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Das beautiful Game

LONDON / Lesedauer: 3 min

In Großbritannien bewundern sie den „Champagner-Fußball“ der Bundesliga
Veröffentlicht:25.05.2013, 12:50

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Der Kommentator der BBC News Online hat die gute Nachricht für das Ende seiner begeisterten Analyse aufgehoben. „Der deutsche Fußball kommt gewissermaßen nach Hause, wenn sich die Dortmund- und Bayern-Anhänger in Wembley treffen“, schreibt Chris Bowlby. „Wenigstens können Millionen englischer Fans vor ihren Fernsehern einmal ein Spiel erleben, in dem ein Elfmeterschießen mit deutscher Beteiligung keine furchtbare ,anglo Angst‘ auslösen wird“.

Es ist aber auch der einzige Trost für die Briten, die seit Wochen neidisch zum Land der „Krauts“ hinüberschielen, die „Das beautiful Game“ (The Sun) neu erfunden haben, indem sie die berüchtigte „teutonische Effizienz“ mit kluger Strategie, Spielwitz und einem atemberaubenden Tempo paaren. Der glänzende Triumph der beiden deutschen Champions-League-Finalisten über ihre favorisierten spanischen Gegner vor drei Wochen hat den erschütterten Kommentatoren auf der Insel die Augen geöffnet.

Selbst die Boulevardblätter trauen sich nicht mehr, die obligatorischen ironischen Spitzen über den „magischen Zwerg“ Philipp Lahm oder ihren Lieblings-Erzfeind „Kaiser Franz“ (Beckenbauer) zu recyceln. Stattdessen heißt es einstimmig: „Wembley, Herr we go!“ Noch nie wurde die Bundesliga im Mutterland des Fußballs so bewundert wie jetzt.

Zu viel Geld

„Die Deutschen spielen einen sehr aufregenden Fußball“, meint der Fußballkorrespondent des Independent, Sam Wallace. „Und die Premier League kann einiges von ihnen lernen. Zum Beispiel, wie man eigene gute Spieler fördert und großzieht“. England habe genug Nachwuchstalente, doch sie würden in der selbst ernannten „großartigsten Liga der Welt“ zugunsten der internationalen Superstars vernachlässigt, kritisiert der Sportjournalist. „Wir haben zu viel Geld und kaufen darum lieber für zehn Millionen einen Top-Spieler, statt einem jungen Talent eine Chance zu geben. Das machen die deutschen Clubs viel besser“.

Andere englische Experten heben die überlegene Organisation des deutschen Fußballs hervor. „In unserem ultrakapitalistischen Modell werden die Klubs ohne Rücksicht gekauft und verkauft. Dagegen befinden sich die deutschen Teams mehrheitlich im Besitz der Fans, was feindliche Übernahmen durch ausländische Besitzer ausschließt und die finanzielle Stabilität garantiert“, analysiert Christian Purslow , früherer Geschäftsführer des Liverpool FC. Er hebt außerdem die Koordination der Nationalmannschaft mit den Klubs durch die DFB-Führung hervor. In England würden die Football Association und die Premier League oft sehr unterschiedliche Interessen verfolgen, bedauert Purslow. „Deutschland zeigt uns, wie es geht. Ich rechne mit einem phantastischen Erfolg der Bundes-Elf in Rio“.

Die meisten Kommentatoren freuen sich auf das Wembley-Finale und nennen Borussia und Bayern die derzeit „besten Mannschaften Europas“. Beide Clubs zeigten einen offensiven Drang, der „selbst Barcelonas Spielweise in den Schatten stellt“, schreibt anerkennend die Daily Mail. „Was das Finale so berauschend macht, ist die Tatsache, dass die Bayern als heiße Favoriten gegen einen Gegner antreten, der keine Angst vor ihnen hat“, bemerkt der Scotsman in Edinburgh. Die Irish Times preist die deutschen Kicker gar als „große Unterhalter“ und nennt ihre Spielweise „Champagner-Fußball“.

Gerrard ärgert sich

So überwältigend war die britische Lobeslawine für die deutschen Finalisten in den vergangenen Wochen, dass sie bei manchen englischen Fußballern für Unmut gesorgt hat. „Letztes Jahr sagten sie uns, wir sollten wie die Spanier spielen. Jetzt heißt es: Macht es den Deutschen nach. Ich denke, wir sollten dem englischen Fußball treu bleiben“, ärgerte sich laut Medienberichten der Kapitän der Nationalelf und des FC Liver-pool, Steven Gerrard. Die Briten gehen nicht so weit, eine baldige Dominanz der Bundesliga auf dem Kontinent vorherzusagen. „Ein deutsches Endspiel macht noch kein Wetter“, beruhigt der Fachmann Christian Purslow seine Landsleute. „Die Premier League wird deswegen ihre globale Anziehungskraft nicht verlieren“. Heute Abend aber schauen alle auf zwei deutsche Klubs.