StartseiteWirtschaftHohenzollern: Der Business-Fürst

Macher

Hohenzollern: Der Business-Fürst

Wirtschaft / Lesedauer: 10 min

Hohenzollern: Der Business-Fürst
Veröffentlicht:18.04.2017, 19:01

Von:
Artikel teilen:

Zweiter Stock auf Schloss Sigmaringen. Die Wände sind halbhoch mit edlem Holz verkleidet, darüber Tapeten in dunklen, gedeckten Farben, indirektes Licht. In der einen Ecke ein Kachelofen, auf dem Sims eine goldene Standuhr, gegenüber halbhohe Regale mit Büchern. Kunstführer, Musik, Wirtschaftsgeschichte. Wenn die Assistentin den Kaffee in feinen Porzellantassen zur Sitzecke bringt, muss sie durch eine Doppeltür aus Nussholz. Das Arbeitszimmer von Karl Friedrich Fürst von Hollenzollern lädt ein zum Sinieren und Denken. Stattlich, repräsentabel – und aus der Zeit gefallen: Ein Raum, in dem auch die nächste Szene der britischen Adelsserie „Downton Abbey“ spielen könnte.

Einzig der moderne Flachbildschirm auf dem Schreibtisch seiner Hoheit erinnert daran, dass das Oberhaupt der schwäbischen Linie des Hauses Hohenzollern im 21. Jahrhundert lebt – und vor allem arbeitet. Und auch das, was den Fürsten umtreibt, passt nicht zu der gediegenen Atmosphäre des vornehmen Müßiggangs. „Das Klima ist rauer geworden, der Margendruck in der Zulieferindustrie wird von oben nach unten durchgereicht“, sagt der Fürst. „Die Wertschöpfungskette verändert sich, nur mit Automatisierung können wir eine Verlagerung der Produktion in andere Länder verhindern.“

Unterhalt kostet viel Geld

Karl Friedrich Fürst von Hohenzollern ist Unternehmer. Er muss es sein, denn als Oberhaupt trägt er die wirtschaftliche Verantwortung für sein Adelshaus: Er ist Chef der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern. Die Entscheidungen seiner Hoheit sind es, die über das Wohl und Wehe von Unternehmen richten, die im Jahr weit mehr als 500 Millionen Euro umsetzen. Und wie gesagt, die Zeiten sind rauer geworden – in zweierlei Hinsicht. Das jahrhundertealte Geschäftsmodell des Adels funktioniert nicht mehr. Die Ära, in denen die Hohenzollern, die Wittelsbacher, die Welfen und die von Thurn und Taxis ihre Besitztümer und Schlösser allein aus den Renditen ihrer Wälder, Äcker und Ländereien unterhalten konnten, sind lange vorbei.

Rund 100 000 Menschen adligen Standes leben in Deutschland – aber was heißt adlig? Seit fast 100 Jahren nicht mehr viel. Seit dem Ende der Monarchie 1919 sind die Privilegien, die viele Standesgenossen von Fürst Karl Friedrich über Jahrhunderte genossen, passé. Die Weimarer Reichsverfassung war da rigoros: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben“, heißt es in Artikel 109. „Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“ Und da die Burgen, Schlösser und Landsitze in der Regeln mehr kosten, als sie einbringen, waren die Grafen und Herzöge, die Fürsten und Freiherrn seitdem immer mehr als Unternehmer gefordert und mussten Geschäftsmodelle finden, um ihr traditionsreiches Erbe für die künftigen Generation zu sichern.

Holzpreise und Skilifttarife

Das erklärt, warum sich der Schöngeist, Musikfan und begnadete Jazzsaxophonist Fürst Karl Friedrich mit den Renditen von Turboladern genauso gut auskennt wie mit der Bedeutung des amerikanischen Pianisten Nat King Cole. Und warum über den Bildschirm auf dem Schreibtisch im edlen Arbeitszimmer auf Schloss Sigmaringen Holzpreise und Skilifttarife genauso flimmern wie Immobilienrenditen und Baumarktdividenden. Schließlich gehören zur Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern nicht nur die Wälder des schwäbischen Adelshauses, sondern auch ein Maschinenbau-Konzern, Bau-Märkte, Immobilien – und ein ganzes Skigebiet.

