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Selbstverteidigung

„Die Türkei beruft sich auf Selbstverteidigung“

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Die Grenzen eines Landes dürfen nicht verletzt werden – allerdings gibt es Ausnahmen
Veröffentlicht:16.02.2018, 10:27

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Seit einem Monat kämpft die türkische Armee in Nordsyrien . Michael Häußler hat Marcel Kau, Professor und Dozent für Völker- und Europarecht an den Universitäten Konstanz und Friedrichshafen, zu den völkerrechtlichen Grundlagen dieses Einsatzes befragt.

Herr Kau, die Türkei rückt mit Panzern in Nordsyrien vor. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen völkerrechtlich?

Grundsätzlich sieht die UN-Charta ein Gewaltverbot vor. Das ist eine Konsequenz des Zweiten Weltkriegs . Es verbietet streng, die Grenzen eines Landes zu verletzen. In der UN-Charta gibt es allerdings auch Ausnahmen – und zwar durch das Selbstverteidigungsrecht.

Ist die Offensive der Türkei eine solche Ausnahme?

Die türkische Regierung spricht von Grenzverletzungen durch Terrorgruppierungen, die von diesem Gebiet in Nordsyrien aus auf das türkische Territorium Angriffe verüben, um damit wiederum Terrorgruppen in der Türkei zu unterstützen. Zunächst ist es also eine Einschätzung der Türkei. Die Regierung beruft sich auf das Selbstverteidigungsrecht. Die türkische Regierung sagt, sie werde von dort aus angegriffen. Auch die Bundesregierung beruft sich im Übrigen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat auf das Selbstverteidigungsrecht. Sonst wären die Tornadoeinsätze ebenfalls Grenzverletzungen.

Ist der türkische Militäreinsatz Ihrer Meinung nach damit kein Völkerrechtsbruch?

Vorausgesetzt, es gibt diese Angriffe auf die Türkei.

Die Türken sollen Giftgas eingesetzt haben. Jedenfalls berichten das syrische und kurdische Medien. Vorausgesetzt, es stimmt: Wäre das eine neue Eskalationsstufe?

Das wäre nicht nur ein Tabubruch, sondern auch ein Bruch des internationalen Rechts. Das könnten die Türken nicht mehr rechtfertigen. A-, B- und C-Waffen sind durch verschiedene Protokolle total ausgeschlossen. Es wäre ein Verstoß gegen die Giftgaskonvention von 1925. Unter dem Dach der UN gibt es auch neuere Verträge dazu.

Was wird jetzt passieren?

Erst mal wird es Verschleierungsversuche vor allem von der Türkei geben. Wenn die Türken das wirklich eingesetzt haben, wird der Sicherheitsrat das verurteilen. Handgreifliche Konsequenzen wird es aber wahrscheinlich zunächst keine geben, also keinen Militäreinsatz gegen die Türkei.

Die Türken könnten demnächst auf US-Soldaten treffen...

Ich würde es mittlerweile nicht mehr ausschließen, dass es zu Kampfhandlungen kommt.

Nun heißt es, die Assad-Regierung will die Kurden aktiv unterstützen. Eine neue Wendung?

Das ist überraschend. Aber lieber hat die Assad-Regierung einen Autonomiestatus für die Kurden als mit Bodentruppen operierende Türken auf eigenem Gebiet.