutel & Weiss“. Offenbar hatte Andreas Hohner auf seine alten Tage noch einige Zeit in der Firma Hohner zu arbeiten. Dort war auch sein Sohn Erich Hohner (1905 bis 1982) beschäftigt, an den sich noch manche erinnern dürften. Der „Bärbele-Erich“ wirkte lange als Meister in der Lehrwerkstatt.