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Zackenbude

Von der Zackenbude zum globalen Konzern

Wirtschaft / Lesedauer: 5 min

ZF wächst seit Jahrzehnten auch durch Übernahmen – Durchwachsene Erfahrungen in den USA
Veröffentlicht:25.07.2014, 19:07

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Ferdinand Graf von Zeppelin war ein Mann mit großen Visionen. Doch auch seine Vorstellungskraft hätte wohl kaum für die Erwartung ausgereicht, dass die 1915 auf seine Initiative hin gegründete Zahnradfabrik – im Volksmund Zackenbude genannt – 99 Jahre später ein international agierender Konzern mit 122 Produktionsgesellschaften in 26 Ländern sein würde.

In den ersten 50 Jahren ist die Entwicklung der ZF vor allem durch inneres Wachstum gekennzeichnet gewesen. Aber auch dieses war beachtlich. Als 1970 beim Umsatz die Milliardenmarke überschritten wurde – wohlgemerkt noch in D-Mark –, bedeutete dies eine Verdoppelung in nur fünf Jahren. Die späteren großen Wachstumssprünge waren aber zunehmend geprägt durch eine Reihe von Akquisitionen. Ein erster wirklich „dicker Brocken“ war der Erwerb (zunächst nur) der Mehrheit an der norddeutschen Lemförder-Gruppe in der Nähe von Osnabrück zum Jahresbeginn 1984. Mit seinen Kugelgelenken, Spur- und Lenkstangen sowie Präzisionsteilen aus Kunststoffen und Gummimetall-Verbindungen ergänzte Lemförde das ZF-Produktprogramm ideal.

Dasselbe lässt sich von einem anderen, ebenfalls großen Deal sagen, der 2001 folgte. Es war die Übernahme des traditionsreichen Automobilzulieferers Mannesmann Sachs ins Schweinfurt. Die – zumindest von außen gesehen – weitgehend geräuschlose Integration von Sachs mit seiner speziellen Unternehmenskultur in den ZF-Konzern mit seiner nicht weniger speziellen war vor allem das Verdienst von Hans-Georg-Härter, einem Manager, der sich durch eine starke Durchsetzungsfähigkeit, aber auch, wenn geboten, ein bemerkenswertes diplomatisches Geschick auszeichnete. Härter, der zuvor die ZF Passau geleitete hatte, konnte sich mit seinen Meriten als Sachs-Chef auch für das Amt des Vorstandsvorsitzenden des „Mutterhauses“ ZF Friedrichshafen AG empfehlen, das er von 2006 bis 2012 ebenfalls erfolgreich ausübte.

Wachstum außerhalb Europas

Schon früh, wenn zunächst auch mit gedämpftem Elan, hatte sich die ZF um eine Internationalisierung ihres Geschäftes auch außerhalb Europas bemüht. Als erster Tochterbetrieb in einem anderen Erdteil wurde 1959 die ZF do Brasil gegründet. Damit folgte das Unternehmen dem Beispiel vieler deutscher Firmen, die in der brasilianischen Industriemetropole Sao Paulo eigene Fertigungen aufbauten. Erste Kontakte zu dem heute besonders wichtigen chinesischen Markt wurden 1981 durch die Vergabe einer Getriebe-Lizenz an die China National Import Corporation geknüpft. Vermutlich hatte damals niemand geahnt, was sich aus diesem bescheidenen Anfang entwickeln würde. Heute ist die ZF an nicht weniger als 30 Standorten im Reich der Mitte vertreten.

Die USA als größter Automobilmarkt der Welt waren und sind für die ZF ebenfalls von herausragender Bedeutung. Die Gründung der ZF of North America Inc. datiert aus dem Jahr 1979, wobei sich deren Aktivitäten zunächst auf Kundendienst und Service-Leistungen beschränkten. Immerhin hieß es aber in einer Pressemitteilung aus diesem Anlass, dass auch eine eigene US-Produktion langfristig nicht auszuschließen sei. Man hätte ruhig auch von „mittelfristig“ reden können, denn es dauerte nur ein gutes halbes Jahrzehnt bis die ZF in Gainesville (Georgia) und Brewer (Maine) erste eigene Fertigungsbetriebe eröffnete. Mittlerweile gehören zum Konzern 16 Gesellschaften in den USA.

Die positive Entwicklung der ZF in Amerika ist aber vor allem auf Eigengründungen zurückzuführen. Mit Kooperationen und Akquisitionen hatten die Friedrichshafener meist wenig Glück. Es war ZF-Chef Friedrich Baur , ehemals Vorstandsmitglied bei Siemens und ein vor Ideen sprühender Mann, der schon in den 1980er-Jahren das ganz große Rad in den USA drehen wollte. Baur hatte 1982 Erwin Ziebart an der Firmenspitze abgelöst. Dieser war ein begnadeter Techniker, in unternehmensstrategischen Fragen aber eher bedächtig und etwas risikoscheu. Friedrich Baur bot dazu das Kontrastprogramm. Ein mit der amerikanischen Dana Corporation geplantes Gemeinschaftsunternehmen zur Produktion vom Nutzfahrzeuggetrieben, für das man bereits einen Namen – ZF-Spicer International – gefunden hatte, sollte das „erste wirkliche Weltunternehmen“ werden. Nur wenige Wochen, allenfalls ein paar Monate werde man benötigen, um dieses Projekt unter Dach und Fach zu bringen, war sich Baur im Überschwang seiner Gefühle sicher. Doch es kam anders. Zweieinhalb Jahre wurde verhandelt, ehe die ZF-Presseabteilung am 25. September 1986 in einer 19-zeiligen Telex-Meldung kleinlaut über das Scheitern der Gespräche informieren musste. Angeblich hatten sich Bewertungs- und Steuerprobleme als unüberwindbar erwiesen.

Lehrgeld gezahlt

Auch Baurs Nachfolger Klaus Bleyer blieben schwierige Erfahrungen in den USA nicht erspart. Im Sommer 1992 war er sich mit dem General-Motors-Konzern in Detroit über den Kauf von dessen Getriebe-Hersteller Allison Transmission einig geworden, mit dem er das Nutzfahrzeuggetriebe-Geschäft der ZF in ganz neue Dimensionen führen wollte. Doch die beiden Vertragspartner hatten die Rechnung ohne die Kartellbehörden gemacht. Sowohl das Bundeskartellamt in Berlin als auch die amerikanische Kartellbehörde verweigerten ihre Genehmigung zu diesem Deal. Besonders überraschend kam deren Veto allerdings nicht. Jedenfalls wunderten sich viele Beobachter, dass sich die ZF und General Motors offensichtlich zugetraut hatten, die naheliegenden Bedenken vor allem der amerikanischen Wettbewerbshüter ausräumen zu können. ZF und Allison wären bei automatischen Getriebe für Linienbusse auf fast 80 Prozent Marktanteil in den USA gekommen.

Mehr Fortune hatte Bleyer – zunächst – mit zwei anderen Kooperationsvorhaben in Amerika . 1999 wurden gleich zwei Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Eines, die ZF Batavia in Batavia (Ohio), zusammen mit dem Automobilriesen Ford für die Produktion von stufenlosen CVT-Automatgetrieben und eines mit der Firma Meritor Automotive in Laurinburg (North Carolina). Dort ging es um die Fertigung von mittleren und schweren Nutzfahrzeuggetrieben. Ein besonders langes Leben war aber auch diesen Projekten nicht beschieden. Siegfried Goll, der 2001 Bleyers Nachfolge als ZF-Chef angetreten hatte, war es vorbehalten, den Rückzug aus beiden Gemeinschaftsunternehmen zu organisieren. Im Silversterinterview mit der Schwäbischen Zeitung vom 31. Dezember 2005 nannte Goll mehrere Sachgründe für diesen Ausstieg. Er fügte aber auch hinzu, man habe sich damals in Amerika zu viel auf einmal vorgenommen.