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Existenzgründung

Gründen sollte populärer werden

Panorama / Lesedauer: 8 min

Das Autoren-Duo Christoph Warmer und Sören Weber berichtet, worauf es bei der Existenzgründung ankommt
Veröffentlicht:09.03.2015, 16:55

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Es klingt simpel, wird aber oft missachtet: Existenzgründer müssen sich fragen, ob es tatsächlich das Problem gibt für die Lösung, die sie ihren Kunden anbieten. Manche Ideen gehen auch einfach am Markt vorbei, weil sie niemand braucht. Das ist nur eines der Ergebnisse von Sören Weber und Christoph Warmer, die ein Buch über die deutsche Gründerszene geschrieben haben. In „Mission: Startup“ schildern 21 Top-Gründer aus Deutschland ihren Weg von der Idee zum Unternehmen. Im Zentrum stehen Interviews mit Gründern von Startups wie mymuesli, ergobag oder Vapiano . Die Autoren beleuchten Rückschläge, Wendepunkte und Erfolge. Tanja Schuhbauer hat die beiden Autoren gefragt, welche Erkenntnisse sie dabei gewonnen haben.

Sören Weber: Vorbilder gäbe es genug. Mit den Erfolgsgeschichten deutscher Gründer zeigen wir, dass es auch in Deutschland möglich ist, als Gründer international erfolgreich zu sein. Ein Problem ist eher die Wahrnehmung hierzulande. In den USA sind Gründer eine Art Rockstar. Gründer in Deutschland, die große Unternehmen hervorgebracht haben, kennt oft keiner – oder sie werden skeptisch betrachtet.

Weber: Es gibt nicht den einen Gründertyp. Das ist auch die Aussage diverser Studien. Trotzdem haben wir bei den Gründern, mit denen wir gesprochen haben, ein paar Gemeinsamkeiten festgestellt: Alle waren sehr hartnäckig. Uns wurde immer wieder gesagt: Wenn ich nicht so viel Ausdauer hätte, dann hätte ich vielleicht schon aufgegeben.

Christoph Warmer: Gründer zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie ihre Kunden sehr genau im Fokus haben. Gleichzeitig brauchen sie die Fähigkeit, analytisch zu denken, um aus der Vielfalt der Informationen die richtigen Schlüsse für ihre Situation zu ziehen.

Woran erkennt ein Gründer, ob seine Idee erfolgversprechend ist?

Warmer: Eine Geschäftsidee ist erfolgversprechend, wenn sie eine überzeugende Lösung für ein Problem darstellt. Ein gängiger Fehler ist, ein Produkt zu entwickeln, das der Markt nicht benötigt. Es gibt Startups, die ein super Team haben, toll organisiert sind, aber letztlich kein Problem lösen. Die erfolgreichen Gründer, die wir gesprochen haben, haben ein existierendes Problem am Markt gelöst. Kernfragen, die sich angehende Gründer stellen sollten: Für welche Zielgruppe löse ich welches Problem? Und ist meine Lösung besser als die bestehenden Lösungen am Markt? Idealerweise bringt das Gründerteam beide Kompetenzen mit: ein tiefes Verständnis des Problems und die Fähigkeit, ein Produkt oder einen Dienst zu etablieren, das das Problem wirksam löst. Es klingt trivial, aber es ist oft nicht einfach umzusetzen. Wichtig ist vor allem, die Geschäftsidee gut vermitteln zu können. Geschäftsideen, die sehr komplex sind, sollten nochmal hinterfragt werden. Das Ganze muss sich so verpacken lassen, dass es vom Kunden auch verstanden wird.

Welcher Gründer in ihrem Buch hat Sie am meisten beeindruckt?

Weber: Das ist schwierig zu beantworten, weil jeder Gründer auf eine andere Art beeindruckt hat. Es ist schwer, einen hervorzuheben. Ich mache mal zwei ganz verschiedene Beispiele: Beeindruckend fanden wir zum Beispiel Delivery Hero aus Berlin, die innerhalb kürzester Zeit Millionenumsätze erzielt haben, sehr schnell gewachsen und international unterwegs sind. Erfolg sollte aber nicht immer gleich am Wachstum und an Mitarbeiterzahlen gemessen werden. Genauso bemerkenswert fanden wir, dass jemand versucht, in München noch eine neue Brauerei zu gründen – und damit Erfolg hat.

Bei der Brauerei in München könnte man aber auch annehmen: Das Problem ist schon gelöst.

Warmer: Ja, interessanter Punkt. Allerdings produzieren die etablierten Großbrauereien meist Bier für den Export, und um sie haltbar zu machen werden diese stark gefiltert und dadurch gleichen sie sich geschmacklich an. Giesinger Bräu dagegen bietet Biere, die nicht so stark gefiltert und nur begrenzte Zeit haltbar sind, aber dafür mit einem ganz besonderen Geschmackserlebnis, das man sonst auf dem Markt nicht so findet. Dazu kommt, dass Bier nicht nur als Durststiller getrunken wird, sondern auch aus Lifestyle-Gründen. Und hier brachte er eine neue Lösung, weil er eine neue Marke geschaffen hat und den lokalen Bezug hergestellt hat. So entstand eine neue Brauerei, die sich erfolgreich am Markt positionieren konnte.

In den Interviews fragen Sie auch nach Rückschlägen. Welche ist die traurigste Gründergeschichte?

Warmer: Unter den Gründern in unserem Buch gab es eigentlich keine traurige Geschichte oder zumindest bislang kein trauriges Ende, höchstens schwierige Phasen. Wobei es mehr Rückschläge sind, mit denen Gründer zu kämpfen haben. Aber dessen muss sich ein Gründer bewusst sein, wenn er sich auf den Weg macht. Vielleicht unterscheidet das auch den erfolgreichen vom nicht erfolgreichen Gründer, sich vom Rückschlag nicht ermutigen zu lassen und weiterzumachen. Da sind wir wieder beim Thema Ausdauer.

Was fehlt Gründern hierzulande?

Weber: Ein Aspekt ist die gesellschaftliche Akzeptanz und Wahrnehmung. Dass es etwas Gutes ist, zu gründen, und dass es auch in Ordnung ist, zu scheitern. Das schreibt man eher den USA zu, dass Scheitern auch etwas Positives ist, dass man daraus lernt und wächst. Und in Deutschland sagt man: Der hat es nicht geschafft. Das macht einigen Angst. Gängige Karrierewege von Wirtschaftsstudenten sind: Investmentbanking, Beratung oder Trainee in einem Industrieunternehmen. Diese Wege führen mittelfristig zu einer Laufbahn bei einem Großkonzern. Die Unternehmerlaufbahn sollte man besser als alternativen Karriereweg positionieren.

Wie könnte der Einstieg in die Unternehmerlaufbahn aussehen?

Warmer: Angehende Gründer können zunächst als Mitarbeiter in einem Startup Erfahrung sammeln, das Netzwerk zu Mitgründern, Partnern und Investoren aufbauen und so die Basis für die eigene Gründung legen. Interessant könnten auch Berufsstationen bei Investoren oder Agenturen sein, die als zukünftige Partner infrage kommen. So entsteht ein gutes Verständnis für die Abläufe aller an einer Gründung Beteiligten. Wichtig ist auch ein sogenanntes „Ökosystem“ unter Gründern, also Netzwerke zu bauen, um Synergieeffekte zu nutzen.

Welche Rolle spielen dabei die schrumpfenden staatlichen Zuschüsse für Gründer?

Weber: Ich sehe das gar nicht als den entscheidenden Faktor. Wenn jemand wirklich gründen will, dann kann er das auch ohne Zuschüsse. Und wenn er etwas Gutes anzubieten hat, dann verdient er auch sein Geld. Es gibt genug Geld, aber zu wenig gute Geschäftsideen. Zuschüsse sind wichtig, aber nicht der entscheidende Faktor. Wir bezweifeln, dass mit einer Erhöhung der Zuschüsse die Gründerzahl steigen würde.

Welche Auswirkungen hat das Gründen auf das Privatleben?

Warmer: Das mymuesli Team hat anfangs 18 Stunden am Tag gearbeitet. Andere Startups berichteten uns von Ähnlichem. Es ist eine intensive Zeit, an Urlaub ist da kaum zu denken. Aber die meisten Gründer haben uns mit leuchtenden Augen von dieser Zeit erzählt, sind stolz auf ihre Leistung und würden den gleichen Weg wieder einschlagen. Gründen bedeutet aber nicht zwingend im operativen Tagesgeschäft unterzugehen. Man kann auch ein Startup gründen, sich aus dem operativen Geschäft heraushalten, sich selbst nur als Koordinator sehen und sich so ein Stück Freiheit erkaufen. Ein Leitprinzip des Gründers der RatioDrink AG lautet: Nicht im Unternehmen arbeiten, sondern am Unternehmen arbeiten. Durch die durchdachte Verkettung bestehender Dienstleistungen wurde dies möglich.

Was können deutsche Gründer von Amerikanern lernen?

Weber: Einfach mal anzufangen, machen und auszuprobieren. Ich glaube, die Amerikaner sind sehr gut darin, etwas zu starten, und sich dann auf dem Weg dahin zu verbessern und zu lernen. Europäer dagegen tendieren dazu, erst einen soliden Plan zu machen und dann zu starten. Ein Plan ist nichts Schlechtes, aber gerade bei innovativen Geschäftsmodellen lässt sich schwer vorhersagen, wie viele Kunden man in zwei oder drei Jahren gewinnen wird. Dazu gibt es am Markt zu viele Variablen. Das führt bei manchen Gründern dazu, dass sie in ihrem Plan verharren und gar nicht anfangen. Das ist eben eine Kulturfrage, die in den USA anders ausgeprägt ist. Ein weiterer Punkt ist die Verzahnung mit den Unis, die Inspiration unter den Studenten und die Gruppendynamik in den USA. Da kann sich Deutschland viel abschauen. Gründen sollte als Karriereoption populärer werden.

Christoph Warmer, Sören Weber: Mission: Startup, Gründer in Deutschland schildern ihren Weg von der Idee zum Unternehmen. Springer Gabler 2014, Taschenbuch 298 Seiten, 19,99 Euro.

Wer eines gewinnen möchte, schickt bis 14. März entweder eine E-Mail mit Angabe des Vor- und Nachnamens, der Adresse und Telefonnummer, und dem Betreff: Buchverlosung, an [email protected] oder per Postkarte:

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