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Fußball-EM

Löw, der Mann mit dem feinen Händchen

Sport / Lesedauer: 3 min

Bundestrainer Joachim Löw trifft bei der EM oft Bauchentscheidungen – auch gegen die Slowakei die richtigen
Veröffentlicht:26.06.2016, 20:59

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Joachim Löw hat alles im Griff. In Lille sowieso. Schon beim ersten Gruppenspiel vor exakt zwei Wochen gegen die Ukraine – auf ganz persönliche Art und Weise. Alles und sich im Griff? Die einen sagten so, die anderen so.

Seit Sonntagabend, seit dem Achtelfinale gegen die Slowakei , läuft die K.o.-Runde dieser EM für das DFB-Team, und da kann ziemlich schnell ziemlich viel in die Hose gehen. Eine Unachtsamkeit, ein falscher Gedanke – und das Unternehmen Weiterkommen ist rasch gekippt. Nicht aber wenn ein Trainer am Werk ist, der sein Handwerk versteht. Der ein Händchen hat für die richtige Wahl der Spieler sowie für die Frage, mit welchem System er seine Leute ins Spiel schickt.

Wie Joachim Löw. Der 56-Jährige traf am Sonntag erneut mehrere richtige Entscheidungen.

Gegenüber dem 1:0 über Nordirland, dem dritten Gruppenspiel, veränderte er seine Startaufstellung nur auf einer Position. Für Mario Götze , bisher stets von Beginn an dabei, brachte Löw den Wolfsburger Julian Draxler auf dem linken Flügel. Götze, der nach eigenem Gefühl „sein bestes Spiel im Turnier“ vergangene Woche in Paris gemacht hatte, als er aus dem Zentrum nach halblinks weichen durfte, bekam nun überraschend nicht mehr Löws Vertrauen.

Nach einer Partie Pause war Draxler wieder drin – und zahlte es mit einer frischen Performance, mit frechen Dribblings, sauberen Flanken und dem 3:0 zurück. Eine Bereicherung. Der 22-Jährige bereitete auch das 2:0 von Mario Gomez perfekt über die linke Seite vor. Tor für Deutschland, Punkt für Jogi.

Der 12. Mann mit dem feinen Händchen. Alle seine Entscheidungen, vor allem die Änderungen, in diesem Turnier haben bisher gegriffen. Das wahre Coaching, das situative Reagieren auf manch merkwürdige oder unvorhersehbare Momente innerhalb eines Spiels oder Turniers, ist Joachim Löws Welt. Die Assistenten Marcus Sorg und Thomas Schneider, seit März als Duo an seiner Seite, beraten ihn dabei. Oft entscheidet der Bundestrainer jedoch, wie er sagt, „aus dem Bauch heraus“. Als da wären bei dieser EM:

Mustafi als Hummels-Ersatz genommen: Der Verteidiger vom FC Valencia ersetzte den noch verletzten Mats Hummels im Auftaktspiel gegen die Ukraine – und ersetzte mit seinem Kopfball zum 1:0 den unglücklichen Torjäger Thomas Müller und den noch absenten Mittelstürmer Gomez.

Schweinsteiger als Joker gebracht: Wenige Sekunden vor Abpfiff brachte Löw den Weltmeister, um das 1:0 abzusichern. Weil sich die Chance zum Konter bot, startete der Ex-Bayer durch und traf nach Özils Vorlage zum 2:0.

Hummels-Comeback gegen Polen riskiert: Ein gewisses Risiko war da, doch Löw vertraute dem Innenverteidiger, der von Dortmund zu Bayern München wechselt. Dank einer starken Leistung des Duos Boateng/Hummels stand gegen Lewandowski & Co. die Null.

Gomez als Mittelstürmer aktiviert: Vor dem dritten Gruppenspiel gegen die Nordiren forderten alle Experten Mario Gomez vorne drin. Löw zog Götze auf links. Funktionierte. Gomez’ 1:0 war der Matchwinner-Treffer.

Kimmich als Rechtsverteidiger entdeckt: Keiner der Experten forderte den 21-jährigen Mittelfeldspieler vom FC Bayern als Startelf-Kandidaten. Löw nahm für ihn Benedikt Höwedes raus. Kimmich glänzte in der Offensive. Wieder bingo. Und Höwedes glänzte als Teamplayer, begrüßte seine Bankverbannung mit fairen Worten: „Eine richtige Entscheidung des Bundestrainers. Wir müssen uns alle dem großen Ziel unterordnen und alle die Egos hintanstellen. Es ist normal, wenn andere Spieler hin und wieder Einsatzzeit bekommen.“

Draxler für Götze zurückrotiert: Gegen die Slowakei vertraute Löw wie erwähnt erneut Draxler – auch der Plan hätte besser nicht aufgehen können. Götze erhielt eine schöpferische Pause.

Womöglich hat Löw längst irgendetwas ganz Spezielles im Sinn für das Viertelfinale am Samstag.