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Zu viele Hürden für Flüchtlinge

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Wie können Asylbewerber besser in den Arbeitsmarkt integriert werden? Experten aus der Region diskutieren bei Schwäbisch Media
Veröffentlicht:19.12.2014, 18:20

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Die Wirtschaft braucht Fachkräfte, und hofft, diese auch unter Flüchtlingen zu finden. Bisher gibt es jedoch zu viele Hürden und zu wenig Austausch, da sind sich regionale Vertreter von Politik, Handwerk, Arbeitsvermittlung und Verwaltung einig. Bei Schwäbisch Media diskutierten sie, wie Asylbewerber besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Hendrik Groth, Chefredakteur der „ Schwäbischen Zeitung “, moderierte die Diskussion, zu der die Arbeitgeberverbände Baden-Württemberg eingeladen hatten.

In ihrem Vortrag nannte Jutta Driesch, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, die wichtigsten Eckpfeiler wie Sprachförderung, Ausbildung und berufliche Qualifizierung. Deshalb sei es wichtig, bei Ankunft zu prüfen, welche Qualifikationen die Flüchtlinge haben. Dem schloss sich Tobias Mehlich , Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm, an und ergänzte: „Der Markt ist chancenreich für Jugendliche, die eine Ausbildung machen wollen.“

Viele junge Flüchtlinge bekommen trotzdem keine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Ein Grund dafür ist die Unsicherheit der Arbeitgeber: „Es gibt immer wieder Bedenken, wie lange die Menschen überhaupt noch bleiben können“, erklärt Sebastian Bretz, Fachkoordinator bei den Bayerischen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft. Selbst qualifizierte Flüchtlinge haben Probleme: Sie haben meist keine Papiere, die ihre Qualifikationen belegen.

Betriebe mit Vorbehalte

Angst, dass sein Mitarbeiter abgeschoben werden könnte, hat auch ein Bäckermeister aus Argenbühl, der sich aus dem Publikum zu Wort meldete. Sein Betrieb stellte einen 20-jährigen Flüchtling aus Gambia ein. Das habe alles sehr unbürokratisch geklappt, berichtete er. Nun würde er dem jungen Mann gerne eine Ausbildung anbieten und ärgert sich: „Es kann nicht sein, dass die Asylbehörde über das Bleiberecht eines Flüchtlings entscheidet, aber die Menschen vor Ort, die am besten Bescheid wissen, keinen Einfluss auf diese Entscheidung haben.“

Auch die Vorrangregelung (siehe Infokasten) machte den Anwesenden Sorgen, die es Arbeitgebern nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, Asylbewerber einzustellen. Ein Mann aus dem Helferkreis Wangen sagte etwa: „Ich kann nicht begreifen, warum die Vorrangregelung überhaupt noch greift. Das ist furchtbar.“ Peter Jany, Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben, forderte, die Regelung ersatzlos zu streichen: „Die Asylbewerber sind auch nach der 15-Monats-Frist keine besseren Asylbewerber.“

Als „große Baustelle“ bezeichnete eine Zuhörerin die Vorbehalte, die noch in sehr vielen Betrieben herrschten, etwa bei Bewerbern mit anderer Hautfarbe. Mehlich schmetterte ab: „Die Betriebe, die noch nicht offen für Flüchtlinge sind, brauchen wir nicht.“ Die Zuhörerin, selbst Mitarbeiterin des Welcome-Centers, sprach auch das Traumata an: „Die Flüchtlinge sind nicht freiwillig hier. Sie brauchen Zeit und Fürsorge.“ Tatsächlich sind einer Studie zufolge 30Prozent der Flüchtlinge traumatisiert und können nicht unmittelbar auf dem Arbeitsmarkt unterkommen.

„Ich bin davon überzeugt, dass wir es schaffen, einen Großteil der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren“, sagte Eva-Maria Meschenmoser, Erste Landesbeamtin im Kreis Ravensburg. Um dieses Ziel zu erreichen, verabredeten sich alle Experten noch auf dem Podium zu einem gemeinsamen Treffen im Januar, um sich über das weitere Vorgehen in Sachen Flüchtlinge abzustimmen.