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Interessensgrenze

Kein Wissender, nirgends

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Ministerpräsident Weil (SPD) weist Vorwürfe im Diesel-Skandal zurück und widerspricht Piëch
Veröffentlicht:16.02.2017, 20:08

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Einigkeit über Partei- und Interessensgrenzen hinweg ist selten geworden. Nur im Untersuchungsausschuss zur Diesel-Affäre herrscht auf Seiten der Zeugen diese ungewohnte Übereinstimmung in wichtigen Fragen. Dafür lieferte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ein weiteres Beispiel. Der Politiker vertritt das Land als Aktionär im Aufsichtsrat von Volkswagen . Von den Manipulationen habe er nur aus dem Fernsehen erfahren, sagte er dem Ausschuss, aus der Tagesschau am 19. September 2015. Vom Unternehmen wurde Niedersachsens Regierungschef auch nicht informiert. Er habe am folgenden Montag von sich aus in Wolfsburg angerufen und nachgefragt. „Ich hätte dergleichen bei Volkswagen nicht für möglich gehalten“, gibt Weil zu.

Damit liegt er auf einer Linie mit vielen anderen prominenten Zeugen im Ausschuss. Bevor die Betrugsvorwürfe durch die US-Behörden öffentlich wurden, will keiner etwas von den Manipulationen am Motor gewusst haben. Der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn wies jede Mitwisserschaft ebenso zurück wie nach Weil auch der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Nur einer schert aus: der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch. Er soll gegenüber der Staatsanwaltschaft angegeben haben, dass er weit vor dem September 2015 vier Aufsichtsräte über ein Schreiben aus den USA in Zusammenhang mit dem Betrug informiert habe. Ministerpräsident Weil gehört zum Quartett, will von dieser Darstellung allerdings gar nichts wissen. Alle vier hätten dies bestritten, ebenso die beiden angeblichen Zeugen Piëchs, sagt Weil und schließt daraus: „Der Gegenbeweis ist geführt.“

Auch Dobrindt trägt den Parlamentariern in seinem Statement nichts Neues vor. Selbstverständlich hat auch der CSU-Politiker erst im September von der skandalösen Praxis bei VW erfahren und „sofort reagiert“. Aus seiner Sicht hat die Bundesregierung danach alles richtig gemacht. Es wurde ein Untersuchungskommission eingerichtet, auch andere Automodelle auf ähnliche Vorrichtungen überprüft, eine Rückrufaktion für fast 2,5 Millionen Fahrzeuge in die Wege geleitet und nun auch noch in der EU auf eine genauere Formulierung der Grenze zwischen erlaubten und unerlaubten Abschalteinrichtungen bei der Abgasbehandlung von Dieselfahrzeugen gedrängt.

„Spätestens im September dieses Jahres wird die Umrüstaktion abgeschlossen sein“, versichert der Minister. Bislang waren bereits 1,35 Millionen VW in der Werkstatt. Auch sein Versprechen, die Kunden würden durch die neue Software keine Nachteile erleiden, wurde gehalten. Weder bei der Leistung, noch beim Verbrauch würde es nach dem Rückruf eine Verschlechterung geben. Mittlerweile bereitet das Kraftfahrt-Bundesamt auch eigene Messungen bei Straßenbetrieb von Autos vor. Dafür kann die Behörde einen stillgelegten Bundeswehrflughafen in Schleswig-Holstein nutzen.

Mit den Zeugenaussagen der Spitzenpolitiker neigt sich die Ausschussarbeit dem Ende zu. Am 8. März ist noch die Bundeskanzlerin als Zeugin geladen. AuchPiëch würden die Parlamentarier gerne befragen. Doch der Österreicher muss nicht erscheinen und hat dies wohl auch nicht vor.

Die bisherigen Ergebnisse sind trotz umfangreicher Akteneinsicht überschaubar. Allein das Verkehrsministerium hat 1500 Ordner bereitgestellt. Ob sich der Skandal durch eine bessere Kontrolle durch die Behörden hätte verhindern lassen und ob die damalige VW-Spitze Bescheid wusste, haben die Abgeordneten aber trotzdem nicht herausfinden können.