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Nur wenige Zuschauer beim ersten Musikfestival im Europapark

Rust / Lesedauer: 4 min

Mangel an Besuchern trübt Stimmung bei Premiere des Rolling Stone Parks
Veröffentlicht:21.11.2018, 17:23

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Gerade noch auf der Achterbahn, jetzt schon vor einer der vier Showbühnen: Die Premiere des Rolling Stone Parks am Wochenende im Europapark in Rust hatte alles, um ein großartiges Festival zu werden - bekannte Künstler, spannende Neuentdeckungen, ein internationales Publikum und zwei Fahrgeschäfte ohne Anstehen, die nur für die Konzertgänger ein paar Stunden geöffnet waren. Das Einzige, das fehlte, waren mehr Besucher.

Wayne Coyne , Sänger der Flaming Lips, zündet ein Feuerwerk nach dem anderen. Die Band aus Oklahoma City in den USA ist am Freitagabend Hauptact des ersten Festivaltages. Im größten Saal, der Arena, lässt sie bunte Papierschnipsel von der Decke regnen, Coyne schießt Luftschlangen aus einer Kanone in die Menge, Dutzende bunte Ballons in XXL-Format hüpfen über die Köpfe der Besucher. Irgendwann reitet Coyne singend ein leuchtendes Einhorn durch die Menge und verstreut dabei Glitter, dann wieder steht er in einem aufblasbaren durchsichtigen Ball auf der Bühne und singt „Major Tom“ von David Bowie.

Bunt wie ein Kindergeburtstag

Mehr fürs Auge kann eine Band kaum bieten. Die Musik – teils elektronisch angereichert, teils verspielt rockig oder träumerisch-schön wie bei ihrem Hit „Do You Realize“ am Schluss – tut ein Übriges, um die Herzen der Besucher zu rühren. Dennoch ruft Coyne während des eineinhalbstündigen Konzerts immer wieder „Come On, Come On, Come On“ – er fordert mehr Party, mehr Jubel, mehr Stimmung. „Das ist wie Kindergeburtstag mit fantastischer Musik“, sagt eine Besucherin. Bei keinem anderen Konzert ist die Halle so voll wie gerade – und trotzdem fehlt der Funke.

Das Rolling Stone Magazin hat mit dem Konzertbüro FKP Skorpio etwas Neues gewagt: Sie haben den Rolling Stone Weekender, den es seit zehn Jahren an der Ostsee gibt, auch nach Süddeutschland gebracht. Das Schwesterfestival hinter den Dünen am Weissenhäuser Strand fand vor einer Woche zum zehnten Mal statt. Schon Monate im Voraus sind alle Tickets weg. Anders beim ersten Rolling Stone Park im Europapark. 4500 Festivalgänger hätten Platz gehabt, laut Veranstalter kamen 2200. „Das Festival liegt uns am Herzen, das muss sich erst aufbauen“, sagt Sina Klimach von FKP Skorpio. Beim Weekender im Norden habe das auch gedauert, bis sich die Fangemeinde gefunden hatte. Schon jetzt gibt es Tickets für das Indoor-Komfort-Festival im November 2019 – zunächst nur in Kombination mit Hotelübernachtung im Europapark. Das war auch in diesem Jahr so, erst spät kamen Tagestickets und solche ohne Übernachtung dazu.

Besonders gefehlt haben die Massen in der großen Arena – einer sehr breiten Halle, die selbst mit 1000 Menschen recht leer wirkt. Kein Wunder also, dass es die Acts wie Nada Surf , The Breeders, Kettcar, Father John Misty, The Decemberists und Element of Crime schwer hatten, hier eine dichte Atmosphäre zu erschaffen. In den drei anderen Konzertsälen gelang das deutlich besser. Der mit Teppichboden und Kronleuchtern bestückte Ballsaal Berlin etwa bildete den perfekten Rahmen für die kristallklare Sehnsuchtsstimme der Londoner Sängerin Anna Calvi. Und die Porträts aller deutschen Bundespräsidenten an den Wänden bot den Mitglieden von Die Höchste Eisenbahn einen großen Fundus für kluge Scherze zwischen ihren Liedern.

Ein Festival lebt nicht nur von den großen Namen. Es sind gerade die Neuentdeckungen, die man freudig mit nach Hause nimmt. Wer etwa am Freitagabend in den Sala Bianca abgebogen ist, sah sich einer Wand aus Haaren und Gitarrenriffs gegenüber: The Sheepdogs aus Kanada, fünf Männer, die fast alle nicht nur Bärte und langes Haupthaar tragen, sondern auch entsprechende Musik machen. Sie mischen klassische Rock-Sounds mit Country- und Western-Einflüssen so, dass die Lieder vertraut und spannend neu zugleich klingen.

Und noch ein Kanadier hat die Herzen der Festivalbesucher erobert: der Singer-Songwriter Dan Mangan. Wer am Samstagabend das Glück hatte, in den kleinsten Konzertsaal namens Traumpalast zu kommen, erlebte ein berührendes Mitsing-Konzert. Um seinem Publikum noch näher zu sein, sang Mangan sein letztes Lied auf einem Stuhl stehend mitten in der Menge.

Festival der kurzen Wege

Da die Säle sehr nah beieinander sind, ist es leicht, von einem Konzert zum nächsten zu schlendern, wenn diese zeitgleich stattfinden –ein großer Pluspunkt dieses Festivals. Ein weiterer: das Freizeitpark-Erlebnis am Samstag. Schade, dass der angekündigte Can Can Coaster in der markanten Silberkugel doch nicht geöffnet war, sondern die Schweizer Bobbahn. Das Voletarium, in dem der Fahrgast über atemberaubende Orte Europas zu fliegen glaubt, versöhnt indes für vieles.

Der europäische Gedanke ist an diesem Ort ohnehin allgegenwärtig. Auch die Festivalbesucher sprechen Deutsch, Französisch, Schweizerdeutsch. Matthew Caws, britisch-amerikanischer Sänger von Nada Surf, beklagt sich bitterlich über den Brexit und sagt: „Die Idee eines geeinten Europas ist so wunderschön!“ Im Europapark, bei diesem Festival nahe Frankreich und der Schweiz, ist diese Idee lebendig.