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Einfamilienhaus

Flache Geothermie: Gefahrlos zur Energie aus der Erde

Amtzell / Lesedauer: 4 min

Qualitätsnormen wurden angepasst – Unabhängige Kontrollen sorgen für mehr Sicherheit
Veröffentlicht:23.04.2014, 19:25

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Ratternd frisst sich der Bohrer in die Tiefe. Von dort soll später die Energie für ein Einfamilienhaus mit Büro stammen. Auf einem Grundstück in Amtzell (Kreis Ravensburg) steht der Rohbau. Daneben sind zwei Mitarbeiter an der Bohranlage beschäftigt. Ein Loch haben sie bereits am Vortag gebohrt. Bis in eine Tiefe von 120 Metern. Nun dreht sich das Bohrgestänge ein weiteres Mal in den Untergrund. Von Zeit zu Zeit schrauben zwei Arbeiter einen neuen zwei Meter langen Aufsatz fest. Das vom Gestein graubraun gefärbtes Wasser fließt in einen Baucontainer.

Es ist die typische Anlage eines Einfamilienhauses. Zwei Bohrungen im Garten, eine kleine Wärmepumpe im Keller. Diese funktioniert im Prinzip umgekehrt wie ein Kühlschrank: Sie nutzt die Wärme aus dem Untergrund – die Temperatur beträgt ab etwa zehn Meter Tiefe das ganze Jahr über mindestens acht Grad Celsius.

Unerschöpfliche Energiequelle

In die Bohrungen montieren die Mitarbeiter später eine sogenannte Erdwärmesonde. In dieser zirkuliert eine Wärmeträgerflüssigkeit, welche die Erdwärme ins Gebäude bringt. Zirka 20 000 Euro bezahlt Bauherr Uli Bachmann für die Erdwärmeheizung und damit rund 10 000Euro mehr als für eine klassische Öl- oder Gasheizung. Doch diese höhere Anfangsinvestition wird sich schon bald auszahlen. Denn im Gegensatz zu den fossilen Energieträgern zeichnet sich die Anlage durch extrem niedrige Betriebskosten aus. „Das Ganze ist wie ein gefüllter Ölkeller, der nie mehr leer wird“, sagt Christoph Knepel , Prokurist bei Baugrund Süd in Bad Wurzach. Soll heißen: Die Energiequelle bleibe über Generationen erhalten und steigere dadurch direkt den Wert des Hauses.

Zehn Mal um den Bodensee

Die Baugrund Süd Gesellschaft für Geothermie ist ein Unternehmen der Weishaupt Gruppe und Europas größtes Unternehmen für oberflächennahe Erdwärme. Erfahrungen sammelten ihre Mitarbeiter bei mehr als 12 000 Anlagen. Dafür bohrten sie insgesamt rund 2000 Kilometer, das entspricht der Distanz von Stuttgart nach Moskau oder zehn Mal der Umrundung des Bodensees.

„Die Vielzahl der Projekte dient direkt der Sicherheit der Kunden“, hebt Knepel die Bedeutung dieser Erfahrungswerte hervor. Die hauseigene Datenbank mit zahlreichen Bohrprofilen vieler Regionen biete wichtige Anhaltspunkte für künftige Bohrungen. Zwar existieren für Baden-Württemberg auch flächendeckend geologische Karten, in denen der Verlauf der Gesteinsschichten verzeichnet ist. Deren exakte Ausdehnung und Lage variiert jedoch. Durch die Vielzahl an Bohrungen lasse sich die Situation im Untergrund inzwischen sicher vorhersagen.

Stichwort Risiko: Zwei Aspekte seien für die Kunden am wichtigsten – minimales Risiko und maximale Effizienz. Und selbstverständlich keine Zwischenfälle. Diverse Schadensfälle haben eine ganze Branche in Verruf gebracht. Bei den Bohrunternehmen herrschte Unruhe, weil Aufträge ausblieben. Der Markt stand zwischenzeitlich vor dem Kollaps. Grund war vor allem ein extremer Fall in der Stadt Staufen im Breisgau (siehe nebenstehender Text). Nach einer Bohrung zerbrachen ganze Häuser an der Oberfläche. „Der Einfluss von Staufen war sehr deutlich sichtbar“, sagt Philipp Blum, Leiter der Abteilung Ingenieurgeologie am Karlsruher Institut für Technologie. Um fast ein Drittel sei er eingebrochen.

Verbindliche Leitlinien

Das Landesumweltministerium jedoch reagierte schnell. Denn: „Wesentliche Voraussetzung für die Nutzung der Geothermie und für deren Akzeptanz ist die sachgerechte Planung und Durchführung der Bohrungen“, teilte Umweltminister Franz Untersteller auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ mit. Mittlerweile gibt es landesweit ein dreistufiges Sicherheitspaket. Dazu gehören neben den ab Ende des Jahres verbindlichen „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ (LQS), gesteigerte Qualitätsansprüche für die Zertifizierung von Bohrfirmen und ein sogenanntes Qualitätsaudit, also ein Untersuchungsverfahren. Mit diesem erklären sich die Unternehmen etwa zu unangemeldeten Kontrollen durch externe Spezialisten bereit.

„Ein zweites Staufen wird es nicht geben“

Künftig sollen nur noch Firmen, die das Qualitätsaudit unterzeichnet haben, Bohrfreigaben erhalten. Außerdem darf im kritischen Bereich generell nicht mehr gebohrt werden. „Baden-Württemberg ist bundesweites Aushängeschild beim Thema Sicherheit“, sagt Knepel. Und: „Ein zweites Staufen wird es nicht geben.“ Alois Jäger vom Bundesverband Wärmepumpe ergänzt: „Bei sämtlichen Zwischenfällen sind definitiv handwerkliche Fehler begangen worden.“ Darüber hinaus sei das „Anhydritproblem“, das für das Staufer Unglück sorgte, in der Region nicht gegeben.

Seinen Teil zur Energiewende trägt auch Uli Bachmann bei. Der Bohrer ist zweimal sicher 120 Meter unter seinem Grundstück angekommen.