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FC Bayern: Ohne viel Federlesens

Sport / Lesedauer: 4 min

Beim 6:0 gegen Werders Hühnerhaufen trifft sogar Bayern-Kapitän Philipp Lahm doppelt
Veröffentlicht:19.10.2014, 21:37

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Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Gastspiele des SV Werder Bremen in München mit Spannung erwartete Spitzenspiele. Schon im Vorfeld zoffte sich der erzkonservative Uli Hoeneß mit Werders Linksaußen-Manager Willi Lemke. Oft konnte auch noch darüber diskutiert werden, welchen Bremer Profi sich die Münchner als nächsten schnappen würden. Doch das ist passé. Ohne viel Federlesens gewann der Spitzenreiter zu Hause gegen den Tabellenletzten, mit 6:0.

Die Bayern erzielten locker und leicht ein halbes Dutzend Tore gegen Werder, das seinem Hähnchen-Hauptsponsor alle Ehre machte und in der Defensive auftrat wie ein Hühnerhaufen. Offensiv ging jedoch noch weniger: Die Bremer schossen nicht ein einziges Mal aufs Tor. Dies war zuvor in der Bundesliga seit Beginn der statistischen Auswertungen noch nie passiert: in 6450 Partien seit 1993. Auf Augenhöhe war Werder nur in Sachen Garderobe, zumindest der Trainer. Es sah amüsant aus, als Robin Dutt und Pep Guardiola zur Pressekonferenz Platz nahmen: beide in schwarzer Hose, grauem Pullover und weißem Hemd, beide chic. Damit endeten die Ähnlichkeiten.

Der übellaunige Dutt, der nach acht Partien ohne Sieg und Konzept angezählt ist, gab zu, dass seine Mannschaft „ein schlechtes, ein sehr schlechtes Spiel“ abgeliefert habe. Auch glaubte er erkannt zu haben, dass dies „eigentlich nichts mit dem FC Bayern zu tun hatte, sie haben mit Normalform gespielt“. Was natürlich nur ein Teil der Wahrheit war. Die Höhe der Niederlage hatte durchaus mit der Spielfreude der Münchner zu tun. Unbenommen davon war Werder die wohl schwächste Mannschaft, die sich in dieser Saison in München vorgestellt hat – und hierbei dürfen ruhig auch alle bisherigen Gegner des Lokalrivalen TSV 1860 in Liga zwei mitberücksichtigt werden.

Eigentlich kamen zu den 71000 zahlenden Zuschauern elf beziehungsweise 13 bezahlte auf dem Feld hinzu: Sie trugen grüne Trikots. Beispiele gefällig? Bei Philipp Lahms Führungstreffer (20. Minute) stand niemand auch nur in seiner Nähe. Das Abwehrverhalten bei Xabi Alonsos Freistoßtor zum 2:0 (27.) war geradezu lächerlich: Thomas Müller stiftete – fast wie beim Stolperer im WM-Achtelfinale gegen Algerien – mit einem Lauf an der Mauer vorbei etwas Verwirrung, die Bremer hüpften im Trio hoch, der Spanier schob den Ball im Zeitlupentempo unten durch ins Tor. Ob er den Kollegen aus dem Norden im Vorbeilaufen „Springt!“ zugerufen hatte, blieb Müllers Geheimnis. Das Foul von Sebastian Prödl an Müller vor dessen Elfemtertor zum 3:0 (43.) war ebenfalls überflüssig. Bei Mario Götzes 4:0 (45.) standen die Bremer staunend Spalier. Zum Ende der Partie jubelten dann nochmal Lahm (79.) und Götze (86.).

Es durfte gelacht werden, vor allem in Sachen Lahm. Der Kapitän, von Guardiola vom Verteidiger zum Mittelfeldspieler umgemodelt, durfte diesmal phasenweise als falschester aller falschen Neuner ran. Lahm konnte sich nach dem Doppelpack kaum mehr einkriegen. Er nehme nun die Torjägerkanone ins Visier, sagte der 30-Jährige lachend: „Ich bin nah dran, jetzt will ich das den Rest der Saison durchziehen.“ Guardiola lobte seinen Multifunktionsprofi prompt als „einen der besten fünf Spieler in der langen Geschichte von Bayern München“. Darüber ließe sich angesichts der einst aktiven Kicker Beckenbauer, Müller (Gerd), Maier (Sepp), Hoeneß (Uli), Roth, Breitner, Rummenigge (Karl-Heinz), Matthäus, Scholl, Effenberg, Kahn usw. etc. pp. trefflich streiten, ein Volltreffer war aber der Spaß, den sich der Coach mit Lahm erlaubte. Gefragt, ob er mit ihm zufrieden sei, erklärte er trocken: „Nein, ich bin ein bisschen enttäuscht, ich wollte einen Hattrick.“ Zur Strafe werde Lahm im nächsten Spiel nicht aufgestellt.

Was natürlich undenkbar ist. Morgen (20.45 Uhr, Sky) in der Champions League beim AS Rom muss Lahm in bewährter Manier wieder mehr Abwehrarbeit verrichten. In der ewigen Stadt dürfte die in der Liga wenig geforderten Münchner mehr Arbeit erwarten. „Ich glaube, so ein Spiel ist genau das, was wir brauchen“, sagte Arjen Robben nach dem 6:0. „Lass’ uns auf uns selbst schauen und nicht immer auf die Tabelle.“ Womit es am Samstag eine weitere Parallele zwischen Bayern und Werder gab. In Bremen schaut ebenfalls keiner immer auf die Tabelle – aus völlig anderen Gründen.

Den Protagonisten der glorreichen Tage von einst ist es übrigens auch beiden nicht allzu gut ergangen. Der alte Sozi Lemke hatte unter der Woche mehr oder weniger freiwillig seinen Rückzug als Aufsichtsratschef angekündigt, Steuersünder Hoeneß sitzt derzeit eine Haftstrafe ab. Aber einen Werder-Profi, den die Münchner verpflichten wollen, gibt es dieser Tage sowieso nicht.