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Diskussionszeit

Quote: Öffentlich-Rechtliche am Pranger

München / Lesedauer: 5 min

Bei den Medientagen in München dürfen die Vertreter des Restsports ihren Kropf leeren
Veröffentlicht:21.10.2011, 19:10

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Mehr als die Hälfte der Diskussionszeit war schon vorüber, da sprach Prof. Dr. Michael Schaff-rath, Inhaber eines Lehrstuhls für Sport, Medien und Kommunikation an der TU München , Klartext: „Wir reden hier fast nur über Fußball. Was machen Sie mit den vielen anderen Sportarten? Nehmen Sie ihren Grundversorgungsauftrag wahr? Darüber müssten wir mehr diskutieren“, beschied der Wissenschaftler Moderator Gerhard Delling. So ist das im Fußballmekka Deutschland: König Fußball steht überall, auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, weit über allen anderen Sportarten. Und selbst wenn eigentlich darüber geredet werden soll, was denn mit dem Rest der bunten Sportwelt passiert, landen doch wieder alle beim Thema Fußball.

Die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) der ARD, das Aufsichtsgremium des föderalen Senderverbunds, hatte anlässlich der 25. Medientage München ins Kongresszentrum ICM geladen, um über das Thema „Sport in den Medien oder Mediensport: Wer will was von der Sportberichterstattung?“ zu diskutieren. Neben Schaffrath waren dazu Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Matthias Brügelmann, der Chefredakteur der Sport Bild , die ehemalige Fußballspielerin und TV-Expertin Nia Künzer und Stelian Moculescu , der Trainer des deutschen Volleyballmeisters VfB Friedrichshafen, eingeladen worden.

Sie alle waren sich im Grund einig darüber, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihrer Aufgabe, die die GVK-Vorsitzende Ruth Hieronymie bei ihrer Einführung umriss, nicht mehr gerecht werden: die Sportarten im Spannungsfeld zwischen Quote und Bedeutung für die Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis abzubilden. „Die Sportberichterstattung spiegelt den Wert des Sports für die Gesellschaft wider und unterstützt seine Rolle als Integrationsfaktor“, sagte Hieronymie, aber just dieser Theorie widersprach der Praktiker Moculescu. Weil so gut wie kein Volleyball im Fernsehen gezeigt werde, tue man sich immer schwerer, Nachwuchs für seinen Sport heranzuziehen. Ähnlich wie zuletzt Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf hat Moculescu schon verschiedentlich darüber geklagt, dass der Fußball alles „plattmacht“.

Gewohnt leidenschaftlich beklagte Moculescu, gerade vom Champions-League-Spiel seines VfB im russischen Kazan eingeflogen, die unzureichende Wertschätzung der gesellschaftlichen Leistung des Sports im allgemeinen und die Vernachlässigung seiner Sportart im besonderen. Volleyball hat’s besonders schwer, denn im Gegensatz zu den anderen populären Ballspielen Handball und Basketball findet es auch im Programm von Eurosport oder Sport1 nicht statt. Wie es denn sein könne, dass ein Sport wie Biathlon, der von vielleicht 2000 Athleten auf der Welt betrieben werde, ungleich mehr Berücksichtigung finde als die großen Ballsportarten, deren Verbände hunderttausende von Mitgliedern zählen, fragte Moculescu. Schaffrath beklagte, dass die Fernsehmacher ihre Entscheidungen „fast ausschließlich an der Quote festmachen“ und setzte noch einen drauf: „Wie viele Leute fahren denn ein Formel-1-Auto?“

Mit der zufriedenstellenden Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen hatte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky, zuvor unter anderem Chefredakteur des DSF, seine liebe Mühe. Bakausky bildete praktisch den Gegenpol zu Moculescu und verteidigte seine Position ähnlich emotional, als neben Delling einziger Vertreter der Gegenseite hatte er aber einen schweren Stand gegen die Phalanx der unzufriedenen Vertreter des Sports. „Es ist nicht so, dass wir immer auf die Quote schielen, aber wir können das Programm nicht an den Zuschauern vorbeimachen“, sagte Bakausky und verwies außerdem auf interne Beschränkungen. „Wir sind ja auch in Konkurrenz zu anderen Genres. Sport macht im Fernsehen sechs bis acht Prozent aus – viel mehr werden wir auch nicht bekommen. Wir haben nicht die Sendeplätze, um alles abzudecken.“

Die vorhandenen Sendeplätze aber sähen die Sportvertreter gerne ausgewogener verteilt. Alle waren sich einig, dass wünschenswert wäre, dass in der Sportschau nicht ausschließlich über Fußball berichtet wird, sondern das restliche Sportgeschehen zumindest nicht unerwähnt zu lassen. Mit der Abschiebung auf suboptimale Sendeplätze in den dritten Programmen „Die Frage ist schon auch, zu welcher Uhrzeit und mit welchem Aufwand gesendet wird“, argumentierte Schaffrath, der sich als schärfster Kritiker der Programmmacher profilierte. „Volleyball um 0.30 Uhr – wer soll sich das anschauen“, fragte Schaffrath.

Sport-Bild -Chef Brügelmann sieht „keinen Grund dafür“, dass die Öffentlich-Rechtlichen Gebührengelder in Fußballrechte stecken, obwohl die Übertragung schon von anderen Sendern abgedeckt sei. „Lassen Sie das doch die Privaten zeigen und sparen Sie das Geld für anderes.“ Schaffrath forderte die „Reaktivierung des Sportschau-Telegramms“, um den anderen Sportarten zu ihrem Recht zu verhelfen. „Wir müssen dahin kommen“, sagte Vesper, „dass Sportarten, die keine Chance gegen den Tatort haben, ihre Plätze bekommen. Fernsehen und Sport müssen aufeinander zugehen. Wir sind in sehr guten Gesprächen.“

Moculescu bewertete die Auswirkungen der Debatte nur verhalten optimistisch. „Das Wort Quote wird sehr vielschichtig ausgedrückt. Wie du’s drehst und wendest, du landest immer bei der Quote. Aber es war immerhin ein Anfang.“

Die Aufzeichnung der Diskussionsrunde ist am Samstag, 29. Oktober, um 22.30 Uhr auf BR-alpha zu sehen.