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Bürgerball

Gockelores Kikeriki Helau: Bürgerball trifft Sitzungskarneval

Friedrichshafen / Lesedauer: 6 min

Gockelores Kikeriki Helau: Bürgerball trifft Sitzungskarneval
Veröffentlicht:01.02.2013, 23:25

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„Bei uns am See...“ heißt das Motto, mit dem die Seegockel in diesem Jahr die Bürgerbälle starten. Gleichzeitig feiern der Verein zur Pflege des Volkstums und der MCC Mainz „50 Jahre Brücke der Freundschaft“. Gemeint sind damit die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Vereinen. Franz Jenrich war es damals, der den Kontakt zum Mainzer Carnevals Club herstellte. Er kam als Redaktionsleiter vom Mainzer Anzeiger zur Schwäbischen Zeitung nach Friedrichshafen und begeisterte Albert Brauchle und die Narren für die Idee. Die Hästräger vom Bodensee mischten den Sitzungskarneval in Mainz auf und umgekehrt kamen Mainzer Jecken auf die Häfler Bühnen. So wie am Freitag und am Samstag.

Das neue Erscheinungsbild des Bürgerballs ist eben diesem Sitzungskarneval geschuldet. Das Licht im Saal ist heller, die Zuschauer feiern mit und schauen nicht nur zu. Und scheinbar geht die Rechnung des Elferrates und der beiden Bürgerball-Regisseure Alex Ulmer und Uwe Harting auch auf. Dem Publikum gefällt es.

Nach der Gockelbefreiung durch die Maskenträger und dem Einmarsch von Elferrat, Zunft und Hupenquälern zeigt das Showballett „Paradice“ aus der Ballettschule Svetlana Koop das Motto des Abends „Bei uns am See...“. Hier und da wird gemunkelt, ob die drei kleinen Pünktchen hinter „See“ für die Fortsetzung „und bei Euch im hohen Norden“ stehen. Schließlich ist das Land hinter Ravensburg aus Häflers Sicht schon fast Nordseeküste und Mainz damit eindeutig knapp vor Südschweden angesiedelt. Diese Frage aber bleibt unbeantwortet.

Mit offensichtlich guter Erinnerung kommen dann die „Alten Schachteln“, die Frauengruppe der Buchhornhexen, daher. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie, eingesetzten Gebissen und dem erahnbaren Hauch von Erotik zwischen Wollstrumpfhose und Mieder, Stirnband und Federboa wünschen sich die Damen mit dem ganz besonderen Hüftschwung lieber einen Mann statt Schokolade – ganz nach Trude Herrs Evergreen „Ich will keine Schokolade“.

Evergreens bringen auch die Damen der Gruppe „Freak Out“ mit, wenn sie zu Stücken von Ingrid Alberini oder Marilyn Monroe tänzerisch ihre Kreise drehen.

Zuvor hatten sich Sylvia Hiß-Petrowitz und Elke Kastner durch die Aneinanderreihung kurzer Witzchen, die das Thema Ehe in abgrundtiefen Facetten beleuchteten, die Zeit vertrieben. Wer die humoristischen Klagen über die jeweiligen Ehegatten ernstnimmt, müsste sich entweder sofort scheiden lassen oder die Ehe als Vorhof der Hölle akzeptieren. Mit „Szenen am See“ bieten schließlich Helmut und Maria Wild ihr bekanntes Musikduo – diesmal als eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. Als Straßenmusiker-Rentner kommen sie und singen über Einkaufszentren, Kneipenkultur und Stadtstrand, über Staatssekretäre und Sperrbezirke. Passend zum Thema tritt Maria Wild unter einer roten Laterne in roter Netzstrumpfhose, schwarzem Samt und später Lederminirock und Federboa als „Fesche Lola“ auf. Begleitet auf der Gitarre von Helmut Wild in weißem Jackett, schwarzer Hose, weißen Schuhen und weißem Hut. Sie schließen mit Henry Valentinos „Im Wagen vor mir sitzt ein schönes Mädchen“. Nach der Schunkelrunde, die vom Seemannschor Friedrichshafen musikalisch begleitet wird, kommt mit Friedrich Hoffmann als „Till“ – nur am Freitag – ein Poet der großen Politik auf die Bühne. Er bringt „das freie Wort, auch wenn es politisch, so doch hörbar ist und kritisch“. Für seinen Beitrag bekommt er Standing Ovations vom Publikum.

Den optischen und choreografischen Höhepunkt erleben wir vor der Pause mit dem Männerballett unter Leitung von Rudi Krafcsik. Christina Hermann und Ingrid Krafcsik haben die lieblichen Herren in Tütü und weißem Pelz als Schneeflöckchen auf das (Bühnen-)Eis geschickt – zur Erinnerung an die Seegfrörne vor 50 Jahren.

Mit viel Engagement und Aufwand, mit Liebe zum Detail und die Sorge um noch so kleine Unabwägbarkeiten haben die Verantwortlichen  - allen voran die beiden Regisseure Uwe Harting und Alex Ulmer – ganze Arbeit geleistet. Sie haben unter erschwerten Bedingungen ein Programm auf die Beine gestellt, das auch in der zweiten Hälfte ganz und gar nicht langweilig wurde. Im Gegenteil.

Mit dem Kurzkonzert des Fanfarenzugs Graf Zeppelin und dem Auftritt der dreiköpfigen Band „Die Original Ibrigen“, die sich in der Region einen immer größeren Namen machen, kam musikalisch eine erfrischende Brise in den Saal. Dass die „Ibrigen“ auf der Probe „nicht alles spielen, was sie jetzt zeigen“, war zusammengenommen mit den anderen Kommentaren in der Moderation Ausdruck dafür, dass beim Bürgerball nur das auf die Bühne kommt, was der Regie gefällt: „Gedichtet haben wir schon für diesen Abend einiges, aber spielen…“

Die Regie aber hat ohne großartige Probenzeiten und ohne den sonst vorher stattfindenden Seniorenball ein rundes Programm auf die Bühne gebracht. Die zweite Halbzeit begann mit der in der Öffentlichkeit noch nie zu sehenden Taufe der Seewaldkobolde. Und was beim Seewaldkobold Normalität ist, kam beim Publikum sehr gut an. Die beiden Täuflinge Karina Hepp und Dominic Haller gehen damit wohl in die Taufgeschichte der Kobolde ein.

Auch Rainer Bentele alias „Waltraud – ohne Mariechen“  stand mit seinem Beitrag ganz oben auf der Hitparade der Bürgerballbeiträge. Er holte zum Rundumschlag in dichterischer Büttrednermanier  aus. Thierse als Schwabenschreck oder der OB als Sauna-Spaßverderber, sie standen am Pranger dieses Redners, der die lokalen Themen gekonnt auf die Bühne holte. Absolut aktuell sogar, hatte er doch die 1,5 Millionen Euro für die B 31-neu, die Lothar Riebsamen angekündigt hatte, bereits in seiner Rede eingebaut. Ihm muss man zuhören, er meistert den nötigen närrischen Biss in der Bütt.

Abschied feierten beim Bürgerball die drei Häfler Originale Maria Münzer, Hans-Peter Walser und Werner Böhmer. Sie treten von der Bühne ab und wurden von Uwe Harting und Alex Ulmer auf poetische Weise geehrt.

Den Abschluss machte schließlich Karl-Heinz Franko aus Mainz. Er war schon 1964 auf der Bühne des Bürgerballs und einer der Mitbegründer der Brücke der Freundschaft zwischen dem MCC aus Mainz und dem Verein zur Pflege des Volkstums. Seit 50 Jahren besteht diese nun. Das Jubiläum ist auch Grund dafür, dass die Bürgerbälle in leicht geänderter Variante ins GZH kamen. Nach dem offiziellen Programm wurde weitergefeiert, dafür hatten die Narren im Foyer mit Bar-Atmosphäre und im Saal mit klassischer Ball-Stimmung gesorgt.

Die Moderation der Bürgerbälle hat Manfred Haas in Händen. Für den reibungslosen Ablauf sind neben den GZH-Technikern Bernd Fischer, Ottmar Eisele und Reinhold Pfister auf Seiten der Seegockel Dr. Peter Bucher, Eitel und Markus Nikschat, Jürgen Rimmele, Martin, Sascha und Patrick Wenk verantwortlich. Das Bühnenbild stammt vom SWR, farblich gestaltet und im GZH eingebaut wurde es von Uwe Wilfert. Und den Saal haben rund 120 Häfler Narren unter Leitung von Werner Schlegel und Maria Münzer geschmückt.