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Milchquote

Letzter Tag für die Milchquote

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Am 1. April fällt die Produktionsbeschränkung – Über die Folgen sind die Meinungen noch immer verschieden
Veröffentlicht:30.03.2015, 20:50

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Ab Mittwoch gibt es in der Europäischen Union erstmals seit 31 Jahren keine Milchquote mehr. Politik und Experten rechnen mit einer steigenden Nachfrage weltweit, von der Europas Bauern profitieren könnten.

Viele Bauern in Europa befürchten aber einen fallenden Milchpreis durch die ungebremste Milchproduktion. Dies werde nach Expertenmeinung das Höfesterben in der deutschen Landwirtschaft beschleunigen. „Immer mehr Betriebe müssen aufgeben und an ihre Stelle treten vermehrt größere Betriebseinheiten, die wieder zusätzliche Probleme bei Umweltschutz und Tierwohl schaffen“, so das Ergebnis einer Studie für die Grünen-Bundestagsfraktion, die unserer Berliner Redaktion vorliegt.

Höfesterben droht im Süden

Laut der Studie des Büros für Agrar- und Regionalentwicklung in Kassel wären vom Höfesterben besonders die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg betroffen. Die Milchproduktion würde sich weiter in die nördlichen Wachstumsregionen verlagern. Je größer die Betriebe, desto weniger sehen die Kühe noch die Weide, so die Studie. Die Pachtpreise für Land zum Futtermittelanbau würden weiter steigen und Familienbauernhöfe noch mehr unter Druck setzen.

Die Milchquote wurde 1984 eingeführt. Sie sollte eine Balance zwischen Angebot und Nachfrage herstellen und die Preise stabilisieren. In den 1970er- und 1980er-Jahren hatte der europäische Markt noch mit „Milchseen“ und „Butterbergen“ zu kämpfen, die teuer mit Steuermitteln aufgekauft werden mussten. Erst die Milchquote stoppte die Überproduktion. Jeder Bauer erwarb entsprechend der Produktionsmenge eine Quotenberechtigung. Wer darüber produzierte, musste Abgaben zahlen. Ihre wichtigsten Ziele habe die Quote aber gar nicht erreicht, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbands im Südwesten, Horst Wenk. „Weder wurden die Einkommen der Milcherzeuger auf einem für diese akzeptablen Niveau stabilisiert, noch wurde dadurch der Strukturwandel aufgehalten.“ 1984 gab es in Baden-Württemberg 61000 Milchviehbetriebe, heute sind es nach Angaben des Verbands noch 8600. Bundesweit sank die Zahl im gleichen Zeitraum von 370000 auf 77000 Betriebe.

Obwohl die Quote das Höfesterben nicht aufhalten konnte, möchte die grüne Abgeordnete des Europaparlaments und gebürtige Ravensburgerin, Maria Heubuch, auch in Zukunft eine Mengenkontrolle haben. Sie denkt an eine Art Selbstregulierung mit Produktionsobergrenzen und Strafzahlungen, wie sie auch der europäische Dachverband der Milcherzeuger, das European Milkboard, fordert.

Nur so, ist Heubuch überzeugt, können auch kleine Bauern auf Dauer einen kostendeckenden Preis für ihre Milch erzielen. In Norddeutschland und Niedersachsen, wo in Großbetrieben unter industriellen Bedingungen gearbeitet werde, steige die Milchproduktion ständig, in Baden-Württemberg hingegen sei sie rückläufig. „Ich will, dass überall in Europa Milch produziert wird, nicht nur im Stall, sondern vom Grünland“, fordert Heubuch. Schon jetzt habe Spanien seine Milchproduktion ganz verloren. In Polen seien seit dem Beitritt vor elf Jahren 60 Prozent der Höfe aufgegeben worden. Und in Dänemark seien von 33 000 Betrieben nur 3000 übrig – und die auch noch hoch verschuldet.

Bislang konnten Familienbetriebe im Südwesten noch überleben: „Bis jetzt war es so, dass Betriebe ab 40 Kühen ein Familieneinkommen erwirtschaften können“, sagt der Ministerialdirektor im Stuttgarter Agrarministerium, Wolfgang Reimer. Die kleineren Molkereien könnten sich zudem im Premiumsegment profilieren und beispielsweise Heumilchkäse produzieren. „Das läuft beispielsweise im Allgäu, im Hohenlohischen oder im Schwarzwald gut.“