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Sonnenenergiebranche

Deutschlands einstiges Öko-Energie-Vorzeigeunternehmen Solarworld meldet Insolvenz an. Nach Jahren des Booms bekam Chef Frank Asbeck die Krise nicht in den Griff.

Wirtschaft / Lesedauer: 4 min

Das einstige Vorzeigeunternehmen der deutschen Solarbranche ist an der Billigkonkurrenz aus Asien gescheitert
Veröffentlicht:11.05.2017, 19:51

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Mit einer kargen Meldung räumte der einstige Star der deutschen Sonnenenergiebranche am Mittwochabend sein Scheitern ein. Der Vorstand der in Bonn ansässigen Firma Solarworld um Chef Frank Asbeck erklärte, die Gesellschaft sei „überschuldet“, und sie werde „unverzüglich einen Insolvenzantrag stellen“. Als Grund nannte man „Preisverwerfungen“, also sinkende Marktpreise für Solarzellen und Module.

Das verbliebene Kapital der Aktionäre ist damit in großer Gefahr. Die Arbeitsplätze stehen ebenso auf der Kippe. Derzeit beschäftigt Deutschlands größter Zellen- und Modulhersteller etwa 3300 Leute in den Werken Freiberg (Sachsen), Arnstadt (Thüringen) und Hillsboro (US-Bundesstaat Oregon). Über ihre Zukunft entscheidet bald der Insolvenzverwalter.

Vor der Bilanzpressekonferenz im vergangenen März machte Asbeck chinesische Exporte zu „Dumpingpreisen“ für die Schräglage seiner Firma verantwortlich. Dortige Hersteller würden ihre Zellen und Module unter Herstellungskosten auf dem Weltmarkt verkaufen und die Preise drücken.

„Die Pleite ist bitter für die Branche. Solarworld ist ein Opfer des internationalen Wettbewerbs, aber auch der harten Einschnitte der vergangenen Jahre“, sagte Carsten Körnig, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Er verlangte, die Bundesregierung solle das Ausbauziel für Solaranlagen in Deutschland erhöhen. Die derzeitige Obergrenze von 2,5 Gigawatt Zubauleistung pro Jahr macht vielen Firmen zu schaffen, weil sie Umsatz und Gewinne beschränkt. Die große Koalition will damit die Kosten der Energiewende im Rahmen halten.

Stürmisches Wachstum ...

Seit der Gründung 1998 und dem Börsengang 1999 stand Solarworld dafür, dass die deutsche Energiewende auch für die Anlagenproduzenten eine ökonomische Erfolgsstory sein konnte. Dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes der rot-grünen Regierung unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der hohen Festpreise für Solarstrom und des dadurch ausgelösten Nachfragebooms wuchs das Unternehmen rapide. Und Asbeck traute sich was: 2006 kaufte er die Solarsparte des Ölkonzerns Shell, 2007 erwarb er von der japanischen Komatsu-Gruppe das Werk in Hillsboro.

Schließlich verleibte Solarworld sich die Solarfiliale von Bosch samt der Fabrik in Arnstadt ein. Zwischendurch bot Asbeck dem US-Konzern General Motors noch an, dessen defizitäre Tochter Opel mit über 30 000 Beschäftigten zu übernehmen, um aus ihr den ersten „grünen“ Automobilbauer zu machen. GM lehnte jedoch ab.

Unternehmersohn Asbeck, geboren 1959, trat mit 15 Jahren in die Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) ein und war später ein Mitgründer der Grünen. Er musste sich oft dafür rechtfertigen, dass er in einer Villa in Godesberg wohnte, von Entertainer Thomas Gottschalk das Schloss Marienfels am Rhein kaufte und einen Maserati fuhr.

... und dramatischer Einbruch

Großspurig, arrogant? Überreizte Asbeck sein Blatt? 2012 war die Glücksträhne jedenfalls zu Ende. Unter dem Strich stand ein Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro. Neben dem rapiden Wachstum machten sich vor allem zwei Ursachen bemerkbar: Erstens kürzte die Bundesregierung die Einspeisevergütung für erneuerbare Energien, weil die steigenden Kosten zu politischen Konflikten führten. Zweitens stiegen chinesische Firmen in den Weltmarkt ein. Sie sorgten dafür, dass die Preise für PV-Zellen und Module massiv zurückgingen.

Solarworld stand kurz vor dem Aus. Nur mit einem Schulden- und Kapitalsschnitt überlebte die Firma. Gläubiger und Aktionäre verzichteten auf einen Großteil ihrer Ansprüche. Danach ging es wieder etwas aufwärts, auch weil unter anderem Asbeck bei der EU gegen die chinesischen Importe klagte und Strafzölle durchsetzte. Behoben ist das grundsätzliche Problem damit aber offenbar nicht. Der Preiskampf setzt sich fort – ein Grund für die neuerlichen Verluste.

Boom und Niedergang – diese Entwicklung traf in den vergangenen Jahren aber nicht nur Solarworld. Eher ist es erstaunlich, dass die Bonner Firma so lange durchhielt. Bei anderen Stars der Branche in Deutschland war das nicht so: Solon in Berlin musste aufgeben, Q-Cells in Bitterfeld ebenso. Auch die US-Firma First Solar hat ihre Zellfertigung in Frankfurt/Oder eingestellt. Übrig blieben einige Modulhersteller. Ab 2010 ging etwa ein Drittel der Arbeitsplätze der deutschen Solarindustrie verloren. 2014 gab der Bundesverband Solarwirtschaft noch 60 000 Vollzeit-Stellen an.

Stark vertreten sind hierzulande nach wie vor Komponenten-Hersteller wie die Firma SMA in Kassel, die Wechselrichter baut. Und der einheimische Maschinenbau beliefert einen guten Teil der internationalen Zellenproduzenten mit Fertigungsanlagen.

Während der deutsche Markt für Solaranlagen wegen der geringeren staatlichen Unterstützung und Einspeisevergütung viel langsamer wächst als noch vor fünf Jahren, dehnt sich das Produktionsvolumen in anderen Staaten zunehmen aus. So hoffte auch Solarworld-Chef Asbeck auf das Wachstum des Weltmarktes. Die großen Investoren teilten diese Hoffnung anscheinend nicht mehr.