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Kontrollverlust

Gezielter Kontrollverlust der EnBW-Eigner

Wirtschaft / Lesedauer: 3 min

Wegen drohender Milliardenrisiken lösen Land und OEW-Landkreise ihr Bündnis
Veröffentlicht:23.12.2015, 19:42

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Es ist eine Scheidung aus Angst vor dem Erbe: Nach jahrelanger Zusammenarbeit kündigen das Land Baden-Württemberg und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) ihre Zusammenarbeit beim Energiekonzern EnBW offiziell auf. Mit diesem drastischen Schritt wollen die beiden Großaktionäre „möglichen Schaden vom Land Baden-Württemberg und den neun OEW-Landkreisen“ abwenden, wie es in der dürren Pressemitteilung vom Dienstagabend hieß. Mehr will man nicht sagen: „Die OEW hat mit dem Land vereinbart, dass sie zu diesem Thema über die Pressemitteilung hinaus keine weiteren Stellungnahmen abgeben“, lässt OEW-Chef und Alb-Donau-Landrat Heinz Seiffert ( CDU ) erklären.

Hintergrund ist eine Gesetzesinitiative des Bundeswirtschaftsministeriums zur Haftung von Atomrisiken, das eigentlich auf den EnBW-Konkurrenten Eon zugeschnitten ist. Eon hatte angekündigt, den durch die Energiewende gebeutelten Konzern aufspalten zu wollen.

Es geht um Milliarden

Die Sorge in Berlin : Geht die für Atomstrom zuständige Tochter nach einiger Zeit pleite, kann sie nicht mehr für die Kosten des Atomausstiegs aufkommen. Der Aufwand wird in Deutschland auf zwischen 29und 77Milliarden Euro geschätzt, bezahlen sollen ihn die vier Energiekonzerne RWE, Eon, Vattenfall und eben EnBW. Genau kann die Kosten niemand kalkulieren, denn selbst die politische Suche nach einem Endlager dürfte noch Jahrzehnte dauern.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ ein Gesetz schreiben, demzufolge beherrschende Organisationen nach dem Prinzip „Eltern haften für ihre Kinder“ zeitlich unbegrenzt für Atomrisiken der Töchter aufkommen müssen. Zum Entsetzen der Baden-Württemberger: Denn so träfe das Gesetz auch das Land sowie die OEW-Landkreise, die den Karlsruher Konzern bisher mit zusammen 93,5 Prozent der Anteile gemeinsam beherrschen. Über die OEW-Beteiligungen könnten wiederum unter anderem die Haushalte der Landkreise Alb-Donau, Ravensburg, Bodenseekreis, Biberach und Sigmaringen betroffen sein.

Um unabsehbare Haftungsrisiken abzubiegen, kündigen beide Seiten diese Zusammenarbeit nun offiziell auf. Aus dem 93,5 Prozent-Block, der Strategie und Spitze des mehr als 19000 Mitarbeiter beschäftigenden Konzerns bestimmte, werden nun zwei Parteien mit je 46,75 Prozent, also ohne eigene Mehrheit. Die „denkbar schlechteste Lösung“, wie OEW und Land einräumen.

Widerstand in Berlin

Theoretisch könnten sich CDU-dominierte Landkreise und grün-rote Landesregierung im Kampf um den Kurs und die Macht im Konzern nun in die Haare bekommen. Doch danach sieht es (noch) nicht aus: Ein Sprecher von SPD-Landesfinanzminister Nils Schmid stellt klar, dass man keine EnBW-Aktien versilbern wolle. Es wäre auch ein mieses Geschäft: Seit dem Rückkauf durch den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus 2010 haben die EnBW-Anteile massiv an Wert verloren.

Dem Schweigen im Südwesten steht Geschäftigkeit in Berlin entgegen: Dort versuchen Land und CDU-Bundestagsabgeordnete, Gabriels Nachhaftungsgesetz im Sinne des Südwestens zu entschärfen. Gebremst haben sie es schon. „Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir es gerne noch in diesem Jahr verabschiedet hätten“, sagt ein Sprecher von Finanzminister Gabriel. Doch man sei zuversichtlich, das Gesetz „in den ersten Monaten 2016“ durch den Bundestag zu bekommen.

Möglich, dass die Herrschaftsklausel dann entschärft wird. Dann stünde einer neuen Aktionärsvereinbarung nichts im Weg. Der Scheidung in 2015 könnte also 2016 eine neue Vernunftsheirat folgen.