StartseiteRegionalBodenseeFriedrichshafenGut vernetzt für eine gute Pflege

Pflege

Gut vernetzt für eine gute Pflege

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion informiert sich im Wilhelm-Maybach-Stift
Veröffentlicht:28.01.2019, 18:18

Von:
Artikel teilen:

Die Pflege steht vor Herausforderungen. Das Personal wird knapp, es fehlt an Kurzzeitpflegeplätzen und ab September sind in Pflegeheimen nur noch Einzelzimmer erlaubt. Heike Baehrens, die Pflegebeauftragte der SPD-Bundesratsfraktion, sieht aber Anzeichen, dass sich der Pflegesektor nicht vor den Problemen wegduckt – auch in Friedrichshafen , wo sie auf Einladung von Norbert Zeller, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Bodenseekreis, das Wilhelm-Maybach-Stift besichtigte.

Wenn sich Heike Baehrens auf ihren Dienstreisen ein Bild von der Pflegesituation in Deutschland macht, wird sie von den Heimleitungen für gewöhnlich sofort auf das Problem angesprochen, überhaupt noch Arbeitskräfte zu finden. „Heute wurde dieses Thema dagegen als letztes behandelt“, sagt die ehemalige Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Württemberg, die 2013 in den Bundestag gewählt wurde. Dass diese Sorge so weit hinten rangiert, hat Gründe: Das Wilhelm-Maybach-Stift ist ein Haus der Bruderhaus-Diakonie, die sich intensiv um die Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Ausland bemüht. „Ohne Migranten und gezielte Einwanderung ist Altenhilfe in dieser Form nicht mehr zu betreiben“; sagt Diakon Ulrich Gresch , Regionalleiter der Bruderhaus-Diakonie. Diese Einwanderer werden teilweise schon in ihren Heimatländern geworben, etwa in Kamerun und in Vietnam. Ausgebildet werden diese Kräfte dann im Diakonischen Institut für soziale Berufe in der Paulinenstraße 56. „50 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler sind Migranten aus 70 Ländern“, sagt Schulleiterin Doris Heldmaier. Außerdem hat das Diakonische Institut in Zusammenarbeit mit der Bruderhaus Diakonie das Projekt Pflegerückkehrer gestartet, für bereits ausgebildete Pflegekräfte, die nach längerer Berufspause wieder einsteigen möchten.

Gutes Personal nicht nur gewinnen, sondern auch halten

Personal gewinnen ist das eine – es zu halten, das andere. Der Bruderhaus-Diakonie und damit dem Wilhelm-Maybach-Stift gelingt das, weil es für die Pflege-Azubis Wohnraum anmietet. Die Bewohner leben dort in multikulturellen Wohngemeinschaften zusammen. Zudem bemühe man sich um Fortbildungsmöglichkeiten, eine gute Führungskultur und ein angenehmes Betriebsklima, so Ulrich Gresch.

„Viele unserer Ziele, die wir in der Theorie entwerfen, werden in Friedrichshafen schon angegangen“, sagt Heike Baehrens. Dazu zählt sie auch die Bereitstellung von altersgerechtem Wohnraum, der es den Menschen erlaubt, so lange wie möglich eigenständig zu bleiben. „Das Thema demografische Entwicklung ist in Friedrichshafen voll aufgenommen worden“, sagt Wolfgang Sigg, Vorsitzender der Kreisbaugenossenschaft. Heike Baehrens sieht in Friedrichshafen im Wilhelm-Maybach-Stift ein vernetztes Denken am Werk, bei dem mehrere Akteure dem Bedarf gemeinsam gerecht werden. Sigg konkretisiert: Bereits seit 1990 arbeiten Kreisbaugenossenschaft und Bruderhausdiakonie im Bereich betreutes Wohnen zusammen. Zuletzt wurden im Allmand-Carre 100 Wohnungen gebaut, davon 40 betreute Seniorenwohnungen mit Begegnungsstätte und Senioren-WG. Ans Wilhelm-Maybach-Stift selbst so Betreutes Wohnen-Wohneinheiten angeschlossen.

Trotzdem gibt es Nachholbedarf. „Wir brauchen in Friedrichshafen und im ganzen Bodenseekreis weitere Pflegeplätze, vor allem für die Kurzzeitpflege“, sagt Norbert Zeller. Ein solches Angebot soll künftig im Karl-Olga-Haus aufgebaut werden. Grob geschätzt fehlten in Friedrichshafen 30 bis 40 Kurzzeitpflegeplätze, so Ulrich Gresch. So viele wären nötig, um auch auf kurzfristige Anfragen reagieren zu können. Freilich muss es dann aber stets freie Plätze geben. Mit einer nahezu hundertprozentigen Auslastung ist dann nicht mehr zu rechnen. Sie war bisher aber zu erfüllen, damit sich die Kurzzeitpflege rechnete.

Kurzzeitpflege kann langfristig ausgebaut werden

Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen verbessert. Um einer bedarfsgerechten Versorgung näher zu kommen, müssen Häuser, die sich ganz auf die Kurzzeitpflege konzentrieren, inzwischen nur noch zu 70 Prozent ausgelastet sein.„Damit kann man jetzt die Kurzzeitpflege ausbauen“, erklärt Gresch. „Aber das wird sicher noch einige Jahre dauern.“ Noch ist der Bedarf drückend. Christoph Gresch, Leiter des Wilhelm-Maybach-Stifts, erhält im Schnitt täglich drei Anfragen nach Kurzzeitpflegeplätzen. Dass die Zahl der Plätze lange stagnierte, erklärt Heike Baehrens auch mit dem Personalschlüssel. Die Kurzzeitpflege werde oft bei schlechtem Gesundheitszustand in Anspruch genommen, etwa nach Krankenhausaufenthalten. Deshalb sei Kurzzeitpflege personalintensiv. „Das wurde beim Personalschlüssel aber in der Vergangenheit nicht berücksichtigt. Deswegen waren die Träger mit der Einrichtung solcher Plätze zurückhaltend“, erläutert Zeller.

Einzelzimmer-Vorgabe macht Probleme bei der Umsetzung

Kopfzerbrechen macht die Umsetzung der Heimbauverordnung. Bis 1. September 2019 darf es in Pflegeheimen nur noch Einzelzimmer geben. Die Bruderhaus-Diakonie habe in die Umsetzung dieser Vorgabe bereits 75 Millionen investiert, so Ulrich Gresch. „Wir haben aber noch einen Berg von weiteren 75 Millionen vor uns, die wir laut Gesetzgeber bis Mitte des Jahres abgearbeitet haben müssen. Das wird man nicht schaffen.“ Deshalb bemüht sich die Bruderhaus-Diakonie um eine Fristverlängerung beim Sozialministerium und den örtlichen Heimaufsichten.