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Lebensmittelkette

Lebensmittelketten im Visier des Kartellamts

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Untersuchung belegt die Marktmacht der vier größten Einzelhandelsketten
Veröffentlicht:24.09.2014, 20:44

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Das Bundeskartellamt wird dem Lebensmitteleinzelhandel künftig stärker auf die Finger schauen. Damit reagiert die Behörde auf eine selbst vorgenommene Untersuchung des Verhältnisses von Handel und Herstellern. Die Konzentration in der Branche ist weit vorangeschritten. „Edeka, Rewe, Aldi sowie die Schwarz-Gruppe mit den Lidl-Märkten stehen für rund 85 Prozent des Marktes“, sagt der Chef des Amtes, Andreas Mundt. Einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse müsse konsequent entgegengewirkt werden.

Produzenten unter Druck

Die Marktmacht der vier führenden Unternehmen können die Händler bei den Preisverhandlungen mit ihren Lieferanten nutzen. Der Untersuchung zufolge haben die Produzenten der Lebensmittel zumeist die schlechtere Verhandlungsposition. „Der Verhandlungsmacht der Händler können im Einzelfall auch große Hersteller mit bekannten Marken ausgesetzt sein“, erläutert Mundt .

Nur bei den Verbrauchern besonders beliebte Marken holen deren Lieferanten bessere Konditionen heraus. Das kann zum Beispiel bei Coca Cola, Milka oder Haribo der Fall sein. Eine so gute Position gibt es jedoch nur für sechs Prozent der Artikel im Supermarkt. Ansonsten ist der Druck auf die Industrie hoch, da eine Auslistung ihrer Produkte durch einen Handelsriesen nicht durch den Verkauf der Erzeugnisse an andere Kunden ausgeglichen werden kann. Da die vier Großen untereinander einen starken Wettbewerb über die Ladenpreise ausfechten, suchen sie umso mehr selbst nach günstigen Lieferanten.

Edeka widerspricht

Das Kartellamt hat 200 Hersteller und 21 Handelsunternehmen befragt und rund 3.000 Verhandlungen bei 250 Markenartikeln analysiert. So hat die Behörde die Machtverhältnisse ermittelt. Branchenprimus ist Edeka. Jeder vierte Euro, der in Deutschland für Nahrungsmittel ausgegeben wird, landet bei der Genossenschaft. Die Verkaufsfläche aller Edeka-Filialen ist zusammengenommen doppelt so groß wie die der zweitgrößten Kette. Bei den Handelsmarken nimmt Aldi die Spitzenposition ein.

Marktführer Edeka widersprach der Sichtweise des Bundeskartellamts: Die Studie bilde die Realität in der Branche nicht ab, monierte der Einzelhandelsriese. Die Zahl von 250 untersuchten Artikel sei angesichts von rund 50000 Artikeln im Lebensmitteleinzelhandel viel zu gering. Deshalb führten die Ergebnisse in die Irre. Außerdem habe die Behörde nur die Beschaffungsmärkte in den Blick genommen – also den Umgang der Händler mit ihren Lieferanten. Gleichzeitig befänden sich die Ketten aber untereinander im scharfen Wettbewerb. Dies sei nicht ausreichend gewürdigt worden.

Mundt will die strenge Linie des Kartellamts gegenüber den Handelsriesen nun fortführen. Weitere Firmenzusammenschlüsse will die Behörde vertieft prüfen. Auch sieht das Amt die Gefahr, dass Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Das müsse jedoch im Einzelfall untersucht werden. Schließlich beobachten die Wettbewerbshüter auch die neuen Einkaufskooperationen, die die Position der Händler weiter verbessern.

Oxfam beklagt Marktmacht

Wie sich die Konzentration im Lebensmittelhandel konkret auf Lieferanten auswirken kann, hat die Menschenrechtsorganisation Oxfam am Beispiel von Bananen aus Ecuador recherchiert. „Mit ihrer enormen Marktmacht können die Einkäufer ihrem Lieferanten die Preise diktieren“, sagt Oxfam-Expertin Franziska Humbert. Auf dem Großmarkt setze Aldi die Referenzmarke für den Tagespreis. So wird indirekt auch Einfluss auf die Bananeneinkäufer in den Erzeugerländern ausgeübt.

Die Folgen bekommen dann die Bauern zu spüren. In Ecuador gebe es beispielsweise einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestpreis für die Kiste Bananen. Doch statt der vorgeschriebenen 6,22 Dollar würden derzeit nur 4,50 Dollar bezahlt. Ein Trick der Einkäufer: Sie überweisen den korrekten Betrag und fordern von den Erzeugern dann einen Scheck, mit dem sie die Differenz zu ihrem Preis wieder zurückholen. Diese Erträge der Bauern reichen aber nicht mehr zur Sicherung ihrer Existenz.