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Der gescheiterte Sieger

Wirtschaft / Lesedauer: 4 min

Nach seiner Niederlage tritt Ex-Vizekanzler Philipp Rösler als globaler Strippenzieher auf
Veröffentlicht:22.04.2016, 19:13

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Er lächelt, als er sich vorstellt: „Hallo, Grüß Gott. Mein Name ist Philipp Rösler.“ Nichts erinnert in diesem Moment an den nach der Bundestagswahl 2013 um Fassung ringenden Rösler. Als Vizekanzler und FDP-Chef ist er gescheitert. Doch die Niederlage wurde für ihn zum Sprungbrett.

In seine neue Rolle als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Weltwirtschaftsforums scheint sich Philipp Rösler eingelebt zu haben. Während seine Weggefährten von früher um die Wählerschaft buhlen und die Bundestagswahl 2017 im Blick haben, reist Rösler um die Welt, knüpft Kontakte, sitzt mit den einflussreichsten Menschen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft an einem Tisch, diskutiert Probleme, sucht Lösungen. Globale Lösungen für globale Herausforderungen. Überhaupt scheint Röslers Leben deutlich internationaler geworden zu sein. Vielleicht ist auch deshalb der Vortrag über die industrielle Revolution 4.0 auf Englisch angekündigt.

Das frühzeitige Politiker-Aus

Rösler steht vor rund einhundert Studenten der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Uhr am rechten Handgelenk, schwarzes Hemd, grauer Anzug – keine Krawatte wie noch zu seinen Politiker-Zeiten. Nun ist er weit weg von Berlin, raus aus der Politik – unfreiwillig.

Angekündigt hatte er den Ausstieg aus der Politik für sein 45. Lebensjahr – doch am 22. September 2013 erlebte die Freie Demokratische Partei eine historische und Rösler eine persönliche Niederlage: Unter dem Vorsitz von Guido Westerwelle war die Partei mit knapp 15 Prozent – dem besten Ergebnis ihrer Geschichte – in die vorige Legislaturperiode gestartet, stürzte dann auf 4,8 Prozent ab, scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde und war raus aus der Bundesregierung, raus aus dem Bundestag . Rösler legte seinen Parteivorsitz nieder – mit 40 Jahren, fünf Jahre früher als geplant.

„Wie gesagt: Mein Name ist Philipp Rösler, ich war vorher in der Politik tätig“, beginnt er seinen Vortrag – auf Deutsch und nicht wie angekündigt auf Englisch. „Nachdem das am Ende nicht ganz so erfolgreich gewesen ist, bin ich in die Schweiz gegangen.“ Die Niederlage wurde für Rösler zur Chance: Nur wenige Tage nach dem Wahldebakel rief Klaus Schwab , der Gründer des Weltwirtschaftsforums, an. Im Dezember 2013 wurde dann bekannt, dass Rösler in Schwabs Organisation wechselt. „Wir haben ihn 2010 zu den Young Global Leaders aufgenommen. Ich habe seither seine Entwicklung verfolgt, und jetzt war eine gute Gelegenheit, ihn für das Forum zu gewinnen“, sagte Schwab damals dem Nachrichtenmagazin „Focus“.

Im Februar 2014 trat Rösler seine neue Position an, ist seitdem für Regierungskontakte und regionale Aktivitäten des Weltwirtschaftsforums zuständig. „Unsere Aufgabe ist es, öffentlich-private Partnerschaften zu ermöglichen“, sagt Rösler. Regelmäßig versuche das Forum, den öffentlichen Sektor – Regierungen und internationale Organisationen – mit der privaten Seite, wie Wirtschaft, Wissenschaft oder Zivilgesellschaft zusammenzubringen. Der Grund: „Weil wir davon überzeugt sind, dass alle großen Herausforderungen der Welt am Ende nur gemeinsam gelöst werden können“, erklärt Rösler. Dieses Jahr seien die Herausforderungen der vierten industriellen Revolution das Thema in Davos gewesen. „Die vierte industrielle Revolution ist aus unserer Sicht“, so Rösler, „alle vorhandenen Industrien, die Wirtschaft auf der einen mit der digitalen Welt auf der anderen Seite zu verknüpfen.“

„Wir“, „unsere Aufgabe“, „unsere Sicht“ – Rösler ist hörbar angekommen in Genf und Teil des elitären Netzwerkes geworden.

Neue Aufgabe, neue Sichtweise

Rösler beherrscht seinen Vortrag, spricht – während er im Raum der Zeppelin-Universität auf und ab läuft – vom digitalen Wandel, von der Veränderung der Arbeitswelt und der Gesellschaft, von Chancen, aber auch von Risiken. „Gerade deswegen werden wir nicht müde durch die Welt zu reisen und darauf aufmerksam zu machen“, so Rösler.

Knapp 15 Minuten dauert sein Vortrag. Dann schließt er, lädt zur Diskussion: „Das was ich in meinem neuen Job erhalten habe – im Vergleich zu meiner alten Aufgabe – ist das Grundmotto: Die Diskussion ist die Mutter aller Dinge.“ Er lächelt.

Schon bald nach der Abwahl der FDP hat Rösler mit der Politik abgeschlossen, ist mit seiner Familie nach Genf gezogen. Rösler hat einen anderen Blick auf die Politik, übt auch Kritik, wie im Fall der Taxi-App Uber: „Wenn Politiker keine Ahnung haben, dann verbieten sie. Das ist das Einfachste. Das ist die Grundhandlung. Anstatt sich damit auseinanderzusetzen.“ Rösler hat den Beobachter-Status eingenommen, fühlt sich wohl in der Rolle des Ex-Politikers, der weder parteipolitischen Zwängen genügen noch den Wählerwillen berücksichtigen muss.