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Weltkonzern mit Bodenhaftung

Wirtschaft / Lesedauer: 4 min

Alpla fertigt Kunststoffverpackungen für die Lebensmittel- und Kosmetikbranche
Veröffentlicht:02.09.2015, 17:34

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Am Stammtisch im Gasthaus Käthr kann man von den alten Hardern viel über die Anfänge der Alpla erfahren. Dass Alwin und Helmuth Lehner in der Waschküche des Vaters ihre erste Produktionsstätte hatten, das gehört in dem kleinen Ort am österreichischen Bodenseeufer zum heimatkundlichen Grundwissen. Das Umfeld hat sich, um es mit der typischen Lehner’schen Zurückhaltung zu formulieren, bei einem Jahresumsatz von über drei Milliarden Euro ein wenig geändert. Geblieben ist der Respekt vor den Leistungen der bodenständigen Vorarlberger. Und das nicht nur daheim, sondern auf der ganzen Welt: Die heute 16000 Mitarbeiter sind auf 154 Niederlassungen in Europa, Nord- und Lateinamerika, Asien und Afrika verteilt. Sie stellen Kunststoffverpackungen für die wichtigsten Vertreter der Lebensmittel-, Reinigungs- und Kosmetikindustrie her.

Wer wissen will, was Familienunternehmen in seiner reinsten Form bedeutet, der frage nach beim heute 83-jährigen Alwin Lehner. „Als wir 1955 eine günstige Spritzgussmaschine kaufen konnten, wurden alle eingespannt. Meine Eltern haben im Schichtbetrieb Tag und Nacht Kunststoffbecher hergestellt, meine Frau hat die Zollformalitäten erledigt und meine Schwester die Buchhaltung. Ich selbst hab das Werkzeug gebaut und mein Bruder war mit seinem Welthandel-Studium für das Kaufmännische verantwortlich.“

Der Sprung in die große Welt war für die „Alpenplastik Lehner Alwin GmbH“ – kurz Alpla – eng mit Deutschland verbunden. „Die Chance kam, als Henkel einen kleinen, schnellen Hersteller brauchte und uns vertraut hat.“ So groß wie sie heute sind, wollten die Lehners nie werden. „Die Firmen haben uns reihenweise geholt und wir haben die Gelegenheiten beim Schopf gepackt.“

Neue Märkte zu gewinnen sei aber nie einfach gewesen. „In manchen Jahren haben wir mehr in neue Werke investiert als wir Cashflow hatten. Aber du kannst zum Kunden nicht sagen, wir sind erst im nächsten Jahr so weit. Dann macht ein anderer das Geschäft. So wurden wir zum Wachstum fast gezwungen.“ Managementbücher brauchte er für diese Erkenntnis nicht. „Zum Lesen hat mir immer die Zeit gefehlt.“

In den fünfziger Jahren war die Verarbeitung von Kunststoff noch Neuland. Den Herausforderungen trotzte Lehner mit viel Bauchgefühl, noch mehr Fleiß und seiner Begeisterung für die Technik. Werkzeuge und Maschinen baute er bald in Eigenregie, etwa den legendären „Alplamat“. „Abends zeichneten wir in der Werkstatt die Konstruktionspläne, am Tag habe ich die Teile gefertigt“, erinnert er sich zurück. Vom damals entstandenen technologischen Vorsprung durch kreative Eigenentwicklungen zehrt Alpla bis heute.

Das Ruder hat Alwin Lehner 2006 an seinen Sohn Günther übergeben. Der bildet mit seinen Cousins Nicolas Lehner und Georg Früh heute die Konzernspitze. Sie konnten auf einem mehr als soliden Erbe aufbauen. Dazu gehörte auch die Überzeugung, dass die Präsenz vor Ort einer der Grundpfeiler des Erfolgs ist. „Es macht wenig Sinn, leere Flaschen zu transportieren. Deshalb orientieren wir uns an den Niederlassungen der Kunden. Das reduziert Kosten und spart lange Lieferwege“, sagt der 55-jährige und verweist darauf, dass die Hälfte der Alpla-Werke unmittelbar an die Produktion und Abfüllanlagen der Kunden angeschlossen sind – zum Beispiel bei Rauch in Vorarlberg oder Coca-Cola in Mexiko.

Sie gehören ebenso zu den bekannten Alpla-Kunden wie Unilever, Procter & Gamble, L’Oréal, Pepsi, Migros oder Nestlé. „Jeder von uns hat täglich mindestens ein Alpla-Produkt in der Hand, meist ohne es zu wissen“, erzählt Günther Lehner. Eine durchaus taugliche Variante, den Begriff „Hidden Champion“ zu erklären.

Die Zukunft ist nachhaltig

Intensiv beschäftigt sich Günther Lehner mit der immer akuter werdenden Ressourcenknappheit. „Erdöl und Erdgas haben ein Ablaufdatum. Wir arbeiten deshalb bereits heute auch mit Materialien, die auf nachwachsenden Stoffen basieren.“ Seit 2013 ist Alpla gemeinsam mit Avantium, Coca-Cola und Danone an einer Entwicklungsplattform für den bio-basierten Kunststoff PEF beteiligt. PEF wird aus pflanzlichen Rohmaterialien hergestellt und gilt als Kunststoff der nächsten Generation. Erklärtes Ziel sei es, die Wiederverwertbarkeit der Produkte kontinuierlich zu erhöhen. Drei darauf spezialisierte Werke in Polen, Österreich und Mexiko sind bereits in Betrieb und setzen zum Beispiel lebensmittelechtes Recycling-PET-Granulat ein, einen Werkstoff für die Herstellung neuer Verpackungen.

Großen Wert legt Günther Lehner auf den Teamgeist, der die 16000 Mitarbeiter auszeichnet. „Wir sind eine große Familie. Uns ist bewusst, dass das unser wahres Erfolgsgeheimnis ist. Deshalb versuchen wir, der Verantwortung gegenüber den Leuten und unserem Umfeld gerecht zu werden.“ Was uns wieder an den Anfang der Geschichte bringt. Alpla hat vor einiger Zeit das in die Jahre gekommene Dorfgasthaus Käthr (für Nicht-Alemannen: Katharina – in dem Fall die frühere Eigentümerin des Hauses) gekauft, von Grund auf renoviert und so den Hardern (und nicht nur ihnen) ihren Treffpunkt zurückgegeben.

Bodenhaftung kann nur der haben, der seine Wurzeln nie vergisst.

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