Bedeutendstes Invest der Unternehmensgruppe ist zweifelslos die Beteiligung an Zollern, dem Maschinenbauer und Autozulieferer mit Sitz in Laucherthal bei Sigmaringendorf. 50 Prozent hält Fürst Karl Friedrich an dem 1708 als Fürstlich Hohenzollern’sche Hüttenwerke gegründeten Konzern. Er ist damit das älteste noch existierende Familienunternehmen Baden-Württembergs und hat mittlerweile Produktionsstandorte in 15 Ländern. Turbinenräder für die Auto- und Flugzeugindustrie kommen von Zollern, Winden, Stahlprofile und Gleitlager. Jahrelang war der schwäbische Konzern Weltmarktführer für Turbolader, bis – ja, bis die Zeiten rau wurden. „Da gibt es einfach eine neue Konkurrenz, wir mussten uns neue Produkte suchen, andere Anwendungsbereiche mit einer größeren Wertschöpfung wie in der Luftfahrt“, erläutert Karl Friedrich, der den Beirat des Unternehmens als Vorsitzender leitet. Aber noch immer steht Zollern sehr gut da. Mehr als 500 Millionen Euro setzt das Unternehmen im Jahr um. „Wir sind gut profitabel“, sagt der Fürst.

Schwaben wurden zu Forstunternehmern

Das war nicht immer so, die Stahlkrisen der 1970- und 1980er-Jahre gingen auch an Zollern nicht vorbei. Damals führte noch die Fürstlich Hohenzoller‘sche Hüttenverwaltung das Unternehmen – und man agierte standesgemäß. Bevor das Adelshaus Mitarbeiter entließ, verkaufte man lieber eine Häuserzeile oder ein Stück Wald. Doch die Banken drängten darauf, einen Investor ins Unternehmen zu holen, den Karl Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm 1989 in Ratiopharm-Gründer Adolf Merckle fand. Seitdem ist Zollern zu 50 Prozent bürgerlich. Nach dem Selbstmord Merkles übernahm Sohn Ludwig die Anteile. Er sitzt wie Fürst Karl Friedrich im Beirat des Maschinenbauers.

Das wichtigstes Geschäftsfeld von Fürst Karl Friedrich nach Turboladern und Turbinen ist weniger international. Es fußt auf der Basis, auf der Adelshäuser seit Jahrhunderten ihren Wohlstand gründen: auf Land – in diesem Fall auf Land mit Bäumen. Die Hohenzollern sind nach den Familien von Fürstenberg und von Thurn und Taxis die drittgrößten Waldbesitzer in Deutschland. Vor allem in Baden-Württemberg und im bayerischen Wald besitzen die Schwaben 15000 Hektar Wald.

Mitte des 19. Jahrhunderts verfügten die Hohenzollern sogar noch über mehr als die vierfache Fläche von heute. 1849 verzichtete nämlich Karl Anton, der letzte regierende Fürst des Hauses, zugunsten Preußens auf das Fürstentum und erhielt als Ausgleich 60000 Hektar Wald. Während die Verwandten der brandenburg-preußischen Linie große Politik und Wilhelm der Erste und Wilhelm der Zweite das Deutsche Reich zum Kaiserreich machten, entwickelten sich die Hohenzollern in Schwaben zu Forstunternehmern. Zwar verkleinerten Krisen und Kriege die Ländereien, aber auch mit einer Fläche von mehr als einem Viertel des Bodensees lässt sich gut wirtschaften.

Wald als Wirtschaftsfaktor

Rund 140000 Festmeter schlagen die Holzfäller von Fürst Karl Friedrich jedes Jahr, der Umsatz liegt bei zehn Millionen Euro, die Umsatzrendite bei drei Prozent. Das Holz geht in die Bau- und Möbelindustrie, aus den Stämmen der Hohenzollern’schen Betriebe werden Dachstühle, Parkettböden oder Möbel. „Wir bewirtschaften den Wald nachhaltig, das heißt, wir entnehmen niemals mehr Holz als nachwächst“, sagt seine Hoheit. Dabei ist für den Fürsten aber eines klar: Der Wald ist Wirtschaftsfaktor. „Unser Unternehmen lebt auch vom Wald“, sagt Karl Friedrich.

Ein Fürst poltert nicht – jedenfalls nicht der Hohenzollern’sche. Deshalb ist ein Stirnrunzeln von ihm eine Unmutsäußerung, die bei anderen einer veritablen Schimpftirade entspricht. Und wenn Karl Friedrich über Umweltschutzverbände spricht, durchziehen tiefe Furchen seine Stirn. „Diese selbsternannten Experten stellen bei der Forstwirtschaft Forderungen auf, deren Folgen sie gar nicht abschätzen können“, erklärt der Fürst. „Wir sollen Laubbäume anpflanzen, dabei brauchen wir Nadelholz für den Bau – mit Laubholz kann da keiner was anfangen.“ Die Verbände und ihre Gutachter argumentierten immer nur mit der Erholungsfunktion des Waldes, setzten sie sich durch, müsste Holz nach Deutschland importiert werden – „und dann, dann wäre es mit der Nachhaltigkeit vorbei“.

Alle Unternehmen laufen profitabel

Nachhaltig, im Sinne von wertbeständig, ist auch die Eigenschaft, die die unterschiedlichen Geschäfte der Unternehmensgruppe verbindet. „Das mit den Start-ups haben wir wieder aufgehört, wir sind zwar mit viel versprechenden Beteiligungen gestartet, aber nach der ersten Phase hatten wir kaum Glück“, erläutert der Fürst. Seine aktuellen Investments sind dementsprechend konservativ – die Renditen vergleichsweise niedrig, dafür aber wertbeständig, eben nachhaltig. Da ist die Beteiligung an zwei Toom-Märkten in Sigmaringen und Bad Saulgau. Zur Unternehmensgruppe gehört neben einer Immobiliengesellschaft mit Häusern in der Region Sigmaringen und dem Softwareentwickler Cosi auch die Fürstlich Hohenzollern‘sche Elektrozentrale Sigmaringen, ein Handwerksbetrieb mit 30 Mitarbeitern. Die Forstbetriebe nehmen zehn Millionen Euro im Jahr ein, indem sie anderen Waldbesitzern Forstdienstleistungen anbieten. Und am Großen Arber im bayerischen Wald gehört den Hohenzollern ein ganzes Skigebiet.

Alle Unternehmen der Hohenzollern laufen profitabel – darauf ist Karl Friedrich stolz. Allerdings, und daran lässt er keinen Zweifel, sei es auch notwendig, dass alle Unternehmen Gewinne schreiben. Und das Oberhaupt derer, die seit dem elften Jahrhundert in Schwaben herrschen, hat dafür zu sorgen, dass das so ist. „Ich muss ein erfolgreicher Manager sein, um mein Erbe weiterzugeben, um die Schlösser und die Substanz der Unternehmensgruppe zu erhalten“, sagt Seine Hoheit Karl Friedrich Fürst von Hohenzollern.

Teure Zeugnisse der Geschichte

Die Hohenzollern sind wohlhabend, ja reich – aber nicht reich im Sinne des um die Welt reisenden Jetset-Milliardärs. „Wir müssen uns unseren Umsatz für unsere Verpflichtungen zusammenverdienen, und wir müssen schauen, was wir uns leisten können“, sagt Karl Friedrich. Die Verpflichtungen der Adelshäuser sind die Burgen und Schlösser – einst Symbole ihrer Macht, heute Zeugnisse der Geschichte, die vor allem Unterhalt kosten. Bei Karl Friedrich ist da das ehemalige fürstliche Residenzschloss Sigmaringen, heute der Verwaltungssitz der Unternehmensgruppe. Lange Gänge, hohe Fenster, 462 Zimmer, kostbare Gobelins und eine der größten privaten Waffensammlungen Europas. Oder das Landhaus Josefslust, in dem der Fürst mit seiner zweiten Frau lebt. Und vor allem die Stammburg der Hohenzollern auf dem Zollernberg bei Bisingen auf der Schwäbischen Alb, deren Unterhalt sich die Familie von Karl Friedrich mit der brandenburg-preußischen Linie der Hohenzollern teilt. Da ist immer etwas zu reparieren, auszubessern und zu ersetzen. Experten schätzen die Instanthaltungskosten allein für die Burg Hohenzollern jedes Jahr auf einen hohen sechsstelligen Betrag.

„Wir haben einfach Belastungen, die andere Unternehmerfamilien nicht haben“, sagt Karl Friedrich. „Ich muss genau nach Zahlen führen, Probleme früh erkennen – und rechtzeitig gegensteuern.“ Mit dieser Verantwortung hat sich der heute 64-Jährige seit seiner frühesten Jugend auseinandergesetzt. Er studierte Betriebswirtschaftlehre im schweizerischen Fribourg, bevor er bei Banken in Deutschland und den USA arbeitete. „Als die Zeit reif war, habe ich mich der Aufgabe gestellt, und ich habe es nie bereut. Im Gegenteil: Ich bin dankbar, dass ich das machen darf“, sagt der Fürst.

Tradition verpflichtet

Der Blick des Hohenzollern-Chefs ist offen, geduldig, er scheint mit sich im Reinen. Karl Friedrich trägt Sakko, kariert im englischen Stil, darunter Schlips mit Wollpulli in beigen Tönen. Unabhängig, zurückhaltend, kein Lautsprecher, so beschreibt er sich selber. Ob er jemals daran gedacht habe, seine große Musikleidenschaft zum Beruf zu machen, mit seiner Jazzband „Charly and the Jivemates“ ein Leben jenseits von Holzrenditen, Turboladern und Skiliftpreisen zu leben? Nein, nie. Da ist der Fürst sehr bestimmt. „Mit dem Namen Hohenzollern verbinde ich die Tradition und die Verpflichtung, alles weiterzuführen“, sagt er.

Die Skulptur hinter seinem Schreibtisch zeugt denn auch nicht von den schöngeistigen Interessen von Karl Friedrich von Hohenzollern. Das metallene Gebilde trägt den Namen „chaotisches Pendel“ und ist aus allen Produkten der Zollern-Werke gefertigt. Die Belegschaft hat es ihrem Chef geschenkt.