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Industrieikone

Schmerzhafte Veränderungen bei Rolls-Royce

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Vorstandschef East präsentiert neue Strategie – Keine Hinweise auf Verkauf von RRPS
Veröffentlicht:24.11.2015, 21:52

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Die Krise beim britischen Turbinenbauer Rolls-Royce (RR) droht wohl doch nicht zum Bruch mit der Friedrichshafener Tochter Rolls-Royce Power Systems (RRPS) zu führen. Der Industrieikone aus dem mittelenglischen Derby stehen im Rahmen einer erheblichen Umstrukturierung zwar „schmerzhafte Veränderungen“ bevor, sagte Vorstandschef Warren East am Dienstag in London beim Rapport vor Investoren. Der zuletzt wiederholt kolportierte Verkauf des Häfler Unternehmens scheint in den Planspielen der Konzernführung zumindest aktuell aber keine Rolle zu spielen.

Stattdessen will der seit Juli amtierende Chef Hierarchien abbauen, Fixkosten reduzieren und Entscheidungen transparenter machen. Die Firmenleitung steht unter hohem Druck von Großaktionären. Erst kürzlich hat der US-Hedgefonds ValueAct seinen Anteil auf zehn Prozent aufgestockt und Ansprüche auf einen Sitz im Aufsichtsrat angemeldet. Dadurch erhielten bereits bestehende Forderungen mehr Gewicht, der Konzern solle sich auf Flugzeugmotoren konzentrieren und das Sorgenkind, die Marine-Sparte, abstoßen.

Gerüchte über Trennung

Das defizitäre Maritimgeschäft mit Sitz im norwegischen Bergen ist vielen Analysten seit Langem ein Dorn im Auge. Durch den niedrigen Ölpreis ist die Nachfrage nach Bauteilen und Motoren im Offshore-Geschäft abgestürzt. Allerdings wäre angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage ein Käufer wohl nur schwer zu finden. Zur Sparte Land & Sea gehört auch die Fertigung von Bauteilen für die Nuklearindustrie sowie die Tochter RRPS mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee. Das früher unter Tognum AG firmierende Unternehmen mit der traditionsreichen Tochter MTU fertigt dezentrale Energieanlagen und Dieselmotoren für die Schifffahrt und steht nach Aussage von Thomas Bittelmeyer, Chef des Betriebsrats in Friedrichshafen, 2016 vor einem „schwierigen Jahr“.

Warren East selbst trug mit einer Veröffentlichung im firmeninternen Intranet unlängst dazu bei, dass über eine mögliche Trennung von RRPS am Bodensee diskutiert wird. „Unsere Geschäfte im Bereich Land & Sea sind für das Unternehmen strategisch nicht zwingend erforderlich“, schrieb er am 13. Oktober in seinem Blog. Diese Passage sei missverständlich übersetzt worden, sagte daraufhin ein Unternehmenssprecher. Bei der Belegschaft wurde die Aussage Easts dennoch nicht gerade als Bekenntnis zur MTU gewertet. „Dass wir verkauft werden, ziehen wir durchaus ins Kalkül“, sagte Bittelmeyer damals gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“.

Klarer Zeitplan für Reformen

Rolls-Royce mußte in diesem Monat die fünfte Gewinnwarnung innerhalb von zwei Jahren veröffentlichen. Die Aktie hat sich in diesem Zeitraum mehr als halbiert. Easts Strategie zielt auf einen klaren Zeitplan für einzelne Reformschritte. Details drangen bereits zu Beginn dieses Monats an die Öffentlichkeit – darunter Einsparungen von jährlich bis zu 285 Millionen Euro und den Abbau von 3600 Arbeitsplätzen, viele davon im Management. Ingenieur-Abteilungen müssten sich hingegen keine Sorgen machen. Während der Vorstandschef im August seinen neuen Großaktionär ValueAct noch als „opportunistisch“ denunziert hatte, stehen die Zeichen jetzt auf konstruktive Zusammenarbeit. Die Amerikaner haben sowohl das RR-Management selbst wie auch andere Aktionäre mit ihrer Detailkenntnis des Unternehmens überrascht.

Der Konzern mit weltweit mehr als 54000 Mitarbeitern, darunter 15500 Ingenieure, verfügt mittel- und langfristig über gute Perspektiven. Das Auftragsbuch weist Turbinen, Motoren und Dienstleistungen für globale Firmen und Streitkräfte im Wert von 108,6 Milliarden Euro aus. 2014 lag der Umsatz bei 20,5 Milliarden Euro, der Vorsteuer-Gewinn ging um acht Prozent auf 2,26 Milliarden Euro zurück. Gleichzeitig investierte RR 1,7 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung.

Die frühere Unternehmensleitung hatte sehr stark auf den Trend zu besonders großen Passagierjets wie den A380 gesetzt und darüber die Entwicklung neuer Motoren für kleinere Flugzeuge vernachlässigt. Das rächt sich jetzt, weil Airlines diesen Flugzeugtyp bevorzugen. Zudem könnte eine Korruptionsaffäre, in der die britische Betrugsbehörde SFO ermittelt, hohe Kosten verursachen.