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Solarmodul

Algerien schüttelt den Sozialismus ab

Algier / Lesedauer: 5 min

Eine Wirtschaftsdelegation aus Baden-Württemberg ist in Algerien herzlich empfangen worden. Wirtschaftsminister Schmid machte eine gute Figur - und parierte auch unangenehme Fragen
Veröffentlicht:06.02.2013, 08:20

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Unverblümt macht der mächtige Energieminister Youcef Yousfi deutlich, was er von seinen deutschen Partnern erwartet: Solarmodule, und zwar noch in diesem Jahr. Gemünzt ist die Aufforderung auf den Blaubeurer Maschinenbauer Centrotherm, der unweit der algerischen Hauptstadt Algier gerade in einem Konsortium eine prestigeträchtige Fabrik zur Produktion saharatauglicher Solarzellen errichtet. Wegen des erdbebengefährdeten Untergrunds verzögert sich der Bau des Werks, doch der ehrgeizige Minister drückt aufs Tempo.

Algerien ist aus seinem sozialistischen Dornröschenschlaf erwacht. Mühsam streift das größte Land Afrikas seine planwirtschaftliche Vergangenheit ab, um zu den Schwellenländern aufzuschließen. Algeriens Minister erwecken den Eindruck, als wollten sie die Versäumnisse dreier Jahrzehnte in wenigen Monaten aufholen. Deutschland soll Algerien bei der Modernisierung helfen, und zwar rasch.

„Hohe Professionalität“ bescheinigt Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) seinen algerischen Kollegen, die ihn wiederum loben als Vertreter einer „neuen, jungen Politikergeneration, die sich durch Leistungsfähigkeit auszeichnen“. Gleich fünf Minister traf Schmid, als er Anfang der Woche Algier gemeinsam mit einer Wirtschaftsdelegation aus Baden-Württemberg bereiste.

Hofiert wie ein Bundesminister

Wie ein Bundesminister wurde Schmid empfangen, und er öffnete mit seinem Besuch nicht nur für die Wirtschaft Türen. Auch der deutsche Botschafter profitierte: Denn er lernte ganz neue Leute kennen. Ein algerischer Regierungsvertreter gab unumwunden zu, er wisse sehr wohl, dass Deutschland einen neuen Gesandten in Algier habe. Den habe er bisher aber ignoriert. Er habe warten wollen, bis endlich ein Minister käme, um auch den Botschafter in sein Ministerium einzuladen. Ein Seitenhieb auf Philipp Rösler (FDP), der seinen Besuch in Algerien unlängst verschoben hatte?

Schmid trifft in Algerien den richtigen Ton. Er spricht fließend Französisch, wie auch seine gebildeten Gesprächspartner aus Algerien. Der deutsche Minister preist immer wieder die „Partnerschaft auf Augenhöhe“, was in Algerien gut ankommt - ein Land, das stolz darauf ist, die Herrschaft der Franzosen aus eigener Kraft abgeschüttelt zu haben.

Schmid hat aber auch leichtes Spiel. Mercedes steht in Algerien sinnbildlich für Qualität, deutsche Maschinen haben den Ruf, jahrzehntelang zuverlässig zu laufen. „Das ist eine große Chance für Baden-Württemberg“, sagt Schmid. „Die Deutschen sind in einer privilegierten Position“, merkt auch Mohamed Chami an, der Präsident der Handelskammer von Algier.

Gebetsmühlenartig verspricht Baden-Württembergs Wirtschaftsminister, Deutschland wolle nicht nur Waren verkaufen, sondern sei auch interessiert an der Entwicklung Algeriens. „Politische Unterstützung ist in einem postsozialistischen Staat unabdingbar“, sagt Christoph Partsch, Geschäftsführer der Deutsch-Algerischen Handelskammer (AHK), und einer der besten Kenner der algerischen Wirtschaft. „In diesem Land brauchen Sie die Politik auf jeden Fall“, merkt auch Ulrich Hermani an, der Geschäftsführer des einflussreichen Maschinenbauverbands VDMA in Baden-Württemberg und Teilnehmer der Delegationsreise.

Rückständiges Land

Die Elite weiß selbst am besten, wie rückständig Algerien ist. Nach dem Freiheitskampf gegen Frankreich experimentierte das Land mit einem Sozialismus arabischer Prägung. Mit der fatalen Folge, dass Algerien bis heute an einem überbordenen Staatsapparat krankt, der Wille zu Leistung und Dienstleistung als unterentwickelt gilt und große Teile der Bevölkerung eine Rundumversorgung verlangen. Ohne den Staat läuft nichts.

Andererseits ist Algerien reich, weil es gewaltige Ölquellen und Gasfelder besitzt. Diesen Reichtum will die Regierung nun zum Teil investieren, um das Land zu entwickeln. Das geschieht nicht ganz freiwillig: Algerien fürchtet revolutionäre Erhebungen wie in den Nachbarländern Tunesien und Libyen - und will das Land daher modernisieren.

Tour durch die Ministerien

Schmid fühlt sich wohl unter den algerischen Ministern, sie scheinen ihm näher als manch schenkelklopfender Schwarzwaldbauer oder ausgelassener Hästräger. Konzentriert hört er den Anliegen der Algerier zu. Wenn ihn eine Frage besonders beschäftigt, schürzt er die Lippen und weist mit dem Zeigefinger auf seinen Gesprächspartner, gerade so als würde er ihn ins Visier nehmen.

Er trifft er den einflussreichen Energieminister, dann den Minister für Industrie, seinen Kollegen für das Transportwesen und jenen für Tiefbau. Jede Aufgabe hat ein Ministerium, womöglich ein sozialistisches Überbleibsel. Auch der Religionsminister nimmt sich Zeit, Schmid das vielleicht prunkvollste Projekt der algerischen Regierung zu zeigen: eine Moschee der Superlative, die größte Afrikas mit dem höchsten Minarett der Welt. Sie ist das Symbol der Globalisierung: Geplant von Deutschen, gebaut von Chinesen, und sie beglückt sie Gläubige in Afrika.

Mehrere Minister loben die Arbeit deutscher Architekten und Ingenieure an dem Sakralbau. Und machen deutlich, was sie sonst noch wollen aus Baden-Württemberg: Maschinen für Autozulieferer, Spritzgussanlagen zur Kunststoffverarbeitung, Ingenieurswissen, um Großprojekte eigenständig angehen zu können. Immer wieder ist von der „Wertarbeit Deutschlands“ die Rede. Industrieminister Chérif Tamani charakterisiert die Deutschen als „pragmatisch und klar mit klar definierten Projekten und einer zielgerichteten Aufgabenstellung“. Schmid nimmt den Ball auf und wirbt für Hightech aus dem Südwesten: Er bringt den Tunnelbohrspezialisten Herrenknecht ins Spiel, lobt Bosch und ZF.

Sorge um Centrotherm

Nur einmal wird es knifflig auf Schmids Delegationsreise, eben als die Sprache auf Centrotherm kommt. Die Algerier sind besorgt, weil sich der Bau verzögert hat. Schmids Delegation versichert, dass die Gläubiger des angeschlagenen Anlagenbauers hinter dem Projekt in Algerien stünden. Der Delegation gelingt es, Zweifel zu zerstreuen. So funktioniert die politische Unterstützung wirtschaftlicher Projekte. Mehr können Schmid und sein Tross nicht tun.

Mit in Schmids Delegation reist Klaus Hermann. Er gehört der CDU an und kontrolliert das Treiben des Ministers im Auftrag der Opposition und des Parlaments. Die Mission sei erfolgreich gewesen und habe Türen geöffnet, sagt der Ludwigsburger Landtagsabgeordnete. „Jetzt muss die deutsche Wirtschaft liefern.“ Maschinenbau-Funktionär Hermani stellt trocken fest: „Es war eine gute Idee des Ministers, nach Algerien zu gehen.“