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Firmenlandschaft

Zwischen Alno-Großaktionär Hastor und Zulieferer Grammer eskaliert Streit

Wirtschaft / Lesedauer: 5 min

Zwischen Alno-Großaktionär Hastor und Zulieferer Grammer eskaliert Streit
Veröffentlicht:03.02.2017, 20:15

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Die bosnische Unternehmerfamilie Hastor mischt die deutsche Firmenlandschaft auf. Spätestens seit der spektakulären Auseinandersetzung der Prevent-Gruppe mit Volkswagen im Sommer 2016, ist der mächtige Unternehmerclan aus dem früheren Jugoslawien auch hierzulande der Öffentlichkeit bekannt. Damals hatten zwei Töchter aus dem komplexen Geflecht des Automobilzulieferers, hinter dem die Hastors stehen, im Streit um Geld für ein abgeblasenes Projekt die Lieferung von Getriebeteilen und Sitzbezügen an Volkswagen ausgesetzt. In Wolfsburg konnte der Golf, in Emden der Passat nicht mehr gebaut werden, 28000 Mitarbeiter mussten pausieren. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte seinerzeit von „Erpressung“ gesprochen.

Die Hastors, denen nachgesagt wird, ein gutes Gespür dafür zu haben, mit welchen Unternehmen Geld zu verdienen ist, sind zu den sogenannten aktivistischen Investoren zu zählen. Diese Investoren kaufen sich bei Firmen ein und versuchen diese auf Rendite zu trimmen. So stiegen sie in den vergangenen Monaten unter anderem beim Küchenbauer Alno mit Sitz in Pfullendorf ein.

Nun rückt aber eine weitere Unternehmensbeteiligung der Hastors ins Blickfeld: der bayerische Automobilzulieferer Grammer, der Komponenten für die Innenausstattung von Pkws wie Mittelkonsolen und Sitze herstellt. Bei dem börsennotierten Konzern aus Amberg in der Oberpfalz sind die Bosnier über die Gesellschaften Halog und Cascade inzwischen mit 20 Prozent beteiligt und damit größter Einzelaktionär. Nach Monaten scheinbarer Ruhe ist zwischen dem Grammer-Management und den Hastors jetzt ein offener Konflikt ausgebrochen.

Furcht vor feindlicher Übernahme

Die Hastors planen, auf einer noch einzuberufenden Hauptversammlung die Macht bei Grammer zu übernehmen – und im Zuge dessen Vorstandschef Hartmut Müller und den Aufsichtsrat zu entlassen, wie Grammer in einer Mitteilung schreibt, in der der Hastor-Vorstoß zurückgewiesen wird. Ersetzt werden sollen die Manager durch eigene Vertreter, fast ausschließlich durch „Angestellte der durch die Familie Hastor beherrschten Prevent-Gruppe“. Ginge der Plan auf, könnten die Bosnier bei Grammer durchregieren, obwohl sie nur einen Minderheitsanteil kontrollieren und bislang kein Übernahmeangebot abgegeben haben. „In der Vergangenheit waren auf Grammer-Hauptversammlungen durchschnittlich 45 Prozent der ausstehenden Stimmrechte vertreten. Mit ihrer Beteiligung von gut 20 Prozent könnten die Hastors also einiges bewegen“, sagte Grammer-Sprecher Ralf Hoppe im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.

Grammer wehrt sich gegen die Einflussnahme nach Kräften: Die Hintergründe und Ziele der Beteiligung von Cascade und Halog seien nach wie vor nicht bekannt, sagte Hoppe . Nach eigenen Angaben hat Grammer wiederholt versucht, mit Vertretern der Familie Hastor sowie mit Cascade-Verantwortlichen in Kontakt zu kommen: „Es ist jedoch bislang zu keinem klärenden Gespräch gekommen.“

Bei Hastor klingt das anders: Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ hat sich der Investor erstmals öffentlich zu Wort gemeldet und eine „feindliche Übernahme“ bestritten. Zugleich griff er das Grammer-Management scharf an. Es sei bei steigenden Umsätzen „nicht mit dem nötigen Engagement“ gegen sinkende Gewinnmargen angegangen. Cascade forderte erneut „schnellstmöglich eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen“. Den Vorwurf mangelnder Gesprächsbereitschaft mit den Grammer-Gremien wies Cascade zurück.

Grammer hatte im Geschäftsjahr 2015 einen Konzernumsatz von 1,42 Milliarden Euro erzielt (2014: 1,36 Milliarden Euro), der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) war allerdings von 57 auf 43 Millionen Euro gefallen. Für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2016 meldeten die Oberpfälzer aber – zum Teil durch Zukäufe getrieben – einen Umsatzanstieg um 20 Prozent und ein nahezu verdoppeltes Ebit.

Autoindustrie ist besorgt

Die Autoindustrie beobachtet den Machtkampf beim wichtigen Zulieferer Grammer mit Sorge, Beschäftigte reagieren mit Angst und Wut. „Das ist eine ganz kritische Situation“, sagte Stefan Bratzel vom Autoinstitut CAM in Bergisch Gladbach. „Alle schauen genau, ob ein Investor wie Prevent sich weitere wichtige Zulieferer einverleibt und so sein Druck- und Blockadepotenzial erheblich erhöht.“ Aus der Autoindustrie heißt es: „Wir stehen Gewehr bei Fuß.“ Risikomanager und inzwischen auch Task Forces kümmern sich darum, dass die Produktion nicht stillstehe und notfalls Alternativen gefunden würden.

Bei Grammer fürchten Aktionäre wie Mitarbeiter, dass Autobauer Aufträge von Grammer abziehen, wenn die Hastors die Kontrolle übernehmen. Der Börsenkurs steigt, weil Anleger auf Aktienkäufe der Hastors einerseits und einen „weißen Ritter“ andererseits spekulieren, der die Unabhängigkeit von Grammer sichern könnte. Auch die IG Metall ist auf den Barrikaden und will eine Machtübernahme der Hastors verhindern. Frank Iwer, Autoexperte beim IG-Metall-Vorstand, sagt, Prevent riskiere, „zugunsten kurzfristiger Gewinne die gesamten Kundenbeziehungen und damit die Zukunft der Arbeitsplätze sowie des Unternehmens insgesamt infrage zu stellen“.

Alno beobachtet Machtkampf

Auch beim Küchenhersteller Alno aus Pfullendorf (Landkreis Sigmaringen) dürfte das Geschehen bei Grammer mit Interesse verfolgt werden. Dort sind die Hastors über das Investmentvehikel Tahoe inzwischen ebenfalls größter Aktionär. Zwar ist Alno nicht mit Grammer zu vergleichen: Der Küchenhersteller schreibt seit Jahren Verluste und hat selbst nach einem kapitalstarken Investor gesucht. Grammer hingegen ist ein gesundes Unternehmen.

Doch es gibt auch Parallelen – vor allem was den Einstieg der Hastors in die Firmen und die Umbesetzung in den Gremien angeht. Bei Alno sind vier der neun Sitze im Aufsichtsrat inzwischen mit Tahoe-Vertrauten besetzt, im Vorstand schieden Finanzchefin Ipek Demirtas und der für das operative Geschäft zuständige Frank Wiedenmaier aus.

In der Oberpfalz planen die Hastors nun Ähnliches.