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Landesagentur

Passendes Material für die richtige Stelle

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Passendes Material für die richtige Stelle
Veröffentlicht:13.08.2014, 18:25

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Seit gut einem Jahr koordiniert eine Landesagentur in Baden-Württemberg sowohl die Wirtschafts- als auch die Wissenschaftsförderung im Leichtbau. Vernetzung heißt das Zauberwort. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe sollen davon bei der Suche nach Partnern für aufwendige Produktentwicklungen profitieren.

Schon der Sitz der Agentur zeigt die Stoßrichtung. Geschäftsführer Wolfgang Seeliger (50) sitzt mit seinem Stab von sechs Mitarbeitern im Haus der Wirtschaft in Stuttgart. Ein Etat von vier Millionen Euro für fünf Jahre ist gesichert. Seeliger bezeichnet die Agentur als Dienstleister für jene Branchen oder Firmen, die zur Umsetzung ihrer Ideen auch auf Förderung angewiesen sind. Er stellt klar: „Marktgesteuerte Forschung ist kein Widerspruch zum Humboldtschen Wissenschaftsbegriff. Es muss beide Wege geben.“

„Leichtbau ist mehr als nur Fasern“, sagt Seeliger. Stoffe wie Carbon rückten zuletzt stark in den Blickpunkt. Sie machen Flugzeuge oder Autos leichter. Das senkt die Verbrauchszahlen oder verlängert die Reichweiten. Doch Seeliger wirbt bei seinen vielen Vor-Ort-Besuchen oder bei Workshops dafür, noch intensiver branchenübergreifend zu denken. „Klappt das, erhöht das sofort die Attraktivität.“ Ein Forschungsprojekt der Zukunft soll neue Lösungen für die Automobil- und die Bauindustrie bei der Bearbeitung von Oberflächen erarbeiten.

Die Agentur muss deshalb auch Partner zusammenbringen, die sich bislang gar nicht kannten. „Wir haben gut zuredende und ausgleichende Aufgaben“, sagt Seeliger. Konzerne mit ihren großen Forschungsabteilungen lassen sich zwar ungern in die Karten schauen. Aber auch bei ihnen hat Seeliger zu Beginn seiner Tätigkeit vorgefühlt. Heute sagt er: „Die Großen brauchen uns nicht wirklich. Aber die Kleinen müssen wissen, was die Großen planen.“ Nur so können sie passgenaue Lösungen anbieten und werkeln nicht zu sehr ins Blaue hinein.

Suche nach Gewebemischungen

Auf dem Leichtbausektor sind in Deutschland unterschiedlich organisierte Verbünde entstanden. Glasfaseraktivitäten werden in einem bundesweiten Netzwerk betreut. Bayern konzentriert sich auf Carbonfasern, Firmen aus dem Bodenseeraum sind darin eingebunden. Im Raum Lörrach ist eine Spezialistenszene für Legierungen zur Aluminiumverarbeitung entstanden. Die Suche nach neuen Gewebemischungen und Fasern hat im Raum Albstadt-Balingen Initiativen angestoßen. „Das Land ist breit aufgestellt“, betont Seeliger.

Bei der systematischen Zusammenführung vieler Aktivitäten aber sah die grün-rote Landesregierung Handlungsbedarf. Mittlerweile existieren 13 Arbeitsgruppen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) lobte nach einem Jahr die Agentur als „wichtigen Brückenbauer“, um den Industrie- und Forschungsstandort Baden-Württemberg innovativer zu gestalten. Kürzlich fand in Stuttgart der erste Technologietag „Hybrider Leichtbau“ statt. In Publikationen wird dieser Begriff bereits als „Königsdisziplin“ bezeichnet. Gesucht wird nach der Kombination von Materialien, die erst im Verbund die besten Gesamteigenschaften erbringen. „Das richtige Material muss an der richtigen Stelle sitzen“, erklärt Seeliger.

Der promovierte Chemiker war vor seinem Wechsel nach Stuttgart Leiter für Konzernentwicklung und Strategie bei der „centrotherm“ AG in Blaubeuren. Sein vorrangiges Ziel sieht Seeliger darin, eine sogenannte Technologie-Roadmap für den Leichtbau zu erarbeiten. Maschinenbauer, Automobilbauer, die Elektroindustrie aber auch Windanlagenhersteller gehören zu den wichtigen Ansprechpartnern.

Doch es geht beim Leichtbau nicht nur um die Suche nach noch besseren Materialien und darum, diese international zertifizieren zu lassen. Seeliger kann sich mit leicht ironischem Unterton die Seitenbemerkung nicht verkneifen, dass gerade im Automobilbau Gewichtsreduzierung auch anders erreicht werden könnte als nur durch neue Materialien. Ein Schiebedach führt auch wegen der eingesetzten Sensoren und Motoren zu einem Mehrgewicht von 30 bis 50 Kilo. Auf so einen Aspekt aber weisen die wenigsten Prospekte hin, wenn die Ausstattung von Karossen angepriesen wird.