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Wallfahrtskirche

Trassengegner unter sich

Neuburg / Lesedauer: 4 min

In Seehofers Stimmkreis begehrt ein Dorf gegen eine Stromleitung auf – Der Ministerpräsident ist mittendrin
Veröffentlicht:04.04.2014, 17:25

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Es scheint alles so ruhig, so harmonisch: eine kleine Gemeinde, 400 Einwohner, es gibt eine Wallfahrtskirche und einen kleinen Weiher. „Baring“ sagen die Einheimischen liebevoll zu ihrem Ort Bergen, der sich idyllisch in die sanfte Landschaft schmiegt.

Doch seit Jahresbeginn ist der Ort in Aufruhr: Da haben die Baringer erfahren, dass der Netzbetreiber Amprion möglicherweise eine große Stromleitung direkt an ihrem Ort vorbei bauen will. Der Hals über Kopf gegründeten Bürgerinitiative gehören mittlerweile alle Baringer über 14 an. Am Freitag stehen sie nun alle zusammen auf dem Dorfplatz, dazu ein paar Hundert mehr aus den Nachbargemeinden. Sie warten auf ihren Landtagsabgeordneten, auf den sie ihre Hoffnungen setzen: Er soll die Trasse stoppen. Es ist der Ministerpräsident.

Höher als der Kirchturm

Horst Seehofer und sein Tross stoppen das erste Mal draußen vor dem Ort. Da haben der Sprecher der Bürgerinitiative, Franz-Josef Braun, und sein Team seit den Morgenstunden eine Art Stromtrassenmodell aufgebaut: Latten und Absperrband sollen den Sockel eines Mastes imitieren, und hoch über den Köpfen schweben rote Luftballons. Hinten am Waldrand genauso. Mehr als 70 Meter hoch wäre ein solcher Strommast, sagen sie. Der Kirchturm drüben messe nur etwa 30 Meter. Er sei dankbar für diesen „visuellen Eindruck“, sagt Seehofer. Und dass ihn das in seinem Kampf gegen die geplante Gleichstromtrasse von Sachsen-Anhalt quer durch den Freistaat nach Schwaben weiter bestärke. Er werde dagegen argumentieren, dagegen arbeiten und entscheiden. „Als Ministerpräsident kann ich sagen, dass wir alle Register ziehen, dass die Stromtrasse nicht kommt“, sagt er. „Dann loben und preisen wir den Ministerpräsidenten“, entgegnet einer.

Auf dem Dorfplatz haben sich die Baringer mit unzähligen Plakaten aufgebaut. „Keine Monsterstromtrasse“ steht darauf oder „Stoppt die Mördertrasse“. Lucia und Nadja, beide zehn Jahre alt, haben sich selbst gemalte Plakate umgehängt. „Blumenfeld statt Stromfeld“ steht auf einem. Der Neuburger Oberbürgermeister Bernhard Gmehling sagt, wenn alle zusammenstünden, werde man die Trasse verhindern. BI-Sprecher Braun warnt: „Es wäre eine Todsünde, wenn man hier die Masten bauen würde.“ Weiter hinten läuten Baringer mit Kuhglocken.

Dann ist Seehofer dran – und er findet die Worte, die die Baringer von ihm erwartet oder erhofft haben. „Ich persönlich und die bayerische Staatsregierung halten die Stromtrasse nicht für notwendig. Und wir werden alles dafür tun, dass sie nicht kommt“, verspricht der CSU-Vorsitzende. Und er wage auch die Prognose, dass die Stromleitung nicht kommen werde. Er werde jedenfalls alles einsetzen. Er betrachte dies als seine politische Verpflichtung und Verantwortung, betont Seehofer. Und er werde alles tun, dieser Verantwortung auch gerecht zu werden. Als irgendwo aus der Menge einer dazwischenruft und offenbar Zweifel anmeldet, entgegnet er: „Sie können mich beim Wort nehmen.“

„Wunderschöne Landschaft“

Seehofer begründet seinen Widerstand so: Die Stromtrasse sei – im Gegensatz zur sogenannten Thüringer Strombrücke – nicht nötig, weil es schon heute genügend Leitungen gebe, und weil über die Leitung offenbar Kohlestrom transportiert werden solle. Das komme aber keinesfalls infrage. Und dann verweist er auf die Natur rund um den Ort: „Wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn wir diese wunderschöne Landschaft beschädigen oder zerstören würden.“

Das ist Seehofers Mission, und er begründet sie mit Ortsterminen wie diesem: „Wir müssen schauen, dass wir für die Leute und die Natur kämpfen“, sagt er. Kritik oder Nachfragen, ob die CSU durch das Stromtrassen-Moratorium oder das Bremsen beim Windkraftausbau nicht inzwischen die Energiewende konterkariere, lässt er nicht gelten.

„Politik hat nicht die Aufgabe, an den Menschen vorbei zu handeln“, sagt er den Baringern. Und: „Es ist mein ganz privates, eigenes Interesse, dass Sie sich auf Ihren Abgeordneten verlassen können. Das ist mein Ehrgeiz: dass ich Sie nicht enttäusche.